Leploop Italo – analoger Hula-Hoop

Test & Text: Martin Stürtzer

Ebenso hätte die Überschrift auch lauten können: Das programmierte Chaos –  wie es zwei Mailänder geschafft haben, auf der Größe eines Din-A5 Blattes einen analogen Synthesizer, eine Drum-Machine und einen Loop-Sequenzer unterzubringen. Denn genau für dieses Kunststück steht der Leploop. Zwar existieren erste Prototypen dieses kleinen Teufels aus dem „Laboratorio Elettronico Popolare (LEP)“ schon seit Anfang 2010. Und die  finale Version wurde schließlich auch ein Jahr später fertiggestellt. Jedoch ist es bis zum heutigen Tage aufgrund der in Handarbeit hergestellten Kleinauflage immer noch recht schwierig und nur phasenweise möglich, eine dieser mysteriösen Boxen an Land zu ziehen. In einer dieser Produktionsphasen befinden wir uns gerade jetzt.

Die italienische DIY-Schmiede Tonylight bezeichnet den Leploop auf ihrer Homepage als „Performance Groove Box“. Das allerdings ist in etwa so, als stünde auf der USS Enterprise „auch zum Transport von Wocheneinkäufen geeignet“. Um den ganzen Wahnsinn zu begreifen, der unter der Haube der wunderschön gestalteten Holzkiste steckt, muss der User fast schon philosophischen Fragestellungen nachgehen. Wie viel Zufall verträgt Musik? Ist beim Arbeiten mit dem Leploop eine dritte, unbekannte Persönlichkeit anwesend? Und warum klingt das alles so unbeschreiblich geil?

Der analoge Sequenzer ist das Herz des Leploop. Er lädt dazu ein, die Magie des perfekten Moments einzufangen. Jedes Pattern, das der User in den Speicher des Sequenzer befördert, ist einzigartig und wird so wohl nie wieder genauso zu hören sein.  Denn der Italienische Entwickler Antonio Cavadini und sein Kumpane Peppino Lasagna haben eines klassischen Step-Sequenzers allen Ernstes einen Rauschgenerator mit Sample & Hold Modul (zu Deutsch Zufallsgenerator) als Impulsgeber eingebaut. Man kann die 16 Steps also nicht ohne weiteres von Hand einstellen und ist auf die elektrische Spannung angewiesen ist, die gerade zufällig an den Sequenzer übermittelt wird. Auf Wunsch merkt sich der Leploop die letzten 16 Ereignisse. Wenn sich aus dem unendlichen Kosmos der zufällig generierten Tonfolgen eine starke Melodie in den Sequenzer verirrt hat, muss der Benutzer schnell den Schalter von „Rec“ auf „Loop“ umlegen, um sie einzufangen. In der Praxis hat das was von Blitze fotografieren. Man weiß nie, was als nächstes passiert, das Ergebnis ist aber immer beeindruckend. Man ist stolz auf das, was man zufällig festgehalten hat und weiß genau, dass diese Momentaufnahme einzigartig ist. Der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt, dass auch die vorsätzliche Programmierung des Sequencers nicht völlig unmöglich ist. Dazu muss man den LFO als Signalquelle für das S/H Modul auswählen und die Geschwindigkeit auf null drehen. Dann kann man eine Tonhöhe einstellen und das Tempo wieder erhöhen, um den folgenden Step zu erreichen. Dort stellt man schließlich die nächste Tonhöhe ein usf. Klingt kompliziert? Ist es auch. Und darum auch eher eine Option für die Hose & Kneifzange-Fraktion.

Um eine rhythmische Akzentuierung des Materials vorzunehmen, können schließlich einzelne Steps ein- und ausgeschaltet werden. Der Faktor Zufall schlägt nach einiger Zeit erneut zu, da die Sequenz in analogen Kondensatoren gespeichert wird. Sie entladen sich langsam, so dass sich der Sound allmählich von selbst verändert. Hier spielt der Leploop seine Stärken als vollständig analog aufgebautes Gerät aus: Selbst ohne Drehen der zahlreichen Knöpfe bleibt der Sound stets lebendig. In einer digitalen Umgebung wie Cubase oder Ableton Live bleibt ein Loop auch in hundert Jahren  noch exakt so, wie er vom Benutzer programmiert wurde. Das macht Sinn. Kann aber eben auch statisch erscheinen. Dem Leploop dagegen mag man stundenlang zuhören, wie er von selbst ein Pattern verändert und dem Loop immer wieder neue Facetten hinzufügt. Und das hat eben einen ganz eigenen Reiz.

Der Faktor Zufall spielt auch in der Klangerzeugung des Leploop eine große Rolle. Es stehen vier Modulationsquellen zur Verfügung, die auf die beiden Oszillatoren, den Rauschgenerator und die Bass-Drum geroutet werden können. Alle Elemente sind auch miteinander verschaltet und beeinflussen sich auf Wunsch gegenseitig. Ein Parameter verändert den anderen und mit wenigen Handgriffen wird aus einer transparenten Kick mit viel Punch eine durchaus Gabber-taugliche Höllenmaschine. Die Verzerrung überlagert dann möglicherweise noch die beiden Oszilatoren des Synthesizers – ein Effekt, der digital nur mit Sidechain-Kompression, geschickt eingesetzten Filtern und viel Kopfschmerzen möglich wäre. Tools wie Ringmodulation und FM, die selbst vielen großen Synthesizern fehlt, ermöglichen dramatische Eingriffe in den Klang. Genau wie der Sequenzer ist das Ergebnis niemals präzise vorhersehbar. Man hat eine Idee und schaut, was der Italiener draus macht.

Verspielte Electronica und treibender Underground-Acid sind nur zwei Genres, die der Leploop überzeugend vertreten kann. Mit etwas Hall und Echo driftet die kleine Wundermaschine schnell in Ambient-Soundscapes ab.

Wer braucht einen Leploop? Alle, die sich in Zeiten perfekt programmierter Synthesizer und riesigen Sample-Libraries, mit denen alles (und noch mehr) geht, ein bisschen Chaos, Zufall und dreckigen Analog-Sound wünschen. Der Leploop kann einem fast fertigen Track neue Akzente verleihen und frische Ideen in die Produktion bringen. Oder zu Beginn als Ausgangspunkt für einen neuen Track Ideen aus dem Kosmos des Zufalls einfangen. Das, was die analogen Schaltkreise uns vorspielen, wird nie langweilig und trägt immer die Magie des Vergänglichen in sich. Aus der italienischen Holzkiste kommen nur Takte, die noch nie ein Mensch zuvor gehört hat. Und er wirkt fast wie eine instrumentale Reinkarnation des diabolischen Sound Of Rome, wie ihn italienische Producer-Legenden wie Leo Anibaldi oder Lory D in den 90ern prägten.

Tonylight‘s Leploop

2 Oszillatoren (Wellenformen: Rechteck, Dreieck, Sägezahn)
2 AD Hüllkurven
1 LP-Filter 24 dB/Oct. mit Cutoff u. Resonanz
Kick-Drum Generator mit Distortion / Overdrive
Noise Generator
1 LFO
2 VCA
1 Sample & Hold
16 Step Analog Sequencer
4 Track / 32 Step Digital Sequencer
Vierkanal-Mixer
MIDI In
CV In
Sample & Hold Out (CV / Gate)
Sequencer Out (CV / Gate)
Audio Out (VCO1 u. Mix)

Preis: 599 Euro

www.tonylight.it

www.schneidersladen.com