“Analog is the real stuff, and digital is just the cheap imitation! You probably heard it before … We do not believe this is true. Analog can do things that digital gear just can’t, but the reverse is also true. It’s true that digitals trying to recreate the analogs will never fully succeed. But that’s not what Modor synths are made for …”
So viel zum Selbstverständnis einer jungen Ein-Mann-Synthesizerschmiede namens Modor Music. Gegründet vom 36-jährigen Belgier Marc Belmans, entwickelte er zusammen mit Maks Konings in seiner Heimat Antwerpen den Digitalsynth NF-1. Der Firmenname „Modor“ geht dabei übrigens auf das urgermanische Wort für „Mutter“ als Synonym für Ursprung zurück. Und bei der Nennung Belgiens geht natürlich speziell älteren Semestern das Herz auf. Denn auch wenn die wirklich wilden Tage vorbei scheinen, prägte der kleine Nachbarstaat ab den 1980ern die elektronische Tanzkultur wie kaum ein anderes Land. Von EBM über New Beat bis Techno war Belgien 15 Jahre lang Wiege und Epizentrum des europäischen Undergrounds. Bands wie Front 242, DJs und Produzenten wie CJ Bolland, Labels wie Bonzai Records und Clubs wie das La Rocca haben Musikgeschichte geschrieben. Wen die ganze Story interessiert: Am 9. Januar wiederholt ARTE die Sendung „The Sound Of Belgium“: Ein liebevoll recherchierter Streifzug von den Anfängen über die Hochblüte bis hin zum Ende dieser goldenen Ära. Absolut sehenswert!
Livin‘ the 80‘s
Zurück zum Modor NF-1. Die Belgier taten gut daran, nicht auch noch auf den Zug lupenrein analoger Hardware-Synthesizer aufzuspringen. So sehr die aktuelle Flut an Analog-Instrumenten großer und kleiner Hersteller auch begeistern mag, freut man sich inzwischen wieder über jedes Konzept, das darüber hinausgeht. Bereits optisch wirkt der NF-1, als entstamme er einem Design-Book der frühen 1980er. Angefangen bei der weißen Farbgebung mit schwarzen Akzenten, über die grünen Displaystreifen und schließlich die asymmetrisch verwinkelte Raumaufteilung. Das visuelle Krönchen bildet schließlich das Modor-Schriftlogo im kubistischen Outline-Stil. Kurz gesagt: Sehr gelungen – man fühlt sich sofort in die Zeit von Zauberwürfel, Pac-Man und New Wave zurückversetzt. Mit seinem außergewöhnlichen Design nimmt der Tabletopper zudem bereits viel von dem vorweg, was ihn auch klanglich auszeichnet: Er ist im positivsten Sinne einfach „anders“. Zur Verarbeitung: Diese ist in weiten Teilen exzellent. Dabei gilt: Size matters. Gewicht auch. Obwohl der NF-1 chipgetrieben ist, bringt er dank seines Vollmetallchassis immerhin fünf Kilogramm auf die Waage. Das üppige Flächenmaß von 440 x 267 mm (= 6 HE) lässt trotz der sage und schreibe 44 Drehregler und 10 Buttons mehr als genug Armfreiheit für ungestörte Kurbeleien. Die Kunststoff-Potis sind entsprechend ihrer Bedeutsamkeit in klein, fett und ultrafett größengestaffelt. Sie lassen sich auch vorzüglich führen, aber: leider sind sie derart dünnwandig, dass sie den hoch qualitativen NF-1 Gesamteindruck ein klein wenig schmälern. Hintenrum gibt sich das Instrument wiederum betont 80ies: Zwei Audio-Klinke-Outs (L/R), fünfpolige MIDI-In/-Out-/Thru-Ports, jeweils ein Fußschalteranschluss für Sustain und Volume/Modulation – das wars.
Mega-Hertzkammer
Im Inneren ist der NF-1 voll digital ausgestattet. Es werkeln im Wesentlichen zwei Prozessoren: Ein 250 MHz getakteter Freescale/Motorola DSP56725 Dual Core, wie er im Access Virus, Clavia Nordlead sowie in einigen Waldorf-Synths zum Einsatz kommt. Er ist ausschließlich für Klangerzeugung abgestellt. Der zweite Prozessor, ein 16 MHz PIC18F67K22 Microcontroller, ist für die Regler-Daten, das LCD, die LEDs sowie die MIDI-Kommunikation zuständig. Die Entwickler betonen dabei selbst noch einmal, dass der NF-1 trotz der Prozessorgleichheit natürlich nicht so klingt wie ein Virus oder Nordlead. Den Unterschied macht die Programmierung. Oder wie es Helmut „the pear“ Kohl in den 80ern so hübsch formulierte: „Entscheidend ist, was hinten rauskommt!“ Und das klingt eben sehr eigenständig, wovon man sich schnell mit den Beispielen auf der Modor-Webseite überzeugen kann.
Seinen Klang generiert der Achtstimmer zunächst auf subtraktivem Weg. Entsprechend bringt er auf der Bedienoberfläche die Hauptsektionen Oszillator, Filter, Effekte und Verstärker sowie Modulation mit. Als Grundbausteine besitzt er unter anderem drei unabhängige Oszillatoren, ein 12dB/Okt. Multimode Filter, eine Effektabteilung, eine Sample & Hold-Funktion mit Lowpass-Option, drei LFOs sowie vier Hüllkurven. Doch damit sind die Möglichkeiten des NF-1 noch nicht einmal annähernd beschrieben. Denn in praktisch jeder Sektion warten innovative Überraschungen. So lassen sich bei den drei gleichwertigen Oszillatoren insgesamt zehn Wellenformen anwählen. Darunter neben Standards wie Sägezahn, Puls, Dreieck oder weißes Rauschen auch selbst entwickelte Typen wie ein Windgeräusch- oder Retro-Videospiel-Rauschen. Weitere Delikatessen sind ein frequenzvariables Rechteck, eine harmonische Additiv-Synthese mit sechzehn Obertonvarianten sowie zwei FM-Modi mit jeweils zwei Operatoren. Sämtliche Wellenformen und FMs lassen sich dabei weitreichend über den zugeordneten Mod-Regler verändern. Auch die Abmischung der Oszillatoren, des Rauschanteils und des Ringmodulators ist dank dedizierter Potis möglich. Überhaupt erweist sich der NF-1 aufgrund der großen Zahl an Potis und Buttons als besonders intuitiv bedienbar. Das kleine Display benötigt man in erster Linie für exakte Parametereinstellungen oder um in das Preset-Menü zu gelangen. In letzterem lassen sich in 14 Bänken 448 Sounds abrufen. Dank des großen Endlosdrehreglers am oberen Instrumentenrand kann man komfortabel durch die interne Struktur manövrieren.
Deine Mudda will sprechen
Auch die Filtersektion des Modor NF-1 wartet mit einer Besonderheit auf. Denn neben dem 12dB/Okt. Multimodefilter mit wählbarem Lowpass, Highpass, Bandpass und Notch steht ein weiteres Filter zur Verfügung, das Formanten – also menschliche Vokale wie „a, e i, o, u“ – nachbilden kann. Laut Auskunft der Entwickler wurde es in dieser Form noch nie in einem Synthesizer umgesetzt.
Das Format-Filter lockt mit zehn Vokal-Voreinstellungen, von denen drei überblendet sowie mithilfe einer Hüllkurve und eines LFO beeinflusst werden können. Eine klanglich wirklich spacig klingende Sache, auch wenn sie an einen ausgewachsenen Vocoder natürlich nicht heranreicht. Einen Audio-Input besitzt der Synth aber ohnehin nicht. In der Hüllkurven-Abteilung gaben sich die Belgier ebenfalls nicht mit einem handelsüblichen ADSR-Modell zufrieden. Stattdessen unterteilten sie die insgesamt vier Hüllkurven in drei Stärkestufen mit vier Zeitabschnitten, sodass sich zusammen mit den mannigfaltigen Zuweisungsmöglichkeiten facettenreiche Hüllkurven zeichnen lassen. Gleiches gilt für die zwei LFOs. Bei ihnen kann man zwischen den Wellenformen Sägezahn, Dreieck, Sinus und Rechteck wählen. Und auch hier sorgen die umfangreichen Verschaltungsmöglichkeiten für ein berauschend komplexes Klangverhalten. Ergänzt werden die zwei Haupt-LFOs um einen dritten LFO mit Triangle-Welle, der fest an die Tonhöhenveränderung gekoppelt ist. Die Sample & Hold-Funktion leistet ihr übriges.
Kultverdächtig
In Sachen Synthesizer-Hardware hat Belgien mit dem Modor NF-1 die Nase endlich mal wieder ganz weit vorn. Ein derart eigenständig und flexibel klingendes Instrument hat man lange nicht gehört. Ja, das digitale Schmuckstück kann auch klassisch analoge Sounds nachbilden. Allerdings standen diese nicht, wie eingangs zitiert, im Fokus des erfinderischen Interesses. Stattdessen überzeugt der NF-1 mit finessenreichen Digitalsounds, die von trancig-elegant über Lo-Fi-knirschig bis Lead-markant reichen. Nicht zu vergessen die fetten Bässe und futuristischen Vokalklänge aus der Format-Sektion. Auch Chill-Out-Fans werden dank der sensationellen Atmospheres ihre helle Freude haben. 1.100 EUR, die sich in jedem Fall lohnen. Nicht zuletzt dank des innovativen und intuitiven Bedienkonzepts.
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