Im Test: Studiokopfhörer Adam Audio H200

Der Adam Audio H200 im Test. Credit: Adam Audio

Wie viele Studio-Monitor-Hersteller gibt es, die auch Kopfhörer herstellen? Wirklich wenige, vor allem im professionellen Bereich. Vielleicht liegt es daran, dass es auch viel zu verlieren gibt, da diese beiden Dinge technisch wenig miteinander zu tun haben. Als Product-Manager eines der führenden Lautsprecher-Hersteller würde ich mir den Schritt auf jeden Fall gut überlegen, um auf keinen Fall den Ruf der beliebten Boxen zu schmälern. Adam Audio ist den Schritt erst zum zweiten Mal gegangen – nach einem großflächigen Update der gesamten Lautsprecher-Range ist es nun Zeit für den H200-Kopfhörer. Im Test schauen wir darauf, was die Berliner den schon vorhandenen Studiokopfhörern noch hinzufügen.

Und der erste Eindruck ist tatsächlich sehr cozy. Ich finde sie deutlich angenehmer zu tragen als so manche hochpreisige Konkurrenten. Selbst als jene, die als Studio-Standard gelten. Dieses Gefühl macht bei einer längeren Beschäftigung mit einem Mix schon einiges davon aus, wie gerne man mit den jeweiligen Kopfhörern arbeitet. Das Gefühl liegt nicht zuletzt am dick gepolsterten Kopfbügel, der größenverstellbar ist, um jeden Kopf und jede Frisur aufzunehmen. Hier kann man nach langjähriger Nutzung auch das Kopfbügel-Polster von ADAM austauschen lassen. Die Ohrpolster sind aus Kunstleder und können gegen eine alternative Version aus weichem Stoff optional getauscht werden.

In der Kunstleder-Version umschließen die Polster die Ohren fest, aber angenehm, womit man immer eine gute Hörposition hat. Die Stoffpolster bringen die Ohren etwas näher an die Kopfhörermembran und sind weicher. Leider kann man die Ohrmuscheln nicht einklappen, was beim Transportieren schon auch praktisch ist. Dafür ist eine schicke Stofftasche dabei, die natürlich eher vor Dreck als vor Druck schützt.

Ich finde es sehr sinnvoll, dass man das Miniklinken-Kabel an eine beliebige Seite anschließen kann, was bei unaufgeräumten Studio-Sessions nochmals mehr Freiheit verleiht. Apropos Kabel: Das beigefügte ist drei Meter lang, was manchmal zu Kabelsalat führen kann. Man kann sich aber ein kürzeres Spiralkabel nachbestellen.

Natürlich geht es bei Studio-Equipment auch um Ästhetik, die Optik ist irgendwo immer ein Statement. Beim H200 bleibt man deswegen im cleanen ADAM-Look – außer bei der durchaus eleganten gelben Kabelverbindung zwischen den Ohrmuscheln. Damit ist man gut unterwegs, irgendwo zwischen künstlerisch und Lifestyle – für alle, die es interessiert.

Wir haben es hier mit einem Studiokopfhörer zu tun, der von ADAM zum Recorden und Producen gedacht ist. Damit ist der Fokus auf dem Sound – Telefonie oder Noise-Cancelling stehen hier nicht auf dem Programm.

Geschlossene Kopfhörer sind im Studio traditionell gut zum Recorden geeignet: Weder kommen Geräusche aus dem Kopfhörer – wie ein Klick- oder Backingtrack – ins Mikrofonsignal noch ist man zu abgelenkt von anderen Geräuschen im Raum. Der oben angesprochen angenehme Fit aus Kunstleder ist sehr gut für die Isolation geeignet, kann sich aber auch auf den Sound auswirken. Deswegen bietet ADAM auch andere Polster an, die die Ohrposition verändern und noch zusätzlich eine transparentere Ebene fürs Mixing bieten. Das wird dann noch getoppt durch ein Plug-in, das genau auf die Unterschiede der verschiedenen Stoffe mit einer eigenen EQ-Kurve eingeht.

Wenn man einen H200 gekauft hat, bekommt man das Plug-in kostenlos auf der ADAM-Website. Eine zweite Funktion, die gleich wichtig wird, ist die Crossfeed-Funktion. Nur auf Kopfhörern ist Klang getrennt für unsere Ohren, ohne dass es Übersprechungen gibt. In der echten Welt kann es zum Beispiel keine Hi-Hat geben, die ausschließlich von rechts erklingt. Bei Kopfhörern schon – und deswegen hat Adam mit seinem Plug-in-Tool einen Weg gefunden, die beiden Kanäle miteinander zu verrechnen, um diesen Nachteil von Kopfhörern in der DAW auszugleichen.

An dieses Feature habe ich mich schnell gewöhnt und finde es top. Trotzdem gibt es noch einen kleinen Tipp: Das Plug-in kommt immer als letzter Effekt auf den Master, aber spätestens beim Rendern müsst ihr es natürlich ausschalten, weil der Prozess sonst auch in der fertigen Datei zu hören ist.

Und in meiner Erfahrung gab es sehr viele Kopfhörer, die den Bassbereich bei elektronischer Musik nicht transparent abgebildet haben. Entweder weil er übertont war und sich alles direkt „fett“ angehört hat – oder weil der Bassbereich überhaupt nicht die physischen Qualitäten abbilden konnte, wie es Lautsprecher können. Gerade dieser „Knock“ am Anfang einer Kick ist ja wohl oder übel einer der Gradmesser, ob Tracks funktionieren.

Mit den ADAMs passt es mir dann doch deutlich besser in dieser Hinsicht, weil man die kurzen Percussion-Geräusche beurteilen kann, ohne dass sie auf Lautsprechern komplett anders klingen. Aber für das Gesamtbild dürfen Klassik, Pop oder experimentelle Musik nicht fehlen.

Nach meinem Eindruck konnte die gut gestaffelte Räumlichkeit von Orchesteraufnahmen gut abgebildet werden, aber auch die feinen, sehr klaren Höhen z.B. eines Alva-Noto-Stücks. Nachdem ich die Kopfhörer-Testen-Playlist durchhatte, konnte ich mir sehr gut vorstellen, akustische Instrumente mit den H200 zu recorden und klare Mixe abzuliefern.

Warum nicht einfach mal machen? Für mehr Hands-on setzte ich mich nochmal an einen bereits fertigen Mix, der bald releast wird und fing mit dem H200 nochmals von vorne an. Nach mehreren Stunden verglich ich die beiden Versionen und kam bei genauso klaren Drums, schillernden Top-Ends und räumlichen Harmonien raus.

Ok, nicht jeder unserer Leser*innen produziert überhaupt, deswegen lasst uns nochmal schauen, wie der H200 beim Auflegen performt. Denn mein erster Gedanke beim Hören war: Der ist aber laut! Eine Eigenschaft, die schon einmal zum Auflegen passt, vor allem, wenn man zu Hause auch mal mit Equipment wie iPads oder Controllern auflegt, die wenig Verstärkung für Kopfhörer haben. Jetzt kommt es noch auf zwei andere Dinge an: vor allem Isolation und in kleinem Maße auch die Beweglichkeit der Ohrmuscheln, damit man bequem mit einem Ohr den anderen Track im Raum hören kann.

Die Isolation klappt perfekt, nicht zuletzt weil die umschließende Ohrmuschel eben ziemlich fest sitzt. Wir haben zwar keine komplett flexiblen Ohrmuscheln, aber auch der starke Fit hat seine Vorteile beim Auflegen, und gerade im Studio ist das auch das bessere Feature.

Für 159 Euro sind wir hier in einer Preisklasse, die sich viele Producer*innen und DJs für professionelle Kopfhörer leisten können. Man bekommt – vor allem in Verbindung mit dem eigenen Plug-in – ein Tool, das sehr linear klingt und viele besondere Features mitbringt.

Aus dem FAZEmag 154/12.2024
Credit: Adam Audio
Web: www.adam-audio.com