Eurosonic Noorderslag 2017 – :papercutz im Interview

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42100 Besucher, 4124 Konferenzbesucher, 40 Nationen, 345 Künstler, 425 Medienvertreter, 53 Venues. Das Eurosonic Noorderslag – kurz ESNS – gehört zu den größten Showcase-Festivals Europas. Mitsamt einer angeschlossenen Konferenz ist es eines der bedeutendsten Festivals der europäischen Musikszene. Vom 11. bis zum 14. Januar werden in Groningen, Niederlande, die Zahlen von 2016 mit großer Sicherheit erneut erreicht, wenn nicht sogar getoppt. 1986 ist dieses Festival unter dem Namen Noorderslag als kleiner Bandcontest zwischen den Niederlanden und Belgien gestartet. Nach nur kurzer Zeit fand das kleine Event auch innerhalb Europas immer mehr Beachtung. Im Fokus stehen dabei Newcomer, die in ihrem Heimatland bereits eine Fanbase besitzen, auf internationaler Ebene jedoch noch als Shootingstars gelten. In jedem Jahr fokussiert sich das Festival auf ein europäisches Land, das seine Künstler programmtechnisch ganz besonders in den Vordergrund stellen darf. Waren es in den letzten Jahren u. a. Island, Frankreich, Irland, Finnland und auch Deutschland, so ist es 2017 Portugal, das die Ehre hat, seine Szene einem internationalen Publikum präsentieren zu dürfen. „Fokusland zu sein, gibt uns die beste Möglichkeit, die Lücke zwischen neuer Musik aus Portugal und anderen Musikmärkten zu schließen. Wir können die reiche Vielfalt portugiesischer Musik einem viel größeren Publikum präsentieren als sonst“, freut sich Nuno Saraiva von WHY, einem Verband für die portugiesische Musikbranche.

Unter den portugiesischen Künstlern, die zugegen sein werden, befinden sich unter anderem DJ Firmeza, DJ Ride, The Gift, Holy Nothing und :PAPERCUTZ. Letzterer hat mit „King Ruiner“ einen neuen Langspieler im Gepäck, den er in Groningen präsentieren wird. Das gerade abgeschlossene Jahr 2016 war für den aus Porto stammenden Bruno Miguel ein eher durchschnittliches: „Es war nicht das beste, aber auch sicherlich nicht das schlimmste Jahr. Die Albumproduktion hat sich als nicht so einfach herausgestellt. Ich investiere jedes Mal sehr viel Zeit in die einzelnen Songs, in diesem Fall aber war es extrem. Ich denke mir immer: Wenn man nur zehn Minuten für einen Song braucht, werden sich die Leute dort draußen auch maximal zehn Minuten mit ihm auseinandersetzen. Mein Anspruch ist es, Musik zu erschaffen, auf die Leute gerne zurückkommen und in der sie bei jedem Zuhören etwas Neues finden. Die Produktion hat insgesamt rund drei Jahre gedauert. Ich habe dabei uralte Schallplatten gehört und mich verführen lassen – von Soweto bis Mali oder sogar Japan, einem Land, welches mich in Sachen Melodien und deepen Percussions immer wieder fasziniert. Am Ende des Tages mache ich nur Musik. Daher kann man sagen, ich bin ein Nebenprodukt einer globalisierten Welt. Schlechte Zeiten im Studio sind die, in denen man anfängt, an sich selbst zu zweifeln. In der heutigen Zeit gibt es so viele verschiedene Wege, die man einschlagen kann. Die wohl beste und einzige Lösung dabei ist, sich auf seinen Instinkt zu verlassen.“ Das hat der Portugiese bereits früh getan, fand er seine musikalischen Wurzeln zunächst in einer Band. „Ich habe jedoch recht schnell festgestellt, dass ich Dinge lieber allein mache. Rückwirkend betrachtet, war das mehr als sinnvoll, habe ich zu der Zeit doch ausschließlich Solo-Künstler mit einer einzigartigen Stimme gehört. Im Bereich der elektronischen Musik haben mich die Ambient-Stücke eines Brian Eno absolut mitgenommen. Ich habe definitiv einen Hang dazu und finde in diesem Genre eine Menge Inspiration.“ In Sachen Album 2008 mit „Lylac“ debütiert, veränderte sich sein Sound seiner Meinung nach in neun Jahren stark. „Mein Debütalbum wurde fast durchweg auf einem Computer erzeugt. Als ich jedoch anfing, :PAPERCUTZ auf die Bühne zu bringen, war der Live-Charakter plötzlich ein ganz anderer. Es klang auf einmal so, als höre man ein Trio oder Quartett, obwohl ich die Arrangements allein gemacht habe. Daher hat sich mein Sound in diesem Punkt schon verändert, auch wenn ich immer noch darauf achte, einen Unterschied zwischen Studio-Aufnahme und Live-Erlebnis zu kreieren.“ Wie bei jedem Album bislang sucht Miguel sich für jedes Werk einen neuen Sänger aus. In diesem Fall ist die Wahl auf Catarina Miranda gefallen. „Sie performt nun schon genauso lange wie ich – sie ist eine echte Künstlerin auf allen Ebenen. Ihre Stimme klingt luftig, warm, hat Facetten aus Pop und Klassik und eignet sich daher ideal für die eher harschen, dunklen Passagen in meinen Stücken.“ Im Studio empfindet er seine Arbeitsprozesse als eine Mischung aus Spontaneität und Erfahrung. „Als jemand, der Mixing versteht, weiß ich, dass weniger oft mehr ist. Jedoch muss ich mich oft dahingehend zügeln. Sobald ich mit dem Resultat zufrieden bin, zeige ich es dem Sänger bzw. der Sängerin. Wenn die Vocals eingearbeitet sind, nehme ich entweder noch einzelne Sounds heraus oder füge welche hinzu. Das Schwierigste ist, zu wissen, wann der Song fertig ist.“ Für die jeweiligen Remixe seiner Stücke wählt Bruno Miguel die Künstler mit Bedacht aus. Dass Remixe für ihn eine besondere Rolle spielen, hat er spätestens mit dem kompletten „Lylac Ambient Reworks“-Album 2010 bewiesen. Ebenfalls erlesen und zu jeder LP neu sind auch die Live-Shows. „Für die nächste werden definitiv Vocals und auch Percussions im Fokus stehen. Dafür werden wir mit einem weiteren Mitglied auf der Bühne arbeiten, der ein spezielles Drum-Set spielen wird. Darüber hinaus werden einige neue Sounds live auf der Bühne gespielt. Somit wird jede Show einmalig.“

Im Januar wird :PAPERCUTZ dies beim Eurosonic Norderslaag unter Beweis stellen. „Für viele Akteure war dieses Festival ein wichtiges Sprungbrett für den Erfolg im Ausland. Ich freue mich sehr, mit dabei zu sein, und werde mir definitiv Künstler wie Let’s Eat Grandma, Skott oder Anna Of The North anschauen. Auch bin ich gespannt, wie Octa Push und Batida ihre Sets darbieten werden.“ In den kommenden Wochen wird :PAPERCUTZ beim SXSW in Texas auftreten. „Unter Umständen werde ich danach ein paar Tage in New Mexiko verbringen. Auch wenn ich die Stadt und alles Urbane liebe – wer meine Texte aufmerksam liest, weiß, dass ich es genauso mag, dem Ganzen zu entfliehen …“

Eurosonic Noorderslag // 11.–14.01.2017 // div. Locations, Groningen, Niederlande
Line-up: Christian Löffler, Weval, Roosevelt, Klangstof, DJ Ride, The Gift, NEEV, DJ Ride, Gisela João, Glockenwise, Memória de Peixe, :PAPERCUTZ, We Bless This Mess, MHD, Himalayan Dalai Lama, James TW, Jan Swerts, salute, ALMA, fi, Anna of the North, Bandmaster, Baptiste W. Hamon, Be Charlotte, Bohemian Betyars, Cleveland, Drangsal, Der Hunds, FlexFab, Glowie, Hare Squead, Indian Askin, Inner Tongue, IRAH, Jakob Kobal, Damian Lynn, Marta Ren & the Groovelvets, Mustii, NOËP, Rein, Stray Dogg, Tepes, Joan Thiele, Ward Thomas, Viagra Boys, Warhaus u. v. a.
Tickets für das Eurosonic Noorderslag 2017 sind bereits ab 25 EUR zzgl. VVK-Gebühren erhältlich. Weitere Informationen findet ihr unter www.eurosonic-noorderslag.nl.

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Foto: Maria Louceiro