Filburt – Nicht noch mehr DJ-Futter!

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Ich treffe den DJ und Produzenten zum Gespräch zwischen einer Pressekonferenz in den Berliner Hansastudios und seiner eigenen O*RS-Label-Night in der Leipziger Distillery. Erstere wurde von Parlophone/Warner Music initiiert, um das 40-jährige musikalische Schaffen von Bowie vorzustellen. Filburt ist einer von zwei Künstlern weltweit, die zu diesem Anlass den legendären Song „Heroes/Helden“ remixen durften: Ein Gespräch über Inspirationen, Ziele und David Bowie.

Der Kontakt zur elektronischen Musik und vor allem zum Raven entstand für dich in Leipzig. Kannst du uns den speziellen Vibe der dortigen Szene zu dieser Zeit beschreiben? Wo findet man aktuell einen ähnlichen Spirit?

Nach der Wende mussten sich erst einmal alle im neuen System wiederfinden, was unglaubliche Freiheiten für die damalige Techno-Szene bedeutete. Die Raves fanden in alten Lagerhallen oder Fabriken statt, den genauen Ort erfuhr man erst über kleine Radiosender oder Mittelsmänner. Während man in der Pubertät immer versuchte, sich irgendwie abzugrenzen, sei es politisch oder musikalisch, waren bei diesen Raves für mich und viele andere alle einfach gleich – alle konnten sich stundenlang in dieser für jeden absolut neuen Musik verlieren. Heutzutage gibt es zum Glück auch noch großartige Off-Locations, aber auch die Panorama Bar und einige andere Clubs schaffen es immer wieder, so einen Vibe zu kreieren.

Sicherlich eine starke Inspirationsquelle für dein musikalisches Schaffen. Welche Dinge beeinflussen dich aktuell im Studio und wann stellt sich bei dir ein Workflow beim Produzieren ein, sodass alles wie von allein läuft?

In erster Linie beeinflussen mich nicht mehr die Raves der Anfangszeit, sondern eher das Hören neuer Musik. So inspiriert mich aber auch meine Sammlung von Funk-, Broken-Beat-, Nu-Jazz-, UK-Garage- und Drum-’n’-Bass-Platten immer wieder dazu, die gewohnten Pfade zu verlassen. Im Studio komme ich zu den besten Ergebnissen, wenn ich den Kopf frei habe und ich nach drei bis vier Stunden langem Experimentieren einen Grundloop gefunden habe, der mir gut gefällt. Dann heißt es auseinanderbauen, dazuschichten und arrangieren!

Deinen Output kann man schwer in wenigen Sätzen beschreiben, beschreitest du doch ständig neue Pfade und hast keine Angst, das 4-to-the-floor-Gerüst zu verlassen. Dabei produzierst du trotzdem Tracks, die auf dem Floor bestens funktionieren. Was ist der rote Faden, der deine Tracks zusammenhält?

In meinen Tracks gibt es immer wieder einen discoiden Vibe, vor allem bei Drums. Außerdem erkennt man oft typische Harmonien bei mir.

Vor vierzig Jahren wurde David Bowies legendärer Song „Helden“ veröffentlicht – und du bist nun einer von zwei Musikern, die den Track mit dem Segen des Majors Parlophone/Warner und der Erben Bowies remixen durften. Was verbindet dich mit David Bowie im Allgemeinen und mit „Helden“ im Speziellen?

David Bowie ist für mich ein absolutes Ausnahmetalent im Musikbusiness, mit dem ich erstmals Anfang der Neunziger durch den Film „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ in Kontakt kam. Kurz nach der Wende hatten viele meiner Freunde ihre Probleme mit der Neufindung im neuen Deutschland, und das verbinde ich auch mit Bowies Song „Helden“: Er entstand, als David aus seinem Studio blickte und ein Liebespaar direkt neben der Mauer stehen sah. Somit geht es bei „Helden“ für mich um Veränderung, was wiederum den Bogen zu meiner Zeit nach der Wende spannt.

Was war deine Herangehensweise an den Remix? Welche Elemente wolltest du dem Original hinzufügen?

Als die Anfrage kam, dachte ich mir nur: Wow! Der Remix war eine große Herausforderung, da man bei vielen Fans von David Bowie in Ungnade fallen konnte. Mir war es wichtig, den Lied-Charakter und die Strophen-Form zu erhalten und außerdem mit den Drums ein Disco-Feeling zu erzeugen. Für mich steht David Bowie für eine Art von Hedonismus und so sollte auch der Remix klingen.

Neben Releases auf Dirt Crew Recordings, Permanent Vacation und Riotvan liegt der Fokus auf deinem eigenen Label O*RS, das 2011 das Licht der Welt erblickte. Erzähl uns etwas über die Label-Philosophie, die dahinterstehenden Artists und anstehende Projekte auf dem Imprint!

Als ich 2011 das erste Mal auf O*RS releaste, hatte ich bereits einige Erfahrungen mit Labels im Bereich der elektronischen Musik gemacht. Jetzt wollte ich einfach Musik releasen, auf die ich Bock hatte, ohne immer nur auf reine Clubtauglichkeit zu schauen. Neben treibender Clubmusik von Artists wie Braunreck wird es auf O*RS immer auch Projekte abseits des 4/4-Beats geben. Es gibt viele Acts aus meiner Heimatstadt Leipzig, die ich unterstützen möchte, aber auch Musiker aus der ganzen Welt, die sich mit dem Gedanken des Imprints identifizieren, nämlich Musik rauszubringen, hinter der man voll und ganz steht. Daher sind O*RS-Releases immer mehr als bloßes DJ-Futter, sie stehen für nachhaltige, zeitlose Musik.

Wie groß ist die Herausforderung für dich, das Leben als DJ am Wochenende mit dem Leben als Familienmensch und Dozent zu kombinieren, wo doch beiden Seiten ein völlig anderer Rhythmus zugrunde liegt?

Das ist natürlich eine große Herausforderung, allerdings habe ich durch mein Umfeld und meine Familie einen starken Background; sie unterstützen mich sehr. Die Familie hilft einem, sich nach dem Wochenende wieder zu erden und das Techno-Business aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten.

Filburts Top 5 aus sechs Jahren O*RS
1. Thomas Scholz – Mimesis (Rampue Remix)
2. Scherbe – Like A Dornow
3. DekoDeko – Kid (Yannik Labbé Remix)
4. RDF – 2203
5. Andreas Techer – Wake Up

Aus dem FAZEmag 069/11.2017
Text: Bastian Gies
Foto: Thomas Pätz

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