40 Jahre „E2-E4“ – Manuel Göttsching und sein visionäres Werk

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Vor 40 Jahren erschien ein Album, das Musikgeschichte schreiben sollte: „E2-E4“ von Manuel Göttsching. Der Berliner Musiker, einst Gründer der legendären Band Ash Ra Tempel, schuf mit diesem Werk einen Meilenstein der elektronischen Musik, der weit über die Grenzen Deutschlands hinaus bis heute Einfluss hat und als Vorläufer moderner elektronischer Musikstile wie House und Techno gilt.

Die Entstehungsgeschichte von „E2-E4“ wiederum ist ein wenig kurios. Es war der 12. Dezember 1981, als Manuel Göttsching in seinem Berliner Studio mit allerlei Equipment experimentierte. Ständig wechselte er zwischen Drumcomputern, Synthesizern und Sequenzern hin und her und improvisierte wie in Trance über einen einzigen, prägnanten Loop. Gerüchten zufolge, wollte er Musik für seinen Walkman produzieren, um eine längere Reise musikalisch zu untermalen. Dabei entstand in einem einzigen Take ein knapp 60 Minuten langes Stück, das durch seine repetitive Struktur, hypnotische Synthesizer-Sequenzen sowie den späteren Einsatz eines schier endlosen Gitarrensolos besticht.

Als sein Freund und Kollege Klaus Schulze – ebenfalls eine Ikone der elektronischen Musik – ihn nach Material für sein neu gegründetes Label „Inteam“ fragte, überließ Göttsching Schulze die Aufnahme. Dennoch dauerte es noch bis 1984, bis E2-E4 letztendlich erscheinen sollte. In einer Anekdote ist überliefert, dass Richard Branson, der Chef des Virgin-Labels, Göttsching exorbitante Verkaufszahlen prophezeite – Bransons kleiner Sohn sei beim Hören der Platte selig lächelnd eingeschlafen und Göttsching könne mit derartiger Musik ein Vermögen verdienen.

Nach seiner Veröffentlichung wurde E2-E4 zunächst in Amerika, England und Japan, später dann auch in Europa und dem Rest der Welt vor allem von der Avantgarde-Szene gefeiert. Schnell entdeckten auch DJs und Musikerinnen und Musiker die einzigartige Qualität des Albums. Der legendäre DJ Larry Levan spielte das Stück zu Beginn und Ende seiner DJ-Sets in der New Yorker Paradise Garage in voller Länge. Und in der aufkommenden House- und Techno-Szene avancierte das Werk schnell zu Kult-Status. Eine der bekanntesten Adaptionen erschien 1989 beim italienischen Label und Vertrieb Expanded Music unter dem Titel „Sueno Latino“. Das Stück basierte vollständig auf Göttschings Original und übertrug dessen Klangwelt in den Kontext der aufkommenden Dance-Music-Bewegung. Der Track wurde zu einem weltweiten Club-Hit und machte „E2-E4“ einer neuen Generation von Hörerinnen und Hörern zugänglich.

Auch Musiker und DJs wie Carl Craig, Derrick May oder Ricardo Villalobos haben die Bedeutung von Göttschings Werk immer wieder hervorgehoben, selbst stilprägende Projekte wie Basic Channel ließen es sich nicht nehmen, ihre eigene Interpretation von „E2-E4“ zu veröffentlichen. Es war die einzigartige Mischung aus kosmischer Weite, minimalistischer Ästhetik und rhythmischer Präzision, die „E2-E4“ zu einem zeitlosen Klassiker machte.

Manuel Göttsching genoss von Anfang an vor allem in den USA, England, Frankreich und Japan hohes Ansehen. In Japan wird er als Kultfigur verehrt. Seine Live-Auftritte zogen weltweit enthusiastische Fans in Scharen an. Die Konzerte fanden ausschließlich an besonderen Orten statt, etwa auf dem Mount Fuji Festival, beim Filmfest Cannes, in der Royal Festival Hall und in der Elbphilharmonie. In Deutschland trat er in seiner Heimatstadt Berlin 2006 im Berliner Berghain auf. Eine weitere bemerkenswerte Aufführung gab es 2005 auf der Berliner Volksbühne zu erleben, hier tat sich Göttsching mit dem Kammerorchester „Zeitkratzer“ zusammen, die das Original mit klassischen Instrumenten in einen akustischen Kontext transferierten.

Am 4. Dezember 2022 verstarb Manuel Göttsching im Alter von 70 Jahren. Doch sein musikalisches Vermächtnis lebt weiter. Ob als Mitglied von Ash Ra Tempel oder als Solokünstler – Göttsching hat die Entwicklung der elektronischen Musik nachhaltig geprägt. Doch es wird weitergehen – Fans dürfen sich auf weitere Wiederveröffentlichungen freuen. Ende Januar 2025 erscheint zunächst „Starring Rosi“, ein Album seiner Band Ash Ra Tempel aus dem Jahr 1973, bei dem Rosemarie „Rosi” Müller die Vocals beisteuert, erneut auf Vinyl. Zudem soll es noch zahlreiche weitere Wiederveröffentlichungen geben sowie Archiv-Vöffentlichungen seines unveröffentlichten Materials.

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