Adana Twins – Qualität durch Reibung

Adana Twins - Foto: Paul Ripke
Spricht man heute über den Export elektronischer Musik aus Hamburg und das aufpolierte Bild der Stadt, das nicht mehr nur an die Disco Boys-Ära vor einem Jahrzehnt erinnert, landet man schnell bei Friso und Take It Easy aka Adana Twins. Denkt an Baalsaal, Ego, Uebel&Gefährlich auf Clubebene sowie Solomun und seine Diynamic-Crew und eben Jeudi in Sachen Labels und Künstler. Hamburg bebt. Das hat auch Pete Tong in seiner Radio-Show auf BBC1 erkannt und erst kürzlich ein Hamburg-House-Special gesendet. Mit dabei: Wieder die Adana Twins. Wir haben uns mit den Jungs, die den offiziellen FAZEmag Download-Mix des Monats verantworten – in einem waschechten Hamburger Barbershop zu einer Nassrasur getroffen.

Take it Easy & Friso, wie seht ihr die aktuelle Bewegung der Szene in euerer Stadt – jetzt, wo ihr ein wesentlicher Bestandteil dieser seid?
Friso: „Hamburg hat – was die elektronische Musik angeht – schon eine sehr lange Tradition. In den letzten Jahren wurde das Ganze für unser Empfinden nur wesentlich internationaler und massiver. Wobei man natürlich auch sagen muss, dass Acts wie Digitalism und Boys Noize und Labels wie Pokerflat und Liebe*Detail aus Hamburg stammen und seit eh und je die Fahne hochhalten. Es sei denn, sie sind nach Berlin abgewandert (lacht). Auch Clubs gab es immer schon wichtige – wie das Front, Click und nicht zuletzt der Pudel.“
Take it Easy: „Hier herrscht einfach ein ganz gutes Miteinander. Vor einiger Zeit hatten wir z.B. The Mekanism bei unserer Adana Nacht im Ego zu Gast, der sich über diese omnipräsente Hilfsbereitschaft wunderte. Wir sind rumgegurkt und haben ihm ein paar Studios gezeigt. Es herrschte ein ganz anderer Vibe als in seiner Heimatstadt Paris, erzählte er uns. Hier wird geteilt und viel untereinander geholfen. Gerade in unserem engerem Umfeld mit Kruse & Nürnberg, Monte, Davide & Dru. Und dieses allgegenwärtige Gefühl einer großen Familie ist für uns sehr wichtig und diente in der Vergangenheit sicherlich dazu, das Qualitätsniveau zu steigern.“

Also gab es keine Unstimmigkeiten, als ihr eure Residency vom Baalsaal ein paar hundert Meter weiter ins Ego verlagert habt?
Take it Easy: „Ganz und gar nicht. Der Baalsaal hatte damals einen Besitzerwechsel, und musikalisch hat uns das Booking zu der Zeit nicht mehr richtig angesprochen. Das EGO und Diynamic hingegen waren und sind genau unser Ding, so dass es für niemanden Probleme gab. Bei einigen eingefleischten Baalsaal-Fans sind unter Umständen ein paar Fragezeichen aufgetaucht, die sich aber mittlerweile in Ausrufezeichen verwandelt haben. Es ist doch schöner, wenn sich die Familie und die Crew verteilen und wir die ganze Stadt bespielen, als uns nur an einem Schauplatz auszutoben. Wobei man an dieser Stelle aber auch sagen muss, dass Davide, der jetzt den Baalsaal leitet, einen wirklich tollen Job macht. Er hat den Laden mit viel Herzblut wieder zum Leben erweckt. Und klar: Bis Oktober wird es im Ego aber in Sachen Adana Nacht erstmal eine Sommerpause geben, ehe wir dann mit einem All-Night-Long-Set in den Herbst starten. Aber wer weiß, evtl. bekommen wir im Sommer auch noch ein Openair hin.“
Ehe wir en Detail auf eure kommenden Wochen zu sprechen kommen … euer vermeintlich erfolgreichstes Release „Strange/Everyday“ ist 2012 erschienen. Wie rekapituliert ihr diese Zeit, und an welche Situationen denkt ihr besonders?
Friso: „Wir haben zu dieser Zeit schon eine Zeit lang Partys in Hamburg organisiert, von denen sehr viele auch tierisch in die Hose gegangen sind. Tolle, unvergessliche Momente waren aber ebenso dabei – im Bunker oder anfänglich sogar in einer ehemaligen Dildo-Fabrik wo ein Getränkesponsor alles umsonst rausgehauen hat und wir 300 von unseren Freunden volltrunken durch die Gegend haben fliegen sehen. Es gab bei uns einige Tiefen und viele Höhen, bevor es dann 2010 auch auf der Produktionsebene losging. Mit dem Heliumcowboy auf Jeudi ging es damals los, dann kam zusammen mit Martin (Doctor Dru) die Black Jukebox auf Exploitet, die Anymore EP auf Baalsaal und dann 2012 die ‚Everyday‘-EP. Daher hatten wir dort bereits dieses Gefühl des ersten eigenen Releases gefühlt.
Take it Easy: „Mit so einem wahnsinnigen Erfolg von ‚Strange‘ oder ‚Everyday‘ haben wir im Leben nicht gerechnet. Das Leute wie H.O.S.H. oder Solomun uns auf die Nummer ansprechen und sie selbst spielen, kam einem Ritterschlag gleich. Mit dem Release hat sich dann auch alles für uns geändert. Auf einmal kamen Bookings über Bookings rein, wir haben unsere Jobs gekündigt und können jetzt voll und ganz von der Musik leben. Verrückt. Ich meine, du kommst jetzt z.B. nach England oder Brasilien, haust die Nummern rein, und die Leute kennen die Texte auswendig und singen lauthals mit. Das ist schon echt der Wahnsinn.“

Zwei Jahre später füllt sich euer Meilenkonto bei Lufthansa und mehrere Übersee-Touren liegen hinter euch. Ihr ward in Miami, habt Hulk Hogan getroffen, ward Teil eines Hamburg-Specials bei Pete Tong, habt ein Label-Showcase im Ritter Butzke gefeiert und auch noch vier Wochen Urlaub gehabt …
Take it Easy: „Der März ist generell der Monat, in dem wir uns eine Auszeit gönnen. Da aber bekanntlich genau in diesem Monat die Winter Music Conference in Miami stattfindet und wir auch noch zwei interessante Angebote aus Asien hatten, haben wir Urlaub mit zwei kleinen Shows, die jeder von uns dann alleine gespielt hat, kombiniert. Friso war eh in Asien und ich in den Staaten – von daher hat das in diesem Jahr gepasst. Die Jeudi Label-Nacht im Ritter Butzke war super erfolgreich und der Beleg dafür, dass auch Berlin auf Hamburg steht (lacht). Ansonsten haben wir gerade wieder mit der Tour begonnen, ein paar Track-Skizzen gebaut und schrauben auch schon an unserer nächsten EP.“

… und wann sprechen wir über ein Album?
Friso: „Wir haben mit dieser Frage gerechnet (lacht). Langfristig gesehen werden wir das definitiv tun. Nichtsdestotrotz haben wir uns aktuell dafür entschieden, noch ein bis zwei EPs zu veröffentlichen, ein paar Remixe anzugehen und an unserem Sound zu feilen. Wir möchten für uns soundtechnisch das nächste Level erreichen. Dafür werden wir uns mit neuem Equipment ins Kämmerlein einschließen und schauen, was passiert. Tendenziell entwickelt sich unser Sound aktuell in den etwas technoideren Bereich – weg vom klassischen Sound, der uns vielleicht noch vor ein paar Jahren ausgemacht hat. Das klingt nach viel Drumherum und wenig nach Konkretem, das liegt allerdings daran, dass wir uns inmitten dieser Evolution befinden und diese Aussage hier eher einer Statusmitteilung als einem Resultat gleicht. Mehr gibt es dann in wenigen Monaten. Und dann auch wirklich was zu hören.“
Take it Easy: „Beim Album möchten wir prinzipiell eine Geschichte erzählen, eine Art ‚von … bis‘, so ähnlich wie auch in unseres Sets, in denen wir uns selten auf nur ein spezifisches Genre beschränken. Natürlich geht das bei einem Zwei-Stunden-Slot auf einem Festival nicht ganz so gut, aber genau darum spielen wir sehr gerne längere Sets. Und dieses Konzept versuchen wir, wenn es soweit ist, auch auf den Longplayer zu projizieren.“

Wie ist generell die Arbeit bei euch im Studio aufgeteilt?
Friso: „Das ist gar nicht so klar verteilt, wie sich das manche vorstellen. Ideen haben wir definitiv ähnlich viele, während Benni eher der Verrücktere von uns beiden ist. Vom Workflow, so habe ich das Gefühl, wechseln sich die Rollen immer mal wieder ab.“
Take it Easy: „Es kommt nicht selten vor, dass wir mit dem Kopf schütteln, wenn der eine eine kleine Idee verwirklicht und mal ein ‚Digger, das geht doch gar nicht‘ ertönt. Es gibt eine Menge Reibung zwischen uns, die aber genau den Sound entstehen lässt, für den wir stehen. Wir arbeiten so lange an einem Stück, bis einer mit seiner Meinung verliert, nicht mehr kann oder ein gemeinsamer Nenner gefunden wurde (lacht). Zumindest hatten wir noch kein einziges Mal den Fall, in dem die Produktion für einen Track ohne jegliche Differenz zwischen uns locker, flockig von der Hüfte ging. Irgendwann hebt immer einer den Finger und mahnt zur Obacht.“
Friso: „Passend zum Thema haben wir uns gestern ein neues Studio angesehen. Bislang haben wir sehr viel mit Leuten gemeinsam gemacht und Dinge geteilt – Family Business wie bereits erwähnt eben. Jetzt aber haben wir unseren eigenen Space und direkt auf dem Kiez – ziemlich nahe zum Ego, wo man dann mal schnell etwas über die Clubanlage abhören kann. Gestern wurde renoviert, und schon bald können wir rein. Das bestärkt uns definitiv in unseren Plänen, eine tägliche Arbeitsroutine herzustellen.“

Eure ersten Produktionen sind auf Sampling-Basis entstanden. Hört man sich die kürzlich mit Khan veröffentlichte EP „Drive/Schiwago“ an, koppelt ihr euch ein wenig davon ab …
Take it Easy: „Das ist korrekt. In der Vergangenheit haben wir meist mit ‚Ach schau mal was für ein tolles Sample‘ einen Track angefangen. Das wird aber fortan bei unseren Originalen eher selten noch der Fall sein. Anders als bei ‚La Fique‘ oder ‚Everyday‘, möchten wir nun eher bei Null anfangen und viel lieber in die Songwriting-Richtung marschieren. Das macht das Ganze wesentlich spannender. Wie du schon sagst, knüpft unser aktuelles Release ‚Drive‘ und ‚Schiwago‘ bereits daran an.“

Sind Edits von den Adana Twins somit fortan Mangelware?
Take it Easy : “Fast. Zumal wir jetzt ein kleines Projekt mit Robosonic starten. Bevor wir aufgrund der Edits wieder kontraproduktiv für unsere Sachen werden, haben wir uns dazu entschlossen, das neue Ding Adanasonic zu nennen, um eine Differenzierung herzustellen. Vinyl only und sehr exklusiv, genau so wie diese News an dieser Stelle. Mehr können wir aber zu diesem Zeitpunkt noch nicht dazu verraten. Das übliche Spiel.“
Friso: „Mit den beiden ist es immer unfassbar witzig. Bereits bei der ‚La Fique EP‘ hatten wir den Spaß unseres Lebens. Und sollte die Zeit es zulassen, wird man uns evtl. auch gemeinsam auf Tour erleben. Aber wie Benni schon sagt, das Meiste steht noch in den Sternen. Von daher – eher Füße stillhalten und dann mit Fakten um die Ecke kommen.“

Dann kommen wir zu Spruchreifen Dingen. Welche Highlights stehen in Sachen Tourkalender für euch in den nächsten Wochen an?
Friso: „Das Loveland Festival steht auf dem Plan. Da freuen wir uns schon sehr drauf. Immer eine super Organisation und tolle Leute dort. In Frankreich steht ein Festival mit Solomun bevor, das verspricht sehr gut zu werden. Dann auch noch das Sankeys auf Ibiza und in der Mache sind ebenfalls eine Brasilien-, Australien und Asien-Tour für mehrere Wochen.“

FAZEmag DJ-Set #27: Adana Twins – ab sofort und exklusiv bei iTunes:

www.adanatwins.com

Interview aus dem Heft #27, Mai 2014
Foto: Paul Ripke

www.paulripkde.de