ADHILL – Perkussiv & rhythmisch

ADHILL – Perkussiv & rhythmisch / Foto: Richie Racoon

Im brasilianischen Refice geboren zog es Bruna Sampaio Neves bereits mit drei Jahren nach Hamburg. Dort ist die Halbdeutsche mit Jazz, Blues, 60er- und 80er-Musik aufgewachsen, was sie dazu inspirierte, ihr musikalisches Interesse tiefer zu erkunden. Mit acht Jahren, beeinflusst durch die ältere Schwester, entdeckte sie Techno und Trance. Drei Jahre später sang sie im Kirchenchor, erlernte das Schlagzeug- und Gitarrenspielen und mit 13 Jahren produzierte sie mit Hilfe des Magix Music Makers ihren ersten Track. Das DJ-Handwerk erlernte sie mit 20, klassisch auf illegalen Raves. Mittlerweile wohnt ADHILL in Berlin und debütierte im Frühjahr 2020 mit ihrer ersten EP auf STRGHTX, dem Label von Thomas Hoffknecht. Dabei verschmelzen ihre gesamten Einflüsse zu einem ungeheuer rhythmischen, Perkussiv-lastigen, technoiden Peak-Time-Sound. In diesem Monat mixt ADHILL den offiziellen FAZEmag-Download-Mix.

Bruna, du bist schon sehr früh durch deine Großmutter, deinen Stiefvater und deine Schwester zur Musik gekommen. Welche Künstler*innen haben dich dabei besonders inspiriert?
Musikrichtungen wie Jazz, Blues, 80er und 90er, haben mich gelehrt, offen gegenüber dem Leben zu sein. Ich mochte es, dass Musik für mich grenzenlos erschien und dass ich mir Musik anhören und genießen konnte, egal, welches Genre sie hatte. Es war schön für mich zu entdecken, dass Musik kein Schubladendenken mit sich bringt, sie kann sich durchaus vermischen und übereinander funktionieren. Der Fokus für mich war immer auf der emotionalen Ebene, also, was sie emotional mit mir macht, und dabei haben mich Künstler*innen wie Nina Simone, Frank Sinatra, Louis Armstrong, U2, Sting oder The Police inspiriert. Meiner Schwester verdanke ich den elektronischen Einstieg mit Tiësto, ATB und Armin Van Buuren. Ich kann mich noch genau an unseren Urlaub erinnern, 1999, als ich acht Jahre war, und wir an der Algarve in Portugal waren und dabei „Till I Come“ von ATB hörten. Wir waren im Strandhaus und sind mit diesem Song zum Strand runtergelaufen. Genauso behalte ich den Trance der 90er in Erinnerung.

Mit 18 Jahren hast du die Techno-Szene und Raves kennengelernt. Gab es dabei besondere Schlüsselmomente, die dir im Kopf geblieben sind?
Besondere Momente waren für mich zweifelsfrei die heimlichen und illegalen Open-Air-Raves und die tagelangen Abschiedsraves der Kommune 52. Mit den illegalen Raves hat das früher besser geklappt, da wir alle noch keine Smartphones hatten und die Polizei uns nicht so schnell orten konnte. Meistens gingen die Open-Airs dann auch das ganze Wochenende. Die Kommune 52 war etwas Besonderes, was ich noch miterleben durfte, es war eine Wohnung mit drei Etagen und dort ging am Wochenende immer Party oder Sonntags die Afterhour. Es war wie im Club mit Gästeliste, Eintritt und Stempel, aber auch wie zu Hause. Es gab Essen und es gab den einen oder anderen, der dort auch eingeschlafen ist. Es hatte etwas Wohnliches, daher fühlte man sich dort immer wohl. Irgendwann war klar, dass das Haus saniert wird und es war abzusehen, dass wir das Ende dieser besonderen Zeit gebürtig feiern müssen. Abschied ist schwer, somit ging der Abschied tagelang. Ich werde mich für immer an den Spruch an der Wand erinnern: „Tanzt ihr Huren, der König hat Laune.“

Welche Clubs in Hamburg oder Umgebung haben dich damals außerdem fasziniert?
Die Rote Flora, der Hafenklang und der Golden Pudel Club haben mich mit Techno und abstraktem Sound inspiriert. Das waren Clubs, wo ich mich immer auf die Musik verlassen oder mich positiv überraschen konnte. Der Tresor in Berlin war für mich musikalisch ein Zeitgeist: immer on point oder einen Schritt voraus und noch immer eine Legende in der Berliner bzw. weltweiten Techno-Community.

Mit 20 Jahren hast du angefangen aufzulegen, welche Musik und Platten waren damals bei dir auf Hot Rotation?
Ich hörte zu der Zeit viel Techno, vor allem die Platten von Tresor Records. Wenn man sich die Platten von vor zehn Jahren anhört, klingen sie immer noch superzeitlos. Künstler*innen wie Psyk, Gary Beck, Monoloc, Chris Liebing oder Pfirter zB. aus 2012 waren bei mir nicht wegzudenken und hatten großen Einfluss auf meinen musikalischen Sound. Als Künstler*in entwickelt man sich immer weiter, gerade im musikalischen Bereich, ich bin ein Mensch der open minded ist und ich sauge guten Sound förmlich auf, das inspiriert und prägt mich in meinem künstlerischen Schaffen.

Wie, würdest du sagen, wirken sich deine südamerikanischen Wurzeln auf deine Musik aus?
Brasilianische Musik basiert viel auf Percussion und Rhythmus. Daher zeigen sich aufeinander aufbauende Rhythmik und hypnotische Elemente in meiner Musik. Diese Elemente sind für mich mein Urklang und mein Ursprung und spiegeln sich dann in meinem groovigen und tooligen Sound wieder. Ich liebe es einfach, wenn Techno einen guten Groove hat, und Tools eignen sich hervorragend für meine Sets, ich spiele gerne damit.

Deine Debüt-EP hast du im Frühjahr 2020 veröffentlicht. Wie verläuft ein typischer Tag im Studio für dich?
Ich nehme mir einen Studiotag vor und der ist dann ausschließlich für Musik geblockt. Ich beginne morgens mit einem frischen Kopf, schmeiße meinen Rechner an und meine Hardware Toraiz SP16 Drum Machine. Gepaart mit einer guten Sound- und Sample-Auswahl kann es dann losgehen. Mein Handy wird auf Flugmodus gestellt, damit ich ohne Ablenkung arbeiten kann. Dann widme ich mich ganz dem kreativen Prozess oder arbeite etwas aus. Ich sammle und fange erst einmal alle Ideen ein, die durch mich fließen. Ich starte einen Track immer mit der Kick und der Bassline. Mit dieser Basis arbeite ich dann weitere Ideen aus. Wenn die Grundlage geschaffen ist, baue ich meine weiteren Elemente durch Synths aus oder nutze auch sehr gerne Samples, die ich nochmal cutte oder nochmal verändere. Hier entsteht mit den Samples nochmal ein tiefer kreativer Prozess, der mir besonders Spaß macht, da daraus nochmal etwas Neues entsteht. Aus den geschnittenen Samples baue ich dann dazu die Tops und die Hi-Hats und dann gebe ich der Kreativität ihren freien Lauf. Wenn ich Blockaden habe, gehe ich gerne eine Runde laufen oder spazieren, um eine kurze Distanz zum Projekt aufzubauen und mit neuer Dynamik weiterzuarbeiten. Für die Debüt-EP stand der Zeitpunkt schon fest, also hatte ich eine feste Deadline, bis wann alles fertig sein musste. Unter Stress bin ich besonders produktiv, außerdem hat es mich gepusht, ein Ziel zu haben und zu releasen. Und die zweite EP ist ja auch schon im Kasten, die wird dann jetzt im November, ebenfalls auf Thomas Hoffknechts STRGHTX Label, veröffentlicht.

Wie hast du die Zeit der Pandemie verbracht und genutzt?
Die Zeit war sehr beruhigend, aber auch herausfordernd. Es gab nicht mehr die vielen Events am Wochenende und die riesige Auswahl an Möglichkeiten. Ich kann mir vorstellen, dass es für viele ein großer Umschwung war. Mein Körper und mein Geist haben mir gedankt, denn ich habe nach Jahren mal wieder an einem Wochenende ausgeschlafen. Ich habe die Zeit also auch genutzt, um mein Leben zu reflektieren, wo ich gerade stehe und wo ich sein möchte. Ich habe gelernt, spontaner dem Leben zu begegnen und nicht so viel im Voraus zu planen, sondern in der Gegenwart zu leben. Denn wie wir wissen kommt es manchmal doch anders als erwartet, und ohne viele Erwartungen gibt es viel Raum für Glücksmomente, die wir unter Umständen nicht erwartet haben. Ich habe mich während der Pandemie entschieden, von Hamburg nach Berlin zu ziehen. Ich habe seit meinem dritten Lebensjahr in Hamburg gelebt und brauchte mal eine Veränderung. Berlin war genau das Richtige und hat für mich neue Impulse aktiviert. Der Umzug hat mir sehr dabei geholfen, Blockaden zu lösen und einen neuen Antrieb in der Kreativität zu finden. Die Musik, die Zeit im Studio, Sport und Meditation haben dabei für mich eine sehr große Rolle gespielt, meine innere und äußere Balance auszugleichen.

Mit District4 hast du jetzt äußerst kompetente Partner in Sachen Booking und Management an deiner Seite, wie entstand die Zusammenarbeit?
Als ich Thomas Hoffknecht meine ersten Ideen zugeschickt hatte und er davon begeistert war, hat Disctrict4 mich gefragt, ob wir zusammenarbeiten wollen. D4 kümmert sich ja auch um die Belange von Thomas und ich habe natürlich ja gesagt. Kurz darauf haben wir dann die Debüt-EP geplant. Inzwischen steht die zweite EP an, wie bereits erwähnt, und ich freue mich sehr darüber. District4 ist meine Booking- und Management-Agentur. Sie sorgen dafür, dass alle Projekte koordiniert und betreut werden. Wir arbeiten hart, haben aber auch viel Spaß und ein gemeinsames Ziel, auf das wir Step by Step hinarbeiten. Ich denke, in den heutigen Zeiten ist es wichtig, einen Partner oder besser eine Crew an der Seite zu haben, die sich um eine Künstler*in kümmert. So habe ich die Zeit, mich mit voller Kraft um die Dinge zu kümmern, die mir für mich und meine Karriere wichtig sind. Natürlich ist es manchmal schwer, Verantwortung abzugeben, aber ich vertraue meinem Umfeld und sehe ja die gute Arbeit, die sie leisten. So gesehen ist es eine Win-win-Situation, auch wenn ich dieses Wort nicht unbedingt mag.

Wo siehst du dich in vier bis fünf Jahren?
Mit einer Kokosnuss am Strand. (lacht)

In diesem Monat mixt du den offiziellen FAZEmag-Download-Mix.
Ich kenne das FAZEmag schon so lange. Ich habe einige Jahre im Musikvertrieb gearbeitet und mit Magazinen zusammengearbeitet. Für mich geht ein großer Wunsch in Erfüllung, und ich freue mich sehr, für euch und die Crowd diesen Mix zusammengestellt zu haben.

Aus dem FAZEmag 129/11.2022
Text: Lisa Bonn
Foto: Richie Racoon
www.instagram.com/adhill_official