Amount – „Die Zukunft wird Disco werden für mich, das ist ganz klar“

Foto: Carolin Saage

Seine Faszination für Musik entwickelte der 1980 in Bremen geborenen Nayan Soukie mit Klassikern wie Prince, Michael Jackson, Art of Noise und Franky Goes To Hollywood. Mit 13 Jahren tauschte er dann die klassische Gitarre gegen Computermusik und probierte sich an Hip-Hop-Beats, Easy Listening und experimentellen Sounds sowie House. Mit Fritz Windish lancierte Soukie 2010 das bis heute aktive Duo Soukie & Windish. Ein Jahr später folgte dann URSL Recordings und nach einem Zwischenhalt in Hamburg der Umzug in die Hauptstadt. 2018 widmete sich Soukie vermehrt seinem Solo-Projekt Amount und machte sich mit Live-Sets zwischen Downtempo, Minimal und Disco einen Namen. Er veröffentlichte auf Labels wie Little Helpers, Heimlich Musik, Laut & Luise und Frank Music. Nun erscheint am 2. Dezember mit „Expanding Abundance“ ein Debütalbum, das House- und Disco-Galaxien vereint und oldschoolige Elemente und aktuellen Zeitgeist trifft.

Seine drei bisherigen Lebensmittelpunkte Bremen, Hamburg und Berlin haben Amount zweifelsfrei in seinem Sound sowie auch in seinem Künstlerdasein geprägt, stellt er fest: „Natürlich ist Bremen als Geburtsort die für mich prägendste Stadt. Ich bin dort im Viertel aufgewachsen, was als das Künstler-, Studenten-, Alternativ-, Punk- aber in den 80ern auch als Junkie-Viertel gilt. Es war ein sehr offenes, linkes und tolerantes Umfeld, gleichzeitig gab es aber auch gewaltbereite Kids, soziale Ungleichheit, Drogen und so weiter. Ich denke, man kann das Viertel mit Kreuzberg vergleichen. Trotzdem denke ich, dass es gut war, dort aufzuwachsen. Zum Beispiel hatte ich Freunde aus allen Milieus, was gut ist, was aber auch zu schrägen Dingen geführt hat, wie z.B. Anwaltskinder, die mit Baseballschlägern Kids auf der Straße überfallen haben. Meine erste Liebe war Hip-Hop, in Bremen ein Riesending. Anfang der 90er war Bremen eine kurze Phase lang sogar noch vor Hamburg, es war damals noch richtige Subkultur, was total spannend war. Zu dieser Zeit war Techno für mich nur Loveparade und Marusha und bunte Leute, die zappelig drauf waren und sehr hektisch Sachen auf Viva erzählt haben.“ Sein erstes Release als Beat-Produzent folgte dann mit 16 Jahren, gefolgt von Erwähnungen im Lokal-TV: „Anfang der 2000er kam dann Techno wie eine Erlösung nach einer längeren Phase ohne nennenswerte Ereignisse. Erst einmal war ich mit Fritz Windish dann Party-Organisator von größeren Raves, alles ziemlich Bachstelzen- und Bar25-orientiert. Dadurch kamen dann Kontakte in Berlin und Hamburg zustande. Obwohl ich Hamburg-Fan bin, war es nie ein Ort zum Leben für mich, sondern immer nur eine temporäre Station. Ich habe dort professionell produzieren gelernt, Carbon hat mir viel gezeigt. Dann bin ich nach Berlin, war aber zu der Zeit schon so erfolgreich, dass ich tatsächlich nie so richtig in die Berliner Szene eingetaucht bin, sondern schon oft in anderen Städten gespielt habe. Natürlich ist Berlin viel freier und verrückter als Bremen und ich denke, auch das hat mich und meine Musik geprägt.“

In diesem Jahr feiert URSL Recordings, heute eine feste Institution im internationalen Label-Kosmos, Elfjähriges. Seine musikalische Identität hat das Label dabei nie aus den Augen verloren: „Es sind immer noch deepe und gemütliche Releases. Ansonsten waren am Anfang viel mehr Leute involviert, jetzt hat es sich alles mehr zerstreut.“ Für den Albumtitel wurde Amount von der Künstlerin Verena Schwarz, die eines ihrer Bilder „Expanding Abundance“ nannte und nun auch das Cover gemalt hat: „Ihr Bild räsonierte sofort mit mir. Ich denke, das ist in etwa das, was ich mit Musik erreichen möchte, Musik und tanzen im Club sind ja im Grunde eine Form der Meditation, wenn man richtig im Sound ist.“ Entstanden ist das Werk zwischen seinem Studio im Berliner Holzmarkt, einem Landhof Studio außerhalb der Stadt, Schneewanderungen und Fastenkuren: „Es war Corona und Lockdown, ich war komplett nüchtern und hatte viel Zeit zum Arbeiten, es war sehr intensiv und mir ging es gut. Das Kreative ist fast ausschließlich auf Kopfhörern auf dem Land passiert, während Aufnahmen von Synthies und die Mischung im Holzmarkt stattfand. Das Fasten und Wandern sind so Dinge, die man gut in der Stille eines Landhofes hinbekommt und die bestimmt auch Energie gegeben haben, das Projekt ,Album‘ durchzuziehen.“

Zu einzelnen Single-Auskopplungen gibt es bereits von Kritiker*innen gefeierte Remixe von Lauer oder Isolee. Gerd Janson, Johannes Albert und Sarah Wild sitzen aktuell an weiteren Interpretationen. In Bälde erscheint von Amount auch ein Track auf einer Vinyl-Compilation auf Running Back: „Damit ist definitiv ein Traum in Erfüllung gegangen.“ Im Winter wird Amount vier Wochen in Athen verbringen, um dort Disco und oldschoolige Dance-Tracks zu produzieren: „Ich möchte gerne noch mehr in die Richtung machen, das ist auch das, was ich selbst am meisten auflege.“

 

Aus dem FAZEmag 130/12.2022
Text: Triple P
Foto: Carolin Saage
www.instagram.com/amount_ursl