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Als Electro-Produzent, Visionär und Chronist einer technisierten Zukunft hat sich Anthony Rother seit den späten 90ern einen festen Platz in der elektronischen Musikgeschichte erarbeitet. Mit Redlight District/Destroy Him My Robots – Hybrid Edition veröffentlicht er nun zwei seiner ikonischsten Tracks neu – als aufwendig produziertes 8-Track-Doppelvinyl. Die Idee für das Projekt entstand im Zuge eines Remixes, mit Hardware und viel Liebe zum Detail. Für uns hat Rother die Geschichte der beiden Stücke persönlich aufgeschrieben und gibt Einblicke in seine künstlerische Entwicklung zwischen Electro-Wurzeln, gesellschaftlicher Haltung und technischem Fortschritt.
Diese Zeit markiert den Beginn meines Lebens als einigermaßen professioneller Musikproduzent und den Beginn meiner kreativen Reise zur Entdeckung meiner Künstler-Stimme sowie zur Erkundung meiner inneren Welt.
1997 erscheint mit „Destroy Him My Robots“ mein erster veröffentlichter Electro-Track auf Andrea Benedettis und Marco Passaranis Label Plasmek. Eine Vinyl-Compilation mit den großartigen Electro-Künstlern I-F, Max Durante, Frame (6) und Passarani 2099. Zu dieser Zeit arbeitete ich in Offenbach beim Plattenvertrieb Neuton im Versandlager. Dort kommissionierte und verpackte ich Tonträger. Meine damaligen Arbeitskollegen im Lager waren neben anderen Johannes Heil, Ricardo Villalobos und Zip, der Gründer von Perlon Records. In den Büros arbeiteten unter anderem als Plattenverkäufer Sammy D. und Heiko Laux – Letzterer hatte mir den Job im Lager klargemacht. Im Gebäude waren auch die Büros von Atas und Heiko MSOs Label Ongaku mit den Sublabeln Klang und Playhouse. Soweit ich mich erinnere, gab es im Keller einige Tonstudios und das Platten-Hörstudio von Sigi, einem der Chefs von Neuton. Abends nach der Arbeit habe ich zu Hause in meinem kleinen Home-Studio bis tief in die Nacht auf Kopfhörern Musik produziert und von einem Leben als freischaffender Künstler geträumt.
1998 produzierte ich den Track „Redlight District“, nachdem mich das Detroiter Label Direct Beat per Fax kontaktiert hatte. Das war unglaublich und für mich wie ein Traum. Noch in derselben Nacht hatte ich den Track fertiggestellt und am nächsten Tag die DAT-Kassette mit der Deutschen Post nach Amerika verschickt. Nach einiger Zeit meldete sich Direct Beat. Der Track gefiel ihnen, aber die Vocals waren leider zu explizit. Die Lyrics von „Redlight District“ sind vordergründig schon explizit, aber eine Metapher. Der Subtext ist eine Kritik am Kapitalismus und Kommerz. Das war in dieser Zeit, Ende der 90er, in meinem Umfeld mit der Kanzleramt-Clique, Neuton und den Musikern ein Thema, an dem man sich als Künstler orientierte. Eine Agenda, die sich aus dem Detroiter UR-Code (Underground Resistance) und den Berliner Underground-Einflüssen ergab. Man nannte das früher auch manchmal liebevoll die Techno-Polizei. Zu dieser Zeit war ich auch in Kontakt mit Pascal Feos und Alex Azary. Ich hatte für ihr Auro-Float-Projekt eine Vocoder-Stimme beigesteuert. Dabei entstand die Idee, eine Platte auf Elektrolux zu veröffentlichen. Ich bot ihnen daraufhin die Tracks „Redlight District“ und „Destroy Him My Robots“ an und produzierte zwei weitere Titel. Diese vier Tracks sind dann noch im selben Jahr als 12″-Vinyl bei Elektrolux erschienen.
2018, genau 20 Jahre nach dem Elektrolux-Release, hatte ich für mein Hybrid-Set einen Remix von „Redlight District“ angefertigt. Dabei kam mir die Idee für ein Re-Release der Platte mit eigenen Remixen. Ich suchte in den Archiven meiner Audio-Files und DAT-Tapes nach Einzelspuren von „Destroy Him My Robots“ – leider ohne Erfolg. Bei der Produktion 1996 hatte ich anscheinend nicht diesen Weitblick, wenig Erfahrung, und nicht darüber nachgedacht, dass ich eventuell irgendwann in der Zukunft Einzelspuren für einen Remix gebrauchen könnte. Keine Einzelspuren, kein Remix. Damit war die Idee für ein Re-Release erst einmal wieder vom Tisch.
2023 – neue Technologie. Ein Freund schickte mir Weblinks von KI-Tools, mit denen man Einzelspuren aus fertigen Liedern extrahieren konnte. Und da ist mir wieder „Destroy Him My Robots“ eingefallen. Mit einem der KI-Tools konnte ich dann endlich die Vocoder-Stimmen sauber als Einzelspuren extrahieren. Mit einem alten Windows-98-Rechner öffnete ich die originalen Cubase-Song-Projekte von 1996 und exportierte Teile der Noten und Schlagzeug-Pattern. Damit die Hauptmelodie genauso klingt wie beim Original, kaufte ich einen gebrauchten Roland JD-800 Synthesizer und holte ihn mit dem Auto im Ruhrgebiet ab. Danach ging es sofort los mit der Remix-Produktion von „Destroy Him My Robots“.
2024 habe ich das ganze Jahr über dieses Vinyl-Projekt geplant und vorbereitet. Ich verhandelte mit Plattenvertrieben, holte Angebote von Presswerken ein und kalkulierte verschiedene Szenarien. Am Ende habe ich mich für den exklusiven Vertrieb auf meiner Bandcamp-Seite entschieden. Diese Option macht mein kleines Vinyl-Projekt überhaupt erst möglich.
2025 – „Redlight District/Destroy Him My Robots – Hybrid Edition“ gibt es als 8-Track-Doppelvinyl seit dem 21. März exklusiv auf meiner Bandcamp-Seite. Ich lade alle Vinyl-Liebhaber herzlich dazu ein, mein Bandcamp zu besuchen. Das nächste Vinyl-Projekt ist schon in der Planung: mein Debütalbum „Sex With The Machines“.
Aus dem FAZEmag 159/05.2025
Text: Rafael Da Cruz
Web: www.anthonyrother.bandcamp.com