Arbeiten als Duo – 2raumwohnung

Arbeiten als Duo – 2raumwohnung

Für die neueste Ausgabe unserer Rubrik „Arbeiten als Duo“ begrüßen wir das deutsche Elektropop-Duo 2raumwohnung, das vor Kurzem seine neueste „Club Mix Collection“ mit 24 Remixen aus 22 Jahren veröffentlichte. Wir haben mit Inga Humpe und ihrem Lebensgefährten Tommi Eckart über Studioroutinen und ihre gemeinsame Geschichte gesprochen.

Hi, Inga, hi, Tommi. Wir springen ins Berlin nach der Wende. Eine aufregende Zeit, um sich kennenzulernen, oder?

Inga: Ja, das stimmt. Wir hatten das Glück, uns in sehr unbeschwerten Zeiten, geprägt von Glasnost und dem Fall der Mauer, kennenzulernen. Bereits in den frühen 90er-Jahren machten wir Musik und entwickelten erste Ideen, die später zu 2raumwohnung wurden. Damals gab es eine weltweite neue Clubkultur, queere Leute waren von Anfang an ein wichtiger Bestandteil der Szene und wir hätten es nie für möglich gehalten, dass diese wunderbaren Freiheiten jetzt wieder verteidigt werden müssen. Wir dachten, es gäbe nie wieder rechte faschistische politische Bewegungen.

Im Jahr 2000 erblickte 2raumwohnung schließlich das Licht der Welt. Wie würdet ihr euch in den musikalischen Zeitgeist der 2000er einordnen?

Inga: Wir haben von Anfang an an einem Sound gearbeitet, der Clubmusik mit Pop verbindet. Das Deutschsprachige lag damals nah wegen der Wiedervereinigung und unserer Faszination für die Leute im Osten. In Kombination mit Dance-Beats war das ein echtes Novum.

Tommi: Mein Studio damals in Berlin-Mitte war ein Ort für Spontan-Partys und alle Arten von Soundexperimenten.

Ein gutes Stichwort. Wie sieht ein Studioalltag bei euch aus? Gibt es besondere Routinen?

Inga: Wir versuchen gerade, die Routinen aufzubrechen. Wir lernen neue Programme und probieren beim Songschreiben neue Effekte und neue Gesangsstile aus. Wir haben unser Studio umgeräumt, alle alten Kisten wieder angeschlossen und uns für die nächsten Monate erst einmal nichts von außen reingebucht. Wir freuen uns, nach langer Zeit mal wieder „wie neu“ anzufangen.

Tommi: Schön ist es, wenn im Studio das Gefühl von Weite entsteht, also der kreative Raum groß und überraschend ist. Meistens sind wir im Studioalltag punktgenau und Deadline-orientiert, das kann auf Dauer nerven.

Erzählt uns mehr über eure gemeinsame Arbeit im Studio.

Inga: Wir sind es gewohnt, zu zweit zu arbeiten, holen uns aber immer wieder Meinungen und Anregungen von externen Personen dazu. Am Wichtigsten ist für mich, dass wir uns musikalisch gegenseitig sehr schätzen: Ich liebe Tommis Sound und er findet meine Stimme gut. Wir diskutieren nicht im Studio, wir probieren alles aus, das ist sehr wichtig. Und weil wir nur zu zweit sind, ist das natürlich einfacher und geht schneller, als wenn wir zu fünft wären.

Tommi: Glücklicherweise haben wir verschiedene Schwerpunkte. Inga übernimmt Text und Melodie und ich bin für Rhythmus und Sound zuständig. Das ergänzt sich gut.

Kommt es auch mal zu Diskrepanzen? Wie geht ihr damit um?

Inga: Stagnation und Unsicherheiten gibt es immer wieder mal, das ist ganz normal. Meistens legen wir das Projekt dann erstmal beiseite und holen es ggf. nach einiger Zeit wieder hervor. Es kann auch passieren, dass einer eine Idee zu einem Stück hat und dann eine Weile allein daran weiterarbeitet.

Tommi: Die Ideen kommen meist sehr schnell, aber es dauert häufig recht lang, bis ein Song wirklich fertig ist. Da braucht man auf jeden Fall eine hohe Frustrationstoleranz.

Kürzlich habt ihr eine „Club Mix Collection“ veröffentlicht …

Tommi: Mit der „Club Mix Collection“ wollten wir Remixe, die es nur auf Vinyl oder Single-B-Sides gab, zusammenfassen und digitalisieren. Mit dabei sind unter anderem ein toller, poppiger Remix von Boris Dlugosch im 90er-Jahre-Style, oder ein Remix von Ich und Elaine, so wie wir ihn früher in den Clubs gespielt haben. Enthalten ist aber auch neues Material, wie zum Beispiel der Mix von Westbam.

Wie blickt ihr auf 2022 zurück?

Tommi: Endlich war Corona einigermaßen vorbei, da fing dieser Horror-Krieg an. Dass Autokraten im 21. Jahrhundert in Europa so ein unfassbares Unglück erzeugen können, war jenseits unseres Vorstellungsvermögens. Wir können nur hoffen, dass diese Steinzeit-Aggressoren aussterben und die Evolution voranschreitet.

Die „Club Mix Collection“ von 2raumwohnung mit Remixen von Solomun, Ian Pooley, Thomas Schumacher und vielen mehr ist am 14. Oktober via it worx erschienen.

Aus dem FAZEmag 130/12.2022
www.2raumwohnung.de