Berliner Kultur-Institution Holzmarkt25 zieht die Notbremse

Berliner Kultur-Institution Holzmarkt25 zieht die Notbremse

Berlin ohne seine Club-Kultur ist undenkbar. Dass die aktuelle Situation, die nun seit über einem Jahr andauert, viele Clubbetreiber an den Rand des wirtschaftlichen Bankrotts bringt, ist Fakt. Gestern haben sie die Betreiber des Holzmarktquartiers in Berlin mit einem kritischen Statement zur Corona-Politik der Bundesregierung zu Wort gemeldet: Kultur – Du Opfer.

Der Holzmarkt25 mit dem Club Kater Blau ist das Nachfolgeprojekt der Bar 25 und eine kreative Keimzelle inmitten der Hauptstadt. So haben sich auf dem Gelände des Holzmarktes zahlreiche Künstler und kleinteiliges Gewerbe, überwiegend aus der Kultur- und Kreativwirtschaft, angesiedelt. Das Quartier hält große begrünte Uferflächen am Flussufer für eine freie öffentliche Nutzung bereit und ist der Öffentlichkeit rund um die Uhr zugänglich.

Das Statement der Holzmarkt25-Betreiber in Gänze findet ihr hier:

Kultur, du Opfer!
Unser Statement zur Corona-Notbremse des Bundes.
De facto gehört zum jüngsten Beschluss der bundeseinheitlichen Corona-Notbremse auch ein Kulturverbot. Es wird damit selbst bei sommerlichen Temperaturen und an der frischen Luft noch lange nicht möglich sein, kulturelle Veranstaltungen durchzuführen. Nach monatelangem Zögern der Verantwortlichen in Bund und Ländern und ihrer Ignoranz gegenüber den Stimmen aus Wissenschaft und Forschung, die seit dem Winter einen konsequenten Lockdown angemahnt hatten, soll es nun der Holzhammer richten, inklusive verfassungsrechtlich zweifelhafter Ausgangssperre. Kultur wird dabei als Kollateralschaden geopfert – so ist das jetzt eben.
Dagegen protestieren wir!
Die Öffnung kultureller Einrichtungen ist mit der Notbremse oberhalb eines fixen Inzidenzwertes von 100 pauschal verboten. Sämtliche erfolgreiche Modelle zur pandemiegerechten und schrittweisen Wiedereröffnung von Kultur, wie etwa das Pilotprojekt „Perspektive Kultur“ in Berlin, an dem auch wir uns beteiligt hatten, wurden bei der Beschlussfassung ignoriert. Erst nach 28 Tagen mit einer Inzidenz von unter 50 – eine Situation, die wir seit dem Spätsommer letzten Jahres nicht mehr hatten, als nebenbei gesagt wesentlich weniger getestet wurde als heute – sollen überhaupt wieder Kulturveranstaltungen im Freien(!) möglich sein. Mit maximal 50 Teilnehmer*innen. Das ist keine Perspektive, sondern Hohn!
Mit einem offenen Brief an die Bundesregierung hatten sich erst kürzlich führende Wissenschaftler*innen aus der Aerosolforschung Gehör verschafft. Ihre Botschaft: Den Menschen mit Pauschalverboten und Ausgangssperre zu suggerieren, draußen lauere die Gefahr, ist nicht nur wissenschaftlich unhaltbar, sondern noch dazu kontraproduktiv, weil es dazu führt, dass private Treffen in Innenräume verlegt werden. Auch das wurde bei der Beschlussfassung ignoriert.
Doch dabei bleibt es nicht: Wie die Gesetzesbegründung sich zur Kultur verhält, spricht Bände: Da wird lediglich in einem einzigen Absatz darauf verwiesen, dass es bei Schließung ja finanzielle Kompensation gäbe. Das wars! Ansonsten ist die Message klar: Was wir hier machen, ist alternativlos.
Das ist nicht hinnehmbar!
Nicht nachdem man sehenden Auges in diese Situation lief, weil man monatelang tatenlos blieb. Gegen den dringenden Appell der Wissenschaft und auf den Schultern der Menschen, die unser Gesundheitssystem jeden Tag am laufen halten. Während man damit die Profitinteressen der Einen schützte, klopft man nun Künstler*innen auf die Schulter und erklärt ihnen bedauernd, es gäbe eben keine Alternative.
Dazu passt die rein buchhalterische Argumentation der Gesetzesbegründung. Als wenn es „nur“ um Geld gehen würde. Es geht um viel mehr! Um Anerkennung, Lebensinhalte und die „kleinen“ Momente im Leben, die es uns allen erlauben aus neuen Perspektiven auf die Welt zu schauen – das schafft Kunst und Kultur. Und das ist nicht ersetzbar.
Wir sind es leid, dass uns ein inkonsistenter Dickicht aus zunehmend autoritären Regeln als alternativlos verkauft wird. Es war und ist eine Alternative, einen anderen, einen solidarischeren Umgang mit der Krise zu finden. Dazu würde vor allem gehören, die Arbeitsbedingungen von Menschen in medizinischen Berufen substanziell und dauerhaft zu verbessern, statt ihnen Applaus zu spenden. Ihnen zuzuhören. Jetzt sofort!
Zahlt die Pflege, pflegt die Kultur!
Die Krise hat uns deutlich vor Augen geführt, dass alle einander brauchen. Die Notbremse aber basiert darauf, eine Situation geschaffen zu haben, in der es als alternativlos verkauft werden kann, Kultur zum Opfer zu machen. Damit werden letztlich künstlich Interessen gegeneinander ausgespielt.
Am 01. Mai sind wir deshalb laut. Ohne Publikum. Aber mit wehenden Fahnen.
PS: Wir sind es ebenso leid, dass unsere Kritik an Teilen der Corona-Maßnahmen von Menschen instrumentalisiert wird, die vorgeben hinter wehenden Reichskriegsflaggen marschierend unsere Grundrechte zu verteidigen. Wir machen von unserem Grundrecht gebrauch, nichts mit euch zu tun haben zu wollen. Bitte nervt uns nicht! Danke.