Flugzeuge: starten kaum mehr. Gastronomie: geschlossen. Clubs: zu. Kinos: dunkel. Friseure: Do-it-yourself ist angesagt. Staus: gleich null. Innenstädte: menschenleer. Straßenbahnen: fahren im Weekend-Modus. Büros: Homeoffice. Börse: up & down. Festivals: nicht daran zu denken. Und obwohl sich die Welt weiter dreht, steht sie still. Komplett. Ein Zustand, den niemand von uns bisher kannte. Unserer freiheitsliebenden Welt wurde einfach mal eben der Stecker gezogen. Off statt on.
Verkehrte Welt. Nicht nur, weil dies wohl der erste FAZEmag-Artikel ist, in dem ein Video oben statt unten gepostet wird. Nehmt euch zwei Minuten Zeit für den Clip – und danach zwei Minuten für den Text.
Während schätzungsweise 95 Prozent von uns zuhause ihren Jobs nachgehen, der ein oder andere Däumchen dreht, manch einer auf Kurzarbeit switchen musste und einige sogar ihre Arbeit verloren haben, geben sie im Leben Gas, um Leben zu retten: Ärtze, Krankenschwestern, Pfleger, Sanitäter, Polizei, Feuerwehr, Security. So perfide es klingen mag, aber selbst der Kampf um Toilettenpapier, Kartoffelpüree und Tortellini ist für manch einen ein regelrechter Kampf um Leben und Tod geworden. Pure Ironie? Jein.
Da hat man jetzt schon einmal Zeit, in sich zu gehen, über dies und das nachzudenken und zu sinnieren. Was passiert da draußen eigentlich gerade? Die Politik hat uns die sprichwörtlichen Handschellen angelegt und uns an unsere Wohnungen gefesselt. #housebounded. Viele lernen jetzt Balkon, Garten oder Terrasse zu schätzen. Doch nicht jeder kann die zarten Sonnenstrahlen at home genießen, die – und das ist unser Glück im Unglück – derzeit recht häufig auf uns scheint. In Deutschland.
Deutschland denkt nach, grübelt. Verzweifelt? Nicht nur hierzulande liegen die Nerven blank. Auch in Italien, Spanien, Österreich, Frankreich. In Europa. In Asien, Afrika, Australien. Und obwohl auch Amerika der gesundheitliche und finanzielle Supergau zu drohen scheint, schimpft der blonde „Schutzpatron“ des Landes á la „Die Chinesen haben mich zu spät gewarnt, ich kann ja nichts dafür“. Aber gut, im November sind ja Präsidentschaftswahlen.
Die Welt steht still – und mit ihr die gesamte Veranstaltungsbranche. Selbstredend. Sie trifft der Knock-out von heute auf morgen. Reagieren? Schwierig. Weiter planen? Womöglich für die Katz´. Denn wann wir uns wieder in den Underground-Clubs „Hoch die Hände, Wochenende!“ zuprosten – ungewiss. Wann wir wieder mit Zehntausenden anderen auf riesigen Festivals und Open-Air-Events feiern – nobody knows. „Sicher ist: Corona wird irgendwann vorüber sein, und dann feiern wir unsere Partys umso intensiver. Wir zelebrieren das Leben umso leidenschaftlicher und wissen das viel mehr zu schätzen, was viele Generationen vor uns aufgebaut haben: Ein Leben in Freiheit“, so Bernd Breiter, der Gründer und Geschäftsführer von BigCityBeats. Der Frankfurter Unternehmer ist selbst seit einigen Tagen im Homeoffice und weiß natürlich ebenfalls nicht, was die Zukunft bringt. Ob die BigCityBeats WORLD CLUB DOME Las Vegas Edition im Juni stattfindet? Eben.
Was der 49-Jährige weiß: Wie man einen viralen Superhit im Netz produziert – und das völlig unbeabsichtigt. „Nie und nimmer hätte ich mir gedacht, dass mein Video innerhalb von 72 Stunden mehr als 500.000 (!) Mal auf Facebook, YouTube, Twitter, Instagram & Co. geklickt wird.“ Das Video, das nicht nur unter die Haut geht, sondern auch durch die Decke, hat er passenderweise „Die Welt steht still“ genannt. Eine Hommage an alle Hilfskräfte. Er sagt „Danke!“ und appelliert zugleich an die Vernunft der Menschen, zuhause zu bleiben. #StayAtHome
Effekthascherei? Aufmerksamkeit generieren? Weit gefehlt. Der Clip ist zu 100 Prozent werbefrei und soll einfach zum Nachdenken anregen. „Seit ein paar Tagen wissen wir, dass die Freiheit uns nicht so einfach von ganz oben geschenkt wurde“, so Breiter, der sich damit auf das Video bezieht, mit dem er genre-, grenz- und generationsübergreifend zig tausende Menschen erreicht. Egal ob Jung oder Alt, Sportler oder Moderator, DJ oder Wissenschaftler, Angestellter oder Unternehmer – Bernd Breiter gelingt es, mit diesem Video Brücken zu bauen.
Mehr zum Thema findet ihr übrigens ab morgen in der neuen FAZEmag-Ausgabe. Hier gibt es in unserer Coverstory einen Roundtable zu „Corona und die Musikbranche“, unter anderem mit Bernd Breiter.
(C) Foto: Mayk Azzato