Brandt Brauer Frick – 13 Tracks für den Geist der alten Techno-Clubs

Brandt Brauer Frick – 13 Tracks für den Geist der alten Techno-Clubs / Foto: Jorge Monedero

„Multi Faith Prayer Room“: Phonetisch klingt das irgendwie cool. Etwa wie eine Freizeitpark-Attraktion oder eine hippe Start-up-Messe. Wer das neue Album von Brandt Brauer Frick dann aber von DeepL übersetzen lässt, dem springt ein „multireligiöser Gebetsraum“ entgegen. Aber keine Panik, die 13 frischen Tracks des Trios bringen ihre Hörer*innen nicht näher zur Bibel, sondern vielmehr zurück in den rohen Club der 90er.

Genau wie der Titel war den drei Wiesbadenern auch die Stilrichtung des neuen Albums schnell klar. Es sollte für den Club gemacht sein, zugänglicher und tanzbar. „Gerade unsere vorletzte Platte – Joy – war weirder und schwieriger zu verdauen“, gibt Jan Brauer ehrlich zu. „Dieses Mal wollten wir etwas machen, was die Leute direkter anspricht.“ Dabei wäre das Album ohne Pandemie und Lockdown vermutlich ganz anders geworden. „Wir wollten viel früher veröffentlichen, aber alle Clubs waren geschlossen. Kein guter Zeitpunkt für eine Club-Platte.“ Die Zwangspause nutzten die drei stattdessen für neue kreative Produktionsideen. So verschickten sie beispielsweise Fragebogen über positive Zukunftsvisionen und beschlossen letztendlich, die Antworten der Befragten direkt in das Album zu integrieren. Ein sehr persönlicher Ansatz, der ein bisschen an das „Actual Life“-Konzept von Fred again.. erinnert. Tatsächlich gibt es einige Schnittmengen zu dem britischen Produzenten und Songwriter, wenn man sie sucht.

Dazu gehören auch die positive Grundstimmung der neuen Songs, ein klar erkennbarer Einfluss von Future-R’n’B sowie zeitgenössische House-Beats fernab von EDM und Big Room. Zudem ist das Album vollgepackt mit bunten, hochinteressanten Features aus allen möglichen Bereichen. „Durch ein Feature wird immer noch etwas Neues hinzugefügt. Sich damit wieder zu arrangieren, finden wir sehr spannend“, so Brauer. „Uns wird schnell langweilig. Ich glaube, das ist vielen nicht bewusst. Man spielt seine Sets wirklich oft“, sagt der Instrumentalist und lacht dabei.  Langweilig wird es auf „Multi Faith Prayer Room“ wirklich nicht. Von elektroakustischem Ambient entfaltet sich die Club-Attitüde dank der bereits erwähnten Elemente von Song zu Song weiter hin zu einem groovigen, minimalistischen und geerdeten Gesamtwerk. Irgendwo zwischen Elektro Guzzi, The Chemical Brothers, Digitalism und Brian Eno. „Soba“, „Dottet Line“, „This Feeling“ und „Perpetuate“ sind nur einige der Highlights. Aber wo ist jetzt der rohe Techno?

„Es gibt Techno … und es gibt Techno“, stellt Jan Brauer klar. Zwar sei das Trio von alten minimalistischen Acts wie André Kraml oder Tiefschwarz inspiriert, doch der aktuell angesagte Techno langweile ihn manchmal. Stattdessen dürfe es gerne auch mal „ein bisschen funky“ und „soulig“ sein. Das deckt sich mit den Gigs der Band, die von Berghain und Jazz-Cafés bis hin zur Berlinale schon alles bespielt hat. Für diese Abwechslung und diese Herausforderung seien die drei Musiker sehr dankbar. „Du spielst das gleiche Set, aber anders. Wenn ich sagen müsste, ich habe zehn Jahre lang in Techno-Clubs gespielt, wüsste ich nicht, ob ich das heute noch machen würde.“ Es ginge vielmehr darum, eine Energie beim Publikum zu erzeugen. Einen „kollektiven Rausch“. Die Einflüsse von Techno auf „Multi Faith Prayer Room“ sind also vielleicht gar nicht ausschließlich auf musikalischer Ebene zu finden. Vielmehr scheint der Geist des frühen Techno-Clubs die Inspiration zu sein. „Alle sind drin. Es ist dunkel“, so Brauer. „Man kann mit keinem reden, aber alle haben den gleichen Glauben. Nicht auf biblischer, aber auf spiritueller Ebene.“ Der Techno-Club als Ort, an dem alle miteinander verbunden sind. Ein Eywa für Raver. This Is My Church. Aus dem Blickwinkel heraus schließt sich dann doch der Kreis zum multireligiösen Gebetsraum.

Aus dem FAZEmag 136/06.2023
Text: scharsigo
Foto: Jorge Monedero
www.instagram.com/brandtbrauerfrick