Allerspätestens seit seinem Nummer-Eins-Kracher „Drift Line“ auf Codex Recordings zählt der Freiburger Chris Veron zum ganz heißen Eisen in der europäischen Technowelt. Mehr als 100 Tracks – erschienen auf Top-Labels à la Codex, SayWhat?, Prospect und Phobiq – listet die Diskografie des Publikumsmagneten bereits auf, und ein Ende ist nicht in Sicht. Seine melodisch-dunkel treibenden Grooves der letzten Jahre sind nicht unbemerkt geblieben und haben Techno-Schwergewichte wie Adam Beyer, Ramon Tapia, Umek oder Spartaque auf den Plan gerufen, die den langjährigen Resident-DJ des angesagten Freiburger Clubs Drifter‘s mit voller Power unterstützen. Jüngst hat Chris Veron, der bereits in Clubinstitutionen wie dem Sisyphos, dem Robert Johnson oder dem Artheater zu Gast war und regelmäßig auf dem renommierten Sea You Festival spielt, den Start seines eigenen Labels KickFire eingeläutet, wo er nun seine brandneue Scheibe „Motokobo“ präsentiert und große Ambitionen hegt. Zeit für einen Talk!
Hi, Chris! Die Szene befindet sich in den ersten Monaten größtenteils noch im Winterschlaf. Tankst du ebenfalls noch Kraft oder bist du schon wieder voll dabei? Hattest du Vorsätze für 2023?
Hallo, FAZEmag, zunächst einmal vielen Dank für das Interview. Das ist richtig, ich denke, der Januar ist ein typischer Relax-Monat. Viele nutzen das, um Energie und Kraft für die kommende Saison zu tanken. Bei mir ist das ähnlich, aber ich arbeite schon an neuen Sachen für den Sommer und durch meinen Labelstart mit KickFire stehe ich quasi schon wieder voll im Saft.
Vorsätze habe ich tatsächlich so einige und KickFire zählt definitiv dazu. Zudem möchte ich wieder mehr Sport machen, um mich körperlich fit zu halten und den Weihnachtsspeck wieder loszuwerden (lacht). Außerdem habe ich angefangen, Spanisch zu lernen.
Erzähle uns etwas über deine Anfänge. Du kommst aus Freiburg im Schwarzwald. Was waren deine ersten Berührungspunkte mit der lokalen Technoszene?
Meine Anfänge datieren tatsächlich ins Frankfurt der 90er-Jahre. Durch Besuche im Omen und Dorian Gray wurde ich vollends mit Techno und damals auch Trance infiziert. Ich kaufte mir prompt meine ersten Turntables und brachte mir das Auflegen auf von Riemen angetriebenen Plattenspielern bei. Durch den Umzug meiner Eltern in den Freiburger Raum gegen Ende des Jahrzehnts kam ich dann 2001 mit dem Exodus Parkhaus (R.I.P.) in Kontakt und wurde dort 2002 Resident.
Deine Diskografie hat es in sich. Gab es eine Art „Icebreaker“, der deine Karriere ins Rollen gebracht hat?
Das stimmt. Addiert man die unveröffentlichten Tracks hinzu, befinden sich mehr als 100 Releases in meiner Diskografie – kaum zu glauben. Ich würde sagen, der wirkliche „Icebreaker“ liegt hier rum und wartet darauf, gesignt zu werden (Zwinker), aber ich denke, „Fury Road“ auf IAMT war schon eine Nummer, die mich etwas bekannter gemacht hat, da sie zuerst von Spartaque und im Anschluss auch von anderen großen Namen gepusht wurde. Letztlich war es dann natürlich „Drift Line“, der es auf Beatport auf die 1 in den Peaktime-Techno-Charts geschafft und meiner Karriere einen ordentlichen Schwung verpasst hat.
Bei deiner Musik setzt du auf treibende Melodic-Grooves, gepaart mit harten sowie düsteren Elementen. Woher stammen die Einflüsse, die deinen Sound geprägt haben?
Meine Produktionen entstehen immer aus meiner aktuellen Gefühlslage heraus. „Düster“ ist vielleicht das falsche Wort, ich würde meine Musik eher als kraftvoll und sehr energetisch beschreiben. Melodien haben es mir schon immer sehr angetan, viele Einflüsse kommen daher aus dem Soundtrack-Bereich. Den Groove hatte ich wohl schon immer im Blut, der fließt dann automatisch in die Tracks mit ein.
Wie siehts bei dir im Studio aus?
Tatsächlich eher minimalistisch, da ich das Meiste mit Kopfhörern, Reason und VSTS mache und zum Abhören meine Adam-Audio-Speaker nutze.
Am 27. Januar erscheint dein neuestes Release „Motokobo“. Erzähl uns mehr darüber.
„Motokobo“ ist eine echte Cosmic-Peaktime-Technowaffe und genau die Art von Track, die ich selbst gerne im Club hören würde, um richtig abzufeiern. Der powervolle Remix von Luca Morris & Mozzy Rekorder (Terminal M) kommt etwas technoider und härter daher und lässt das Thema nur im Hintergrund und im Break aufblitzen. Eine perfekte Kombination für das Labeldebüt. Ich kann sie wirklich jedem ans Herz legen, egal, ob DJ oder einfacher Partygänger. This is KickFire, this is Techno!
Wie sieht deine Vision mit dem Label aus und was können wir von deiner neuen Radioshow erwarten – gerade auch im Vergleich zu deinem Podcast „Black Techno Friday“, der ja bereits seit Oktober 2018 etabliert ist.
Mit dem Label geht für mich ein langersehnter Wunschtraum in Erfüllung. Die Vision ist eine klare Linie des zukünftigen Sounds von Techno. Purer Groove, Energie und harter Antrieb mit melodischen Elementen. Der aktuelle Trend wird ja wieder schneller und härter. Wir wollen daher nicht auf der Stelle treten, sondern uns ständig weiterentwickeln. Das ein oder andere Release wird also mit Sicherheit mit einem Überraschungseffekt aufwarten, auch wenn wir vorerst dem Peaktime-Techno treu bleiben wollen. Ich habe allerdings schon jede Menge Ideen im Hinterkopf, um das Label und das Brand weiterzuentwickeln. Ihr dürft gespannt sein.
Die neue Radioshow ist noch in der abschließenden Entwicklung, aber ich kann schon einmal verraten, dass es mehr neue Musik und Sets von mir geben wird, sowie Guest-Mixes von Künstler*innen, die auf KickFire releasen. „Black Techno Friday“ wird etwas umstrukturiert und bekommt einen Relaunch. Die Show wird dann nur noch einmal im Monat stattfinden.
Es heißt, es gebe zudem ein weiteres geheimes Projekt, an dem du bastelst. Ein paar Infos können wir dir doch sicher entlocken, oder?
Jetzt muss ich gut überlegen, dass ich hier nicht zu viel verrate (lacht). Also: Ich mache ja gerne verschiedene Arten von Musik und auch Tracks, die grundsätzlich nicht zum Sound von Chris Veron passen. Vielleicht kann ich euch ja in ein paar Monaten mehr dazu erzählen.
Wie sieht deine Club- und Event-Schedule für 2023 aus? Gibt es schon Highlights, auf die du dich besonders freust?
Für den Sommer sind einige Festivals geplant, über die ich aber noch nicht reden kann. Besonders freue ich mich allerdings auf das Sea You Festival in Freiburg – für mich eines der besten in der elektronischen Musiklandschaft. Der Kalender füllt sich allmählich und allen voran die Berlin-Gigs – etwa im Sisyphos – sind immer eine tolle Reise mit Fans und Freunden. Letztlich freue ich mich aber auf jeden einzelnen Gig und jede Crowd.
„Motokobo“ ist am 27. Januar via KickFire erschienen.
Kurz & knapp
Auf welchen deiner Tracks bist du besonders stolz?
Da gibt es sicher einige, aber „Drift Line“ würde ich hier hervorheben. Er hat dieses Momentum, diesen Drive und diese Power, die sofort jeden mitreißt.
Deine Top 3 Artists?
Adam Beyer, Maceo Plex, Tale Of Us
Dein aktueller Lieblingstrack?
Ein unveröffentlichter Track von mir, aber wenn ich einen nennen müsste, dann wäre das wohl „Attention“ von den Warp Brothers auf Spannung Records – ein absoluter Floorfiller.
Beste Club-Experience? Als DJ und als Besucher.
Als Besucher würde ich die Gashouder- und Afterlife-Partys hervorheben. Einfach ein unfassbar genialer Vibe, Visuals und Sound! Meine besten Gigs als DJ waren wohl im Berliner Sisyphos. Mega Sound, düster, ein Hammer-Vibe, keine Smartphones und vier Stunden pure Ektase. Mein Closing-Set im Artheater in Köln war aber definitiv auch ein Highlight.
In welchem Club/bei welchem Festival willst du unbedingt mal spielen?
Ganz klar im Gashouder (Amsterdam) und auf dem Awakenings Festival.
Wohin würdest du gerne mal reisen?
Ich liebe das Reisen und habe schon einiges gesehen, aber auf meiner Bucketlist stehen auf jeden Fall Südafrika, Mexiko, Kolumbien, Peru und Neuseeland.
Dein Lieblingsgear im Studio?
Kein bestimmtes, diverse VSTS.
Pioneer- oder Allen&Heath-Mixer?
Pioneer, da ich auch zusätzlich mit dem RMX1000 spiele.
Lieblingsessen?
Mixed Salat.
Die Welt wäre besser mit mehr …
Empathie, Liebe, Katzen und TECHNO. 😉
Aus dem FAZEmag 132/02.2023
Text: Hugo Slawien
www.soundcloud.com/dj-chrisveron