Club vs. Hotel: Karlsruher Club muss schließen

Club vs. Hotel: Karlsruher Club muss schließen

Hotel gegen Club – und wieder einmal hat die Musikspielstätte das Nachsehen. So auch in Karlsruhe, wo der renommierte Technoclub Karl Kinski seine Pforten schließen muss. Immer wieder hatte es in den vergangenen Jahren Lautstärke-Beschwerden eines Hotels gegeben, das sich im selben Gebäude wie der Club befindet. Pikant: Der Inhaber hat sich erst nachträglich in das Gebäude eingemietet, war sich den Risiken also vollständig im Klaren. Karl-Kinski-Betreiberin Natalie Ott spricht von „unfairen Entscheidungen und Hürden” seit der Etablierung des Clubs im Jahre 2016 und einem Versagen der Behörden. Die Petition „Rettet das Karl Kinski!” birgt zwar einen letzten Hoffnungsschimmer, doch die Weichen sind gestellt. Mit uns hat Natalie Ott über die Geschehnisse gesprochen.

Hallo Natalie. Vielleicht zunächst ein paar Worte zum aktuellen Stand. Die Situation scheint uns nicht ganz eindeutig zu sein. Ist es bereits offiziell, dass ihr schließen müsst? Falls ja, wann?

Aufgrund der für uns nicht umsetzbaren Verfügung der Stadt Karlsruhe und der daraus resultierenden Zahlungsunfähigkeit laufender Posten waren wir gezwungen, das bestehende Unternehmen zu schließen. Da wir jedoch viel Geld, Arbeit und vor allem Herzblut in die Location und das Projekt investiert haben und den Club neben unserem Hauptberuf geführt haben, wollen wir die Location nicht so einfach aufgeben. Wir kämpfen für Gerechtigkeit und den Erhalt der alternativen Clubkultur in der Innenstadt. Es hat sich ein neues Team aufgestellt und ist bereit, unser Herzensprojekt in Zukunft weiterzuführen, aber ohne all die Hindernisse die wir meistern mussten, bzw. mit vorbeugenden Maßnahmen, um zukünftige Probleme oder Konflikte weitgehend auszuschließen.

Leider ist der Hotelbetreiber aktuell noch nicht bereit, den Teil seines Kapselhotels, der über dem Club liegt, ohne eine utopisch hohe Ablösesumme aufzugeben und sich weiterhin nur auf den größeren Teil der Kapseln, die sich im Nebengebäude, Kaiserstraße 170 befinden , zu konzentrieren. Es macht den Anschein, dass er selbst an dem Objekt interessiert ist, da er paradoxerweise selbst dafür online wirbt, dass man die Kapseln für Partys und Gruppen ab 10 Personen buchen kann – mit DJ, Live-Musik und inklusive Verpflegung und Getränke. (Übrigens hat er das auch während der Corona-Pandemie angeboten!) Zudem hat er uns schon zweimal eine (lächerliche) Ablösesumme angeboten, was sein eigenes Interesse an dem Objekt unterstreicht – zuletzt Anfang des Jahres 2023.

Auf Instagram schreibt ihr, dass euer Weg von Anfang an von unfairen Entscheidungen und Hürden geprägt war. Könnt ihr das anhand von einigen Beispielen genauer erläutern?

Angefangen haben wir 2016 als Veranstalter in der Location, zu der wir durch einen sehr guten Bekannten gekommen sind, der damals noch Pächter der Lokalität war. Nicht mal ein Jahr später wurde uns dann mitgeteilt (selbst hatten wir keine Ahnung vom Ausmaß der bestehenden Mängel), dass das komplette Gebäude mit sofortiger Wirkung geräumt werden muss, aufgrund von brandschutztechnischen Mängeln. Da wir bis dato schon selbst sehr viel Zeit in Aufräumarbeiten investiert hatten, haben wir uns dann entschlossen, unseren Bekannten bei der Umsetzung zu unterstützen.

Wir haben bei 11 Monaten untersagtem Betrieb letztendlich über 40 gravierende Brandschutzmängel beheben müssen, die sich alle sehr zeitaufwendig, arbeitsintensiv und vor allem kostspielig gestaltet haben, bevor wir im Dezember 2018 endlich die Freigabe durch das Bauordnungsamt erhalten haben. Im Februar 2019 zog dann das Hotel über uns ein. Schon zwei Monate danach, im Mai 2019, hat dieses beim Ordnungsamt Beschwerde eingereicht, woraufhin direkt nach der ersten Beschwerde eine Abmahnung der Stadtverwaltung für uns folgte.

Wir hatten von Anfang an das Gefühl, dass wir nicht erwünscht sind, da zielstrebig nach Fehlern unsererseits gesucht wurde, was uns die Akteneinsicht und der Verlauf darin leider teilweise bestätigt hat. 2020 folgte dann die Pandemie, durch die wir uns irgendwie hangelten. Langsam hatte sich alles wieder in die Normalität eingespielt, woraufhin jedoch knapp ein Jahr nach dem Lockdown die Verfügung am 16.07.23 kam und wir den Betrieb wieder einstellen mussten, da wir der Auflage in der Verfügung, auch bei allen Bemühungen, nicht gerecht werden konnten.

Grund für die Schließung sind die erwähnten anhaltenden Lärmbeschwerden des Hotelinhabers. Wie kann es überhaupt passieren, dass sich ein Hotel die eigenen vier Wände mit einem Techno-Club teilen will? Gab es hier im Voraus keine ausreichende Kommunikation zwischen Club, Vermieter und Hotelinhaber?

Schon als das Bauamt zur Besichtigung kam, um das Hotel vor Ort zu begutachten (bei der ich dabei sein sollte, aufgrund der baulichen Verbundenheit und meiner Kenntnisse des Gebäudes, die ich während der Baumaßnahmen erlangt hatte), habe ich meine Bedenken gegenüber dem Eigentümer und dem Hotelbetreiber geäußert und vorgeschlagen, dass das Hotel seine Gäste zumindest auf der Webseite über den Clubbetrieb am Wochenende informieren sollte, um aufkommende Probleme durch Aufklärung der Gäste zu vermeiden oder zu minimieren. Dies wurde trotz mehrfacher Bitten nie umgesetzt.

Da das Hotel trotz Kenntnis der baulichen Situation einen Pachtvertrag unterschrieben hat und eine dementsprechend angemessene Miete vom Eigentümer erhalten hat, wurden meine Bedenken nicht ernst genommen. Der Eigentümer äußerte bezüglich meiner Bedenken zurecht, dass der Hotelbetreiber ja Bescheid wisse und das Gebäude trotzdem für die besagte Nutzung mieten wolle. Im Falle eines Konflikts, meinte er, sei selbstverständlich er derjenige, der sich dann nach einer neuen Location umsehen müsse.

„Lustig“ ist auch, dass, wenn WIR NICHT aus eigener Initiative eine Wand und Brandschutztür im Treppenhaus eingebaut hätten, seine Gäste weiterhin ohne Hindernisse über das Treppenhaus in unseren Mainfloor gelangen könnten, was den Zusammenhang und die nicht abgetrennten Nutzungseinheiten deutlich macht.

Von Seiten des Hotels wurden keine Schallschutzmaßnahmen ergriffen. Im Gegenteil, er hat alle Türen und Fenster Tag und Nacht durch einen Keil blockiert, sodass der Schall ungehindert durch das Treppenhaus in die Schlafräume gelangen konnte. Er hat auch bei seinen Umbauarbeiten eine direkt über unserer Tanzfläche befindliche Brandschutzkuppel durch Steinschlag beschädigt und diese bis zum heutigen Tage trotz mehrfacher Bitten nicht repariert, sondern nur mit Panzerband das Loch abgeklebt. Dass dadurch auch Schall an die direkt daran angrenzenden Kapseln gerät, wurde von der Stadt ebenso nicht berücksichtigt bzw. als nicht relevant eingestuft. Zudem hat er sich, um Kosten zu sparen, auch noch an unserer Lüftungsanlage gekoppelt, was die Schallübertragung natürlich zusätzlich begünstigt. Das Gleiche gilt für leer gelegte und verbundene Stromleitungs- und Abwasserschächte innerhalb des Gebäudes.

Ende 2022 bekam ich dann ein Schreiben vom rechtlichen Vertreter des Hotels mit einer Schadensersatzforderung aufgrund seiner angeblich durch mich verursachten Umsatzeinbußen in Höhe von 5000€.
Daraufhin wurde er auf meine Bitte hin vom Eigentümer sogar schriftlich aufgefordert, seine Beschwerden und Forderungen gegenüber mir bei sämtlichen Stellen zu unterlassen, da er ja wissentlich dessen, dass im Gebäude ein Club ansässig ist 2019 eingezogen sei und das, mit einer dementsprechend angepassten und angemessenen Pacht. Darin wurde er auch darauf hingewiesen, dass er selbst von Anfang an in Schallschutz hätte investieren müssen, um zukünftige Konflikte zu vermeiden.

In den Bewertungen des Hotels wird deutlich, dass die Kapseln an sich sehr hellhörig sind, und es wird klar, dass die negativen Bewertungen bezüglich der Lärmsituation immer mit anderen negativen Faktoren gekoppelt sind und nicht ausschließlich auf den Clubbetrieb am Wochenende zurückzuführen sind (wobei dieser Aspekt durch Aufklärung der Gäste, schon vorab hätte minimiert werden können.)

Die schriftliche Aufforderung des Eigentümers wurde allerdings von ihm ignoriert und nicht ernst genommen, da er stattdessen im März 2023 heimliche Messungen gekoppelt mit einem Polizeieinsatz durchgeführt hat, woraufhin dann die Verfügung von der Stadt erstellt wurde.

Wurden die Grenzwerte mehrfach professionell gemessen? Gab es keine Möglichkeit, diese zu unterschreiten?

Aufgrund der oben genannten baulichen Gegebenheiten und der Tatsache, dass eine Trennung der einzelnen Nutzungseinheiten aufgrund der baulichen Verbundenheit nicht möglich ist, ist der Schall leicht übertragbar. Der Hotelbetreiber hat eine „heimliche“ Messung nachts durchgeführt und zeitgleich zwei Polizeieinsätze veranlasst, um seine Messungen zu bestätigen bzw. zu bekräftigen, bei der allerdings von der Polizei keine übermäßige Beschallung festgestellt werden konnte. Dies reichte der Stadt trotzdem aus, um mit sofortiger Wirkung eine Lärmbegrenzung von 25 Dezibel innerhalb des Gebäudes zu verlangen. Nach einer eigenen Messung, die wir durchführen ließen, bestätigte ein Sachverständiger leider die zuvor ermittelten Messwerte und erklärte, dass diese aufgrund der baulich verbundenen Gegebenheiten zustande kommen. Es wurde festgestellt, dass die geforderten 25 Dezibel ohne eine bauliche Trennung, die mit Kosten im sechsstelligen Bereich verbunden sind, nicht umsetzbar seien.

Das Paradoxe an der Sache ist für mich die Aussage der Stadt: Beide Parteien befinden sich im Kerngebiet Karlsruhe, in dem tagsüber 60 dB und nachts 45 dB zulässig sind. Da aber das Gebäude 168 miteinander verbunden ist, gelten die Immissionswerte innerhalb eines Gebäudes, die tagsüber 35 dB und nachts 25 dB vorschreiben Das bedeutet also, dass das Nachbargebäude und die ansässigen Kapseln in der Hausnummer 170 von mir mit 45 dB beschallt werden dürfen, die Kapseln über uns, in der Hausnummer 168 jedoch nur mit 25 dB??

Wie lief der Dialog mit dem Hotelinhaber und den Behörden?

Der Hotelbetreiber hat sich von Anfang an mit den Behörden in Verbindung gesetzt und auf behördliches Einschreiten gedrängt, indem er Umsatzeinbußen aufgrund des Clubbetriebs an den Wochenenden beklagte und dass sich seine Gäste durch uns gestört fühlen. In den Akten konnte ich lesen, dass die Stadt in der ganzen Zeit mehrfach bei anderen Stellen/Behörden angefragt hatte, ob es andere Fälle von Lärmbelästigung gab, was jedes Mal nicht bestätigt werden konnte. Daraufhin wurde auf Empfehlung der Stadt zeitgleich mit der vierten Beschwerde im März 2023 eine Messung durchgeführt. Auch der Polizeieinsatz wurde in Kombination empfohlen, um derartige Beschwerden sachkundig machen zu können, da die Polizei bei einem Einsatz immer auch das Ordnungsamt schriftlich darüber informieren muss und diese dann laut Aussage, mehr Möglichkeiten zum Einschreiten habe. Seit 2016 bis Juli 2023 gab es drei ausschließlich vom Hotelbetreiber ausgehende Beschwerden direkt beim Ordnungsamt und noch eine dann Ende März 2023 (die vierte also insgesamt), gekoppelt mit einem Polizeieinsatz, woraufhin die Verfügung mit sofortiger Wirkung erlassen wurde.

Ihr habt eine Petition zum Erhalt des Clubs gestartet. Wie seht ihr eure Chancen das Ruder noch rumreißen zu können?

Wir kämpfen für Gerechtigkeit und Fairness und dafür, dass alle gleichermaßen behandelt werden und die Verhältnismäßigkeiten doch geprüft und individuell abgewogen werden sollten. Allein die Tatsache, dass so viele öffentliche Stellen auf uns aufmerksam wurden, ist für uns schon ein Erfolg, gibt Hoffnung und macht deutlich, dass wir mit unserer Selbsteinschätzung richtig lagen, dass viele ungerechte und nicht fair verlaufende Entscheidungen getroffen wurden und die Entscheidungen der Behörden doch in Frage gestellt werden sollten.

Wir haben mittlerweile in unserer eigenen Petition rund 2300 Unterstützende. Die BNN und Ka News haben , oder werden darüber berichten, der Landesverband BW für Clubkultur wurde darauf aufmerksam, und wir haben ebenso eine Petition direkt beim Landtag eingereicht.Wir möchten erreichen, dass zukünftig Behördenentscheidungen genauer überlegt bzw. überdacht werden und sich diese gegebenenfalls zukünftig auch vor Ort ein Bild machen, bevor Entscheidungen getroffen werden. Wir möchten auf die Arbeitslosen aufmerksam machen, die im Verhältnis zum komplett digitalisierten Hotelbetriebs entstanden sind und auch auf die im Gegensatz dazu weitreichenden Auswirkungen hinweisen, denn auch dies müsste im wirtschaftlichen Interesse und der Verhältnismäßigkeit in der heutigen Zeit mitbedacht werden.

Habt ihr bereits Pläne, wie es im Falle eines Worst-Case-Szenarios mit dem Projekt Karl Kinski weitergehen könnte?

Nein, wir haben keine konkreten Pläne für den Fall, da dieses Projekt mit viel Herzblut, harter Arbeit und der Unterstützung von vielen Freunden und Bekannten erschaffen wurde. Unser Ziel ist es ausschließlich, dieses Erbe zu erhalten, da bereits sowieso ein reges Clubsterben seit Corona herrscht und es nicht mehr viele Alternativen in der Innenstadt gibt, vor allem im elektronischen Bereich.
Wir wollen auch aufgrund des wirtschaftlichen Ausmaßes nicht aufgeben, da 25 Minijobber, viele Musiker, Veranstalter u. v.  m. ihren Job verloren haben, ebenso wie angrenzende und involvierte Unternehmen (wie Imbiss, Restaurant, Taxifahrer usw.) seither Umsatzeinbußen verzeichnen müssen.

Für den Monat Oktober sind mehrere Partys geplant. Werden diese planmäßig stattfinden?

Die Events werden dank der Unterstützung des Culteum Clubs wie geplant stattfinden.

Hier geht es zur Petition.

Fotos: Mari Poca


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