Colin Benders – Modulare Hexerei

Credit: Daan Koenderink

Vor rund einem Jahr veröffentlichte der niederländische Elektronik-Virtuose Colin Benders seine Debüt-EP „Floaty Things“ und verschenkte zum Release satte 4.000 Vinyl-Kopien an seine Fans. Einen derartigen Geschenkereigen dürfen wir anlässlich seines neuen Albums „Rigmarole“ zwar nicht erwarten, freuen wie ein Schneekönig tun wir uns aber dennoch, denn der modulare Hexenmeister hat mal wieder tief in die Trickkiste gegriffen und serviert ein elektronisches Labyrinth aus verwobenen Improvisationen, hektischen Erdrutschen und unterdrückten Maschinen.

2021 war für Benders vor allem von Unsicherheit geprägt: „Stellt euch vor, ihr backt einen Kuchen und obwohl ihr wisst, dass man die Ofentür nicht öffnen sollte, schaut ihr nach und ruiniert somit den Kuchen. So habe ich das vergangene Jahr irgendwie erlebt“, erklärt er und bezieht sich damit auf das ständige Hin und Her bei den Corona-Bestimmungen. „Rückblickend wäre es klüger gewesen, abzuwarten und keine Pläne für Produktionen, Shows und Festivals zu machen“, resümiert Benders, der auch den Titel seiner LP an die chaotischen Zustände während der Pandemie angelehnt hat. „Rigmarole“ (dt.: Zirkus, Theater [ugs.]) sei in der Tat ein guter Weg, um zu beschreiben, was wir alle durchleben, so Benders, der das Album vollständig im Lockdown produzierte und in einem Take aufnahm: „Der Grund, warum ich so aufnehme, ist, dass ich alles mit meinem modularen Synthesizer mache. Ich patche alle Stimmen und Drums, leite die Signale durch die Direct Outs und FX Sends und dann drücke ich auf Aufnahme. Alle Parts werden in Echtzeit gespielt.“

Durch die fehlende Bearbeitungsphase würden zwar kleine Fehler im Gesamtprodukt bestehen bleiben, doch genau das baue auch eine gewisse Art von Spannung auf und klinge vor allem organisch, erklärt der Elektronik-„Transzendent“, der seinen modularen Workflow auch auf YouTube in Form der „Modular Mayhem“-Serie zur Schau stellt. „Die Leute, die den Stream sehen, werden ermutigt, Fragen zu stellen oder Ideen einzubringen, die dann im Stream erforscht werden. Seit dem Lockdown im letzten Jahr haben wir eine ziemlich enge Gemeinschaft von Enthusiasten aus der ganzen Welt gebildet“, so der 35-Jährige über sein Nebenprojekt.

Apropos … Vor Kurzem hat Benders außerdem seine eigene Krypto-Währung namens $VCA gegründet, die beispielsweise für Stream-Spenden oder Musikkäufe genutzt werden kann. „Ein gutes Beispiel ist das Vault-Projekt, eine Liste all meines aufgenommenen Materials aus den letzten zwei Jahren. Meine Idee ist es, all diese Tracks langsam zu durchforsten und sie für die Veröffentlichung aufzuarbeiten. Durch den Besitz von $VCA können die Leute diesen Prozess dann unterstützen und Zugang erhalten“, erklärt er. Für das neue Jahr hofft Colin Benders darauf, seine Motivation und seinen Workflow aufrechterhalten zu können, unabhängig davon, wie es der Musikbranche ergeht. „Ich werde zu 100 Prozent weitermachen, auch wenn alles abgesagt wird. Es muss coole Projekte auf den Bühnen geben, wenn sie eröffnet werden, auch wenn es nur für ein paar Tage ist.“

„Rigmarole“ von Colin Benders ist am 17. Dezember via Hiss & Hertz Records erschienen.

 

Aus dem FAZEmag 119/01.2022
Text: Milan Trame
Foto: Daan Koenderink
www.colinbenders.com