„DANCE OR DIE. Die Loveparade-Katastrophe“-Autorin Jessika Westen im Interview (+Verlosung!)

Vor zehn Jahren, am 24. Juli 2010, kam es in Duisburg zu einer der furchtbarsten Katastrophen, die die deutsche Event-Kultur jemals miterleben musste. Bei der bis dato letzten Loveparade führte eine Verkettung von Umständen zu einer Massenpanik, die insgesamt 21 Menschenleben und 650 Verletzte forderte.

Damals live vor Ort: die Reporterin Jessika Westen, die von der Unglücksstelle berichtete und im Nachhinein für ihren Umgang mit der Situation geehrt wurde. Mit „DANCE OR DIE. Die Loveparade-Katastrophe“, hat die Berichterstatterin nun einen Roman geschrieben, in dem sie ihre traumatischen Erlebnisse aufarbeitet und aus drei unterschiedlichen Blickwinkeln beleuchtet.

In chronologischer, schockierender und packender Form schildert uns der Tatsachenroman den Verlauf einer Katastrophe, die tiefe, emotionale und niemals verheilende Wunden in unserem kollektiven Gedächtnis hinterlassen hat.

Wir haben mit Jessika Westen gesprochen und verlosen drei Ausgaben ihres Romans (Infos weiter unten).

Du warst damals als Reporterin live vor Ort und wurdest beim „Axel-Springer-Preis für junge Journalisten“ für deine „herausragende Leistung“ geehrt. Beschreibe uns doch kurz, wie du damals mit der Situation umgegangen bist.

Das war definitiv die herausforderndste Situation in meinem Berufsleben. Als ich erfahren habe, dass es Tote gibt, war ich erstmal geschockt, hatte aber keine Zeit zum Nachdenken – ich musste ja meiner Arbeit nachkommen. Zwischen meinen Live-Berichten für das WDR habe ich immer mal wieder gezittert, weil ich so eine innere Kälte gespürt habe. Ich habe dann bis mitten in der Nacht berichtet und auch am nächsten Tag wieder. Reflektieren konnte ich das Ganze erst einige Zeit später.

Der Strafprozess wurde Anfang Mai eingestellt – ohne Verurteilung. Die Schuldfrage ist für viele Menschen damit allerdings nicht ad acta gelegt. Was denkst du, worin liegt die Quelle des Versagens begründet?

Der Richter hat damals gesagt, es habe sich um „kollektives Versagen“ gehandelt und dass die Schuld jedes Einzelnen eher gering einzuschätzen sei. Ich denke, dass viele die Veranstaltung unbedingt wollten. Damals war die Metropole Ruhr Kulturhauptstadt 2010 und es war klar, dass die Loveparade in Duisburg gerade auch in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle spielt. Sicherlich wollte niemand, dass es zu so einer Tragödie kommt. Viele haben aber wahrscheinlich nach dem Motto „Wird schon gutgehen“ gehandelt und die Gefährlichkeit unterschätzt. Die Frage, die sich vor allem Betroffene und Angehörige der Todesopfer immer noch stellen, ist, inwieweit möglicherweise Druck ausgeübt wurde und von wem.

Zwischen 1998 und 2007 warst du insgesamt acht Mal auf der Loveparade – sowohl privat als auch beruflich. Welche Veränderungen konntest du in dieser Zeit festmachen? Viele Leute sagen, dass die Entwicklung der Loveparade negativ konnotiert war.

Anfangs war die Loveparade noch eine Demonstration für Frieden, Gleichheit und ein respektvolles Miteinander. Diesen Spirit hat man auch gespürt. Als die Veranstaltung kommerzialisiert und der Loveparade der Demonstrations-Status aberkannt wurde, hat sich das zwar ein wenig geändert, den Spaß an der Parade habe ich aber nie verloren. Der anschließende Wechsel ins Ruhrgebiet war, meiner Meinung nach, ein großer Fehler. An vielen Stellen war einfach zu wenig Platz für die riesigen Menschenmassen.

Der Urvater der Loveparade, Dr. Motte, machte vor kurzem durch ein spektakuläres Vorhaben auf sich aufmerksam. Unter anderem plant er es, eine neue Techno-Parade ins Leben zu rufen, die man wohl gewissermaßen als neue Loveparade zählen könnte. Was hältst du davon?

Vielleicht bin ich da zu idealistisch, vielleicht auch ein bisschen naiv, aber gerade in Zeiten von einer immer größer werdenden Spaltung der Gesellschaft, denke ich, dass eine so gigantische, friedliche Party ein schöner Gegenpol wäre und ein Zeichen setzen würde. Mein Wunsch wäre, dass der Spirit von damals wieder ein Stück weit auflebt. Mit der Loveparade ist für mich auch ein bisschen das Lebensgefühl einer ganzen Generation gestorben und das finde ich sehr schade. Schuld an der Tragödie war ja schließlich nicht die Veranstaltung selbst, sondern die fehlerhafte Organisation. Das sehen übrigens auch viele Betroffene und Angehörige so.

 

+++Verlosung+++

Wir verlosen insgesamt drei Ausgaben von „DANCE OR DIE. Die Loveparade-Katastrophe“. Schickt uns hierfür eine Mail mit dem Betreff „Loveparade“ an win@fazemag.de. Einsendeschluss ist der 21. August. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.

 

„DANCE OR DIE. Die Loveparade-Katastrophe“ erscheint am 25. Juni im Emons Verlag. Der Artikel und das Interview stammen aus unsere aktuellen FAZEmag-Ausgabe: FAZEmag 102/08.2020

www.emons-verlag.com