Platten des Monats – November 2024

Das sind sie, unsere Tonträger-Favoriten aus dem November-Heft unterteilt in Alben und Compilations, Singles und EPs sowie die jeweiligen Platten des Monats.

Singles & EPs – Platte des Monats

Siggatunez
My Point (Gooey)
Label Debüt aus Berlin mit vier Titeln, die allesamt abliefern. Die 303-Line des Openers „My Point“ erzeugt einen tollen Groove und im Zusammenspiel mit den Malevocals und dem später einsetzenden Piano verbindet dieses Stück den Watergate Stil vor 8 Jahren mit härterem Bergheim Sound. Klasse Track! Doch es kommt noch besser: Fantastischer Vocal-Deep House spielt mit souliger Attitude und US Houseanspruch („Been Lovin‘ You“) – selten so in letzter Zeit gehört (mal abgesehen vom Nomada Output). Ähnlich bewegt sich „Sometimes“ auf der Flip, aufgehübscht mit elektronischem Fiepen, trippt fast eher als dass es houst. Und dann wäre da noch „Feeling“: Ein prominenter Bass, umgarnt von alien-esken Echotönen scheucht uns auf, added geisterhaft-hallende Chords und kreiert ein mystisches Szenario. Monotone Trancigkeit im House – so muss die Tanzfläche beschallt werden, um eine starke Wirkung auf die Tänzerschaft zu erzielen (ein bisschen Ame und Brand Brauer Frick ist auch dabei). Extrem starker Labelauftakt! 10

Singles & EPs – Top Ten

Amelie Lens
Falling For You (Noted / Sony)
Haben sich Techno und Trance in den 90er-Jahren auseinander differenziert, fügen sich die Stilrichtungen jetzt wieder zusammen. Trance-Artists übernehmen Techno-Beats in ihre Produktionen, Techno-Acts Trance-Melodien. Der aktuelle Track „Falling For You“ der „First Lady of Belgian Techno” geht noch weiter. Damit schlägt Amelie Lens neue Wege ein, indem sie starke Female Vocals als tragende Säule in ihr Sound-Build-up integriert. Das Resultat von Lens, die sich selbst zwischen verschiedenen Subgenres der elektronischen Musik sieht, greift Techno-Elemente mit auf und kombiniert diese mit starken Trance-Elementen, die an Vocal-Trance-Produktionen der 2000er-Jahre à erinnern. Gesangs-technisch erinnert das ein wenig an iiOs „Rapture“ aus dem Jahr 2001, Gesangs- und Stil-technisch an „Who Do You Love Now? (Stringer)“ von Riva feat. Dannii Minogue oder auch an alte Vocal-Tracks von Armin van Buuren der Nullerjahre. Trotzdem hat der Track, den Lens die letzten Monate bereits als Abschluss-Track ihrer Sets gespielt hat, eine starke Eigennote. Mitreißend und euphorisch beweist die melancholische Vocal-Nummer, dass es nicht immer nur höher, schneller, härter und Hard-Techno sein muss. Lens wagt sich als Trendsetterin in neue Gefilde hervor, die sich auch perfekt in ihre eigenen hypnotischen Sets und in Zukunft auch sicherlich in derer vieler anderer DJ-Kollegen, sowohl im Techno- als auch im Trance-Bereich, integrieren. Ein „Falling For You“ als Abschluss-Track wird sicherlich vielen Fans nach den Auftritten noch lange im Ohr hängen bleiben und einzigartige Erinnerungen, die mit tiefen Emotionen verbunden sind, schaffen. Genau das, was Musik schaffen sollte. 9 Davy D.

Anna Tur
Wild Wellness (Lowlita Records)
Nachdem Anna Tur mich bereits mit ihrer „Ruta/Who Is?“-EP in Zusammenarbeit mit Pablo Say und Sara de Araujo überzeugen konnte, macht sie mich spätestens mit diesem Output zum Fan. „Wild Wellness“ startet über Lowlita Records – I see what you did in that title – welches sie zusammen mit Gonçalo Miranda und Hosse selbst führt. Los geht es mit tief-stampfenden Kicks, einer spannenden verzerrten Hat und jeder Menge Drive, irgendwo zwischen Deep Tech und düsterem Acid Techno. Metallisch-hallende Bunker-Effekte leiten den ersten Climax ein, während eine melodische Synthline an die besten Jahre von Loveparade und Mayday erinnert. Das Ganze klingt retro und modern zugleich. Übrigens: Falls euch die Vocals irgendwie bekannt vorkommen – richtig gehört! Diese kamen repetitiv in der Techno-Kollabo „My Life“ mit Pablo Say schon einmal zum Einsatz. 9 scharsigo

„Wild Wellness“ erscheint am 22. November.

DJ iDJa
Klubbas (Self Release)
Der aus dem hohen Norden stammende Norweger Markus Johnsen Thonaugen, bekannt als DJ iDJa, beweist mit seiner „Klubbas“-EP abermals sein Händchen für starke Kontraste und experimentelle Sounds – ohne dabei zu sophisticated oder verspielt zu wirken. Eines der Highlights auf der Nummer ist insbesondere das House-meets-Opera-Stück „Ária“, für das Thonaugen mit Adrian Angelico, einem der renommiertesten Opernsänger Norwegens, zusammenarbeitete. Der Ansatz, Norwegens Kultur – etwa die der Sámi – mit traditionellen Klängen und modernen Electronic-Beats zu verbinden, ist das Hauptaugenmerk von „Klubbas“ und gelingt auch dank des Einsatzes zahlreicher Field Recordings aus der Natur, die der EP eine organische Atmosphäre und tolle Texturen verleihen. Für viele sicherlich eine gewöhnungsbedürftige Platte, die aber, wenn sie denn in die richtigen Hände gerät, zu einem großartigen Hörerlebnis werden kann. 8 Tenorali

KiNK & Raredub
Time To Change (Spectra)

SHDW und seine Labels Mutual Rytm und X sind momentan in aller Munde. Der Stuttgarter DJ und Producer hat wie kein anderer den Klang des heutigen Hardgrooves gefördert und geprägt. Nachdem KiNK schon auf X eine super EP veröffentlich hat, kommt nun mit „Time To Change“ ein weiteres Meisterwerk hinzu. Der Originalmix ist klassischer am Hardgroove angelehnter Techno, aber die Remixe sind anders! Hier setzt Marcel Mettmann auf Deepness, die es in sich hat. So werden den Stücken ganz andere Seiten entlockt. Sehr gelungen! 9 Transmitter

Leaf
Solid Selectors EP (Serial Killaz)
Manchmal ist Musik einfach geil und neu und überraschend. Dass das bei Drumandbass nach (in meinem Fall) 28 Jahren immer noch und immer wieder der Fall ist, ist schon unglaublich cool. Wie kann sich ein Genre nur immer und immer wieder selbst zitieren und neu erfinden und dabei nie aufgewärmt, sondern immer frisch klingen? Die „Solid Selector EP“ von Leaf ist so ein Ding, das genau diese Fragen aufwirft und im gleichen Atemzug beantwortet. Die vier Tracks der EP sind nicht einfach der hundertste Aufguss von Jungle-beeinflusstem Jump-Up, sondern haben, bei aller klanglichen Tradition, das Thema Sound-Design ganz weit vorne auf der Agenda. Zwischen Dub- und Reggae-Elementen knarzt und schleift es hier an diversen Ecken und Enden und sorgt so für eine Freshness und ein nie bis selten da gewesenes Klangbild. Absoluter Wahnsinn und Drumandbass-Release des Monats! 10 points Feindsoul

Luca Olivotto
Over & Out EP (At A Glance)
Um es vorwegzunehmen: Mit diesem Label Debüt gelingt ein wunderbarer Auftakt in Sachen House, dessen Wurzeln sich in den 90ern finden. So glänzt das Titelstück mit harmonischen Hammondpassagen und intelligent strukturierten Vocalsignaturen und Layern. Das Ding groovt Oldschool und auf hohem Niveau. In die gleiche Kerbe schlägt das mehr funky ausgelegte und durch voluminösen Bass geführte „Brace“ – deepe Flächen und melodiöse Einheiten lassen den Track elegant dahingleiten. Auf der Flip greift „World Wide“ das funky Element abermals auf und klingt fast schon ein wenig nach Neo-Disco in deepem Gewand. Noch griffiger kommt, und damit nahezu der beste Track dieser EP, „World Wide“ – das Teil groovt wie Hölle und lässt die Tänzer auf den Floor kreisen. Klasse Auftakt und gemäß Deichkind: „Gibt mir mehr davon, dafür sind wir hergekomm“ bitte schnell im gleichen Stil nachlegen. 9 Cars10.Becker  

Phase
Eterna EP
(Metalheadz)
Oh. Mein. Fucking. Gott. Was ist denn bitte los diesen Monat? Man kann sich vor unfassbar dicken Releases kaum retten. Phase haut eine EP auf Goldies Label Metalheadz raus, die die besseren Dancefloors dieses Planeten mal eben komplett auf links dreht: cremige Flächen, darke Bässe, schmutzige Beats, traumhafte Vocals – und natürlich der Metalheadz-übliche Sound. Ich frage mich wirklich, wann zuletzt ich ein Release gehört habe, das so souverän den Spagat zwischen episch und brachial, druckvoll und reduziert geschafft hat. Hier passt einfach alles. 10 points Feindsoul

PROFF & M.O.S.
(Melody Of the Soul 005 / Deejay.de)
Das über alle Maßen großartige russische Label M.O.S. von Ilya Mangazeev, Oleg Mishihin und Pavlov Pavel traut sich etwas. Auf Katalognummer 005 treffen in “Three Sisters” gefällige Neo-Trance/Melodic-Arrangements auf den folkloristischen Gesang der Sängerin Taisia Krasnopevtseva. Der Soundtrack zu dem Film “Midsommar” von Ari Aster – for those who know. Auf A2 zieht Proff aka Vladimir Ershov aus Moskau das Tempo etwas an, behält aber den verträumt-folkloristischen Charme bei und regt zum Träumen an den Ufern der Moskwa an. Wenn es da nicht einen Despoten um die Ecke gäbe. Aber “Reverie” funktioniert auch an der Seine oder am Tiber. Wunderschön und atmosphärisch. Auf B1 gibt es mit “Namtso” einen weiteren Neotrance-Groover, der mich an Cosmic Baby (minus 30 BPM) erinnert. Und auf B2 findet sich die Ambient-Version von “Three Sisters”. Wow, was für eine tolle EP. Vinyl Only. 10 points svenman

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Federsen
Real Phase EP (Bliss)
Neues Label ohne weitere Infos. Vier Titel, bei denen A1 moody und durchaus hardbeatig, akzentuiert losläuft. Schöne, monotone Rhythmik in einem darken Umfeld, die sich Dub-House zu eigen macht. Weiter in Richtung extrem deeper Dub, wenn sich die Bassline sehr ruhig und slow zwischen Halleffekten und deepen Flächen entlang hangelt (A2) – sehr entspannend. Dann etwas Maurizio Style, wenn auf der Flip B1 Hihats und Kicks ein rhythmisches Konzept anstreben. Der hallende Metalleffekt beseelt den Track mit groovy Dub! Versetzte Echos, trockene Monotonie und knackendes Vinylrauschen beschließen eine großartige Scheibe und ein fantastisches Label Debüt. 10 Cars10.Becker

Various Artists
Metropolitan EP (Fantastic Friends / Deejay.de)

Christian Burkhard, Chris Llopis, Nils Twachtmann und Filou zeichnen für dieses Various Release auf Fantastic Friends verantwortlich. Zu hören bekommen wir in allen vier Tunes treibenden Minimalhouse, der sich von leicht jackig bis tanzbar housig angeht. Cool geraten ist sicherlich „Rhythm Mod“ von Christian Burkhard, in dem sich sexy gehauchte Vocals zusammen mit einer verspielten Bassline und fetzigen Breaks auslassen. Aber auch „Dubster“ von Chris Llopis kann mich mit seiner subtil jackigen Bassline, zusammen mit dubbigen aber fetzigen Synthies und einem minimal technoiden Gerüst überzeugen. Wer also auf tanzbaren Minimalhouse steht, kann gerne mal in die EP reinhören. 8Rusty

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Alben & Compilations – Platte des Monats

Eddie Richards
Time Travel – Journey 1 (Repeat / Deejay.de)
Auf diesem Album übertrifft sich Eddie mit seiner Interpretation von House, die an die besten Zeiten von Franck Roger in den 00ern und Johnny D auf Henry Street Ende der 90er heranreicht. Das Cover mit seinem Blick auf eine abgehalfterte Hinterhoffassade mit vermodernden Wänden und Klimanlagenblöcken steht in klarem Kontrast zu einem positiven, deepen und Lebensfreude bejahenden Housesound. Das Doppelvinyl auf Repeat startet mit dem melodiösen und deep, forcierten „Joetwo“, das den Hörer sofort in Clubstimmung versetzt; der Chordloop trägt den Track und transportiert die Hook. Mehr Percussion und HiHats kennzeichnen „Ahyea“ – ebenfalls ein toller Deep Houser mit guter Wirkung. Das tracky „Open The Pod Door“ transportiert eine andere Farbe: Der Groove wird etwas rauer und härter, getrieben durch Schlagwerkzeug und ein unwohligen Synthieloop – Clubhouse, ebenfalls von sehr ansprechender Qualität. Back to da 90s – kontinuierlicher HiHat Einsatz, minimaler Groove und ein paar Flächen – fertig ist „Old Klang Road“ – sehr atmosphärisch und formschön gestaltet. Das zweite Vinyl wartet mit einem dumpfen Elektrobass auf, transportiert mit HiHat und Percussions zusätzliche Energie und wird durch Female Töne abgemildert („Heat“) – ausgewogener House. Tranciger House setzt den Weg mit „Yrwhat“ locker schwingend und gleichförmig fort, um auf den letzten Metern funky House mit „Getaway“ elegant und melodiös zu performen, bevor der superchillige Klassiker von Kool & The Gang („Summer Madness“), hier als „Madness“, in elektronisch trippende, relaxende Slo Mo-Vibes transformiert wird – zu schön, um wahr zu sein; da purzeln dem Rezensenten vor Begeisterung ein paar Freudentränen aus dem selbigen Sack. Sensationelles Housealbum, das in dieser Qualität schon lange nicht mehr auf dem Markt erhältlich war. Big Cinema! 10 Cars10.Becker

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Alben & Compilations – Top Ten

Elderbrook
Another Touch (ADA / Warner Music)
Der Grammy-nominierte Brite ist zurück mit seinem dritten Album, das mit Kollaborationen und Solo-Produktionen bestückt ist. Im Vergleich zum Vorgänger „Little Love“ erweist sich „Another Touch“ als hörbar profundere Angelegenheit, wenn es um die klanglichen Strukturen geht. Die Akkorde und Melodien, die natürlich wieder ganz im Zeichen der (Pop-)Dance-Music stehen, sind ausgefeilter, detailverliebter und bieten eine Menge zum Entdecken. Eines der Prunkstücke dürfte die Nummer „Places“ – eine Kollaboration mit dem südafrikanischen Afro-Tech-Künstler Shimza – sein, die nicht nur den musikalischen Abschluss des Albums markiert, sondern auch das Ende einer Geschichte erzählt, die sich wie ein roter Faden durch „Another Touch“ schlängelt. Elderbrook hat sich nämlich nicht nur im Studio weiterentwickelt, sondern auch im Umgang mit Stift und Papier. Das Resultat sind zwölf gefühlvolle, treibende Melodic-House-Titel, mal euphorisierend, mal emotional, aber immer tanzbar und mit dem Potenzial schon morgen aus den Top-Platzierungen der Charts zu grüßen. Auch Vintage Culture ist übrigens wieder mit dabei. 8 Tenorali

Energy 52
Café Del Mar: 30 Years Anniversary Box (Superstition Records)
Keine Frage, „Café Del Mar“ im DJ Kid Paul Mix ist einer der ikonischsten Tracks der elektronischen Musik. Hinter dem Projekt standen Kid Paul und Cosmic Baby, 1993 kam der Track raus und wurde zum absoluten Dauerbrenner und zu einem der meist geremixten Tracks, wobei der Remix von Three ’N One aus dem Jahre 1997 sicherlich hervorzuheben ist. Aber natürlich gibt es auch weitere Versionen, die herausstechen und diese hat Superstition Records nun auf einer Jubiläumsbox versammelt. In der Auswahl dabei sind Nalin & Kane, Deadmau5, Tale Of Us, Paul van Dyk, Orbital und Michael Mayer – allesamt mit Mixen, die ihre eigene Handschrift in den Track eingebaut haben. Obendrauf gibt es noch zwei neue Remixe, von UK-Producer Amirali – in schöner 90er-Rave-Atmosphäre und mit Broken-Beats-Vocal-Einsatz – und dem lettischen DJ REZarin (dick, deep und trancy). Die Versionen von Kid Pal und Three ‚N One sind zudem exklusiv für die Box neu gemastert worden. 10 Terence Trance D’Arby

Honey Dijon
DJ-Kicks (!K7 Records)
Die neue Ausgabe der legendären Mixreihe „DJ-Kicks“, die im nächsten Jahr ihren 30. Geburtstag feiern wird, liefert Honey Dijon ab. Geboren in Chicago und immer mit dem Ziel vor Augen, DJ zu werden, hat sie schon in frühen Jahren das Mixen angefangen und zog nach DC und New York, um ihrem Ziel näher zu kommen. Mittlerweile ist sie viel mehr als nur DJ, sie ist Fashion-Ikone und Aktivistin, hat darüber hinaus zwei Alben veröffentlicht und ist Grammy-Gewinnerin. 19 Tracks umfasst der Mix, der auch ihr erster offiziell veröffentlichter Mix ist. Mit ihrer Eigenschaft als House-Nerd verfügt sie über ein enzyklopädisches Wissen, was ihre Auswahl ebenso geprägt hat, wie die ganze Tiefe und Breite ihrer Clubbing-Erinnerungen und Erfahrungen. Dabei hat sie vor allem Perlen hervorgezaubert, die bis lang noch nicht auf der großen Bühne ihren Platz hatten – weltumspannend und epochenübergreifend. Neben Tracks von Blackjoy, Art of Tones, The Dance Kings, Shaboom oder Kiko Navarro liefert sie sie auch einen brandneuen eigenen und exklusiven Track zusammen mit Ben Westbeech ab: „Finding My Way“. „Die Tanzfläche ist für mich ein heiliger Ort“, sagt Honey Dijon und man merkt das dem Mix auch an, der sehr sorgfältig kuratiert wurde und der eine sehr eigene und charmante Aura entwickelt, die sowohl auf dem Dancefloor als aber auch abseits davon sehr gut funktioniert und überzeugt. 9 Basstian Basstewka

La Fleur
Väsen ([PIAS] Électronique)
Die Schwedin Sanna Engdahl, besser bekannt als La Fleur, veröffentlicht mit „Väsen“ endlich ihr Debütalbum. Schon 2010 veröffentlichte sie ihre erste EP auf ihrem dafür neu gegründeten Imprint Power Plant Records, 2014 lieferte sie die 16. Ausgabe der Watergate-Mixserie ab. Und sie liefert auch hier ab! Ein Album, das beschwingt herumspringt vor Lebens- und Tanzfreude. Mit ihren Melodien. vielschichtigen Percussions und ihren forschen Beats trifft sie einen Nerv. der gut gelaunt und losgelöst von Raum und Zeit auf den Dancefloor marschiert. hre Tracks sind hymnisch, akzentuiert, mit kleinen und feinen Elementen, die leichte Richtungswechsel präsentieren, aber immer fokussiert bleiben. Ein wirklich feines Dancefloor-Album, das sich sich mal deeper. mal discoider, mal tranciger, mal mehr techy ist oder auch mal ins 80ies-Töpfchen greift. Herrlich unbeschwert, vergnüglich und beeindruckend. 9 Terence Trance D’Arby

Loft 15 A
Me, Myself And I (Plastic City)
Nachdem die beiden Singles „Sign My Way“ sowie „Like A Satellite“ bereits kürzlich als Teaser erschienen sind, folgt nun das seit einiger Zeit angekündigte Album des Szene-Veteranen Claus Pieper, unter dem Namen seines Nebenprojekts. Mit all seiner Erfahrung spannt der Routinier hier den Bogen gewissermaßen aus House und Techno in verschiedensten Stilistiken. „Sign My Way“ lässt das Langspielwerk eher introvertiert, träumerisch verhangen und emotional beginnen. Das anschließende „Desert Rose“, wie auch „The Space“ knüpfen an diesen Deep-House-Stil an, mal mit orientalischen Schlenkern, mal eher ambient geraten, in beiden Fällen mit belebender Perkussion und leitenden Vocals angereichert. Mit Ausnahme des Stücks „Psychodelic Boys And Girls“, das klar auf die Tanzfläche abzielt, verharrt das Album zunächst im wunderbaren „No Fate No Dreams“ und dem anschließenden „What Ya Gonna Do“ in diesem introvertierten, melancholischen Vibe. „Like A Satellite“ versprüht sodann das Flair bekannter Chart-Produktionen, ehe mit „Butter & Steel“ ein Twist einsetzt, der den Fokus klar in Richtung der Rave-Vergangenheit des Produzenten legt. Mit „Sheila“ öffnet sich der Künstler als Vater emotional in bisher nie da gewesener Weise. Die letzten beiden Stücke sind sodann ganz im Sinne des Techno gehalten: hypnotisch, energiegeladen, unkompliziert geradeaus in Richtung Peaktime. Absolut stark! 08 Master J

Michael Mayer
The Floor is Lava (Kompakt Records)
Nach einer achtjährigen Albumpause – 2016 erschien „&“ auf !K7 Records – präsentiert der vielseitige Künstler – aktiv als DJ, Producer. Remixer sowie Labelboss von Kompakt und Imara – seinen vierten Longplayer. „The Floor is Lava“ blickt sowohl in die Zukunft, würdigt aber auch die Vergangenheit. Mayer, der bekannt dafür ist die Anforderungen der Tanzfläche mit der Atmosphäre des Wohnzimmers zu verbinden bietet eine explorative wie funktionale Klangreise und reflektiert mit dem Titel und der musikalischen Ausrichtung kritisch die Genrefixierung der Musikindustrie und plädiert für einen genreübergreifenden, freien künstlerischen Geist. Die neun Tracks präsentieren eine eindrucksvolle Vielfalt: Sie es „The Problem“, das sich an frühen House-Produktionen orientiert, das minimale Techno-Stück „Vagus“ oder der poppige Vocaltrack „The Solution“ und das melancholische „Süßer Schlaf“, eine bewegende Vertonung eines Goethe-Gedichts und sicherlich einer der Höhepunkte eines an Höhepunkten nicht armen Albums. Michael Mayer hat sich bisher nicht oft auf Longplayer-Reise begeben, aber wenn es dann so weit ist, dann kann man sich sicher sein, dass das Ergebnis aufsehenerregend und spannend ist. 10 Dieter Horny

Mihai Popoviciu
Puzzle Box (Bondage Music)
Meister Mihai enttäuscht wirklich nie. Ich verfolge den Output des Rumänen nun wirklich schon eine Ewigkeit und bin immer wieder fasziniert, wie man sich auf fast schon sture Art und Weise treubleiben kann, ohne auch nur ansatzweise langweilig zu werden. Long story short: Mit „Puzzle Box“ schickt Popoviciu sein zweites Full-Length-Album ins Rennen und spendiert allen Fans von qualitativer House-Music ein 5*-Deluxe-Erlebnis: deep & chunky, minimalistisch & groovy, hypnotisch & dubby und immer eine treibende Wucht auf dem Parkett. In Zeiten, in denen sich viele Künstler zusehends zu neuen Experimenten hinreißen lassen und nicht selten (musikalisch) auf dem Hosenboden landen, bleibt sich Mihai treu und liefert Konsistenz und Qualität nebst eines unnachahmlichen Signature-Sounds, der einfach immer und überall funktioniert. Masterclass. 10 Laenkford

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Raxon
USWATT (DSK RECORDS)
Der ägyptische Künstler aus Barcelona ist zurück! Nach der Veröffentlichung seines Debütalbums „Sound Of Mind“ auf Kompakt im Jahr 2021 stellt sein neues Werk einen bedeutenden Meilenstein sowohl für ihn als auch für das Label dar, denn es ist Raxons zweites Album und das erste Album, das von einem Künstler auf DSK Records veröffentlicht wird. Auch hier zieht sein innovativer Sound den Hörer direkt in seinen Bann. Kein Track klingt wie der andere. Egal, ob das schön düster-dubbige Intro „Cyber Funk“, die minimalistisch-futuristische Breakbeat-Nummer „Spaceport“ oder der treibende Tech-House-Track „Go Computer“. Dieses Album gehört 2024 in jede Playlist. Meine beiden Highlights: Die groovige Lazer-Hymne „HI Human Intelligence“ und der Mandalorian-Loveletter „This Is The Way“. 09/10 scharsigo

Techno Club Vol. 73
(Zyx)
Das ist nun wirklich eine kleine Sensation. Nicht die Tatsache, dass der Techno-Club-Gründer Talla auch bei Ausgabe 73 wieder einen hochkarätigen Mixing-Partner ins Boot geholt hat. Und auch nicht der Punkt, dass seine aktuelle Nummer – zusammen mit Fragma – Platz #1 der Beatport Charts belegt. Aber dass „Toca’s Miracle“ im Talla 2XLC-Remix hier schon enthalten ist und dass Silberling Nummer Zwei von Westbam stammt, macht die vorliegende Doppel-CD zu einem absoluten Sammlerstück. Das Tracklisting ist sehr ausgewogen, bietet aber – besonders bei Westbam – viele Überraschungen. Ich sage nur DAF. Zwei großartige Mixes für Trance- und Techno-Fans und alle dazwischen sowieso. Als besonderes Schmankerl erscheint TC 73 in Form einer stylischen schwarzen Box und enthält als Special ein Sticker Pack mit 40 der coolsten Logos der elektronischen Musikszene! 10 points trancer spacey

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The Blessed Madonna
Godspeed (FFRR / Warner Music)
Gut Ding will Weile haben. Dachte sich offenbar auch Marea Stamper, deren Namenswechsel von The Black Madonna zu The Blessed Madonna ihr offenbar keinen Abbruch tat und deren Debütalbum sie nun in den Olymp der weltweit erfolgreichsten Plattenlabels führt. Ihr 24-Track-Album „Godspeed“ ist ein regelrechtes Epos. Eine Konventionen sprengende Reise durch den Mainstream und den Underground und ein Beweis für ihre Fähigkeit, Rave-Kultur und Pop-Musik zu einer homogenen Masse formen zu können. „Godspeed“ ist gespickt mit mitreißenden Beats und euphorischen Dancefloor-Momenten, aber auch von einer großen Portion Introspektion und Trauer gekennzeichnet. „Somebody’s Daughter“ ist eine raue, dezent technoide Hommage an ihren Vater, der kurz vor Beginn der Aufnahmen starb. Im Kontrastprogramm finden sich dafür aber auch unzählige heroische Momente der Ekstase, etwa wenn „Edge of Saturday Night“ (mit Kylie Minogue!) uns mit seinen ansteckenden Disco-Grooves in Wallung bringt. Stamper scheut sich nicht – weder vor maßlosem Hedonismus, noch vor schwerer Kost. Auf „Godspeed“ stellt sie sich den unzähligen Herausforderungen des Lebens und zelebriert bzw. betrauert gemeinsam mit uns die dunkelsten wie hellsten Stunden. Fantastisch. 10 McMennis


Aus dem FAZEmag 153/1.2024