DJ Hell im Interview: „Ukraine“ – über den Track und das Video

DJ Hell ist nicht nur ein begnadeter DJ, ein Visionär in nahezu allen Kunstbereichen, sondern auch ein Mensch mit einer Meinung und scheut sich nicht, diese auch kund zu tun. Dass er mitunter auch ein wenig schwierig erscheinen mag, passt zum Gesamtbild des Vorzeige-Gigolos. Nachdem ich ihn Ende vergangenen Jahres bei Rave On Snow wieder in Aktion erleben durfte, freut es mich umso mehr, dass es ein aktuelles musikalisches Ausrufezeichen von Helmut Geier gibt. Wir hatten HIER über seine aktuelle Single „Ukraine“ berichtet.

Die Reaktionen auf seine Version des Paul-Hardcastle-Klassikers „19“ waren allerdings sehr gemischt – euphemistisch gesprochen. Grund genug, Hell einige Fragen zur Entstehung des Tracks und des Videos zu stellen.

FAZEmag: Viele Musikhörer und sogenannte -Liebhaber fordern von uns, die Politik aus der Techno-Szene rauszulassen. Etwas, was aktuell einfach nicht möglich ist. Aber was genau hat dich dazu bewegt, jetzt einen Antikriegstrack zu machen?
HELL: Der Track „Ukraine“ ist eine musikalische Hymne für Frieden. Es geht hier um maximale Aufmerksamkeit und ein klares politisches Statement, vor allem für die Verbreitung einer Nachricht für Frieden.

FAZEmag: Du hast dich bei „Ukraine“ von Paul Hardcastles Klassiker „19“ inspirieren lassen. Was ist deine Geschichte mit dem Original? Welche neuen Facetten wolltest du dem Track verleihen?
HELL: Der Original Track von Paul Hardcastle erschien 1985 und war in 13 europäischen Ländern auf Platz 1 der Charts und prangerte den Krieg in Vietnam an. Seit 2009 unterstütze ich die neue globale Frauenbewegung Femen aus Kiew und habe bereits an diversen Protestaktionen teilgenommen. Meine „Ukraine“-Version des Tracks besteht aus Versatzstücken des Originals und diverser Remixe und vielen neuen sprachlichen Elementen.

FAZEmag: Erzähl uns etwas über das Musikvideo. Wo und wie wurde es produziert und wer hatte die Idee dazu? Wie hast du die Ukraine wahrgenommen während des Drehs?
HELL: Das Video wurde mit einer ukrainischen Künstlerin aus Kiew und mir produziert und zeigt aktuelle Bilder aus den Frontgebieten in Verbindung mit diversen Presse Headlines vom 24. Februar 2022 – dem Tag des Überfalls von Russland auf die Ukraine.

FAZEmag: Ebenfalls schlimm und vielleicht noch polarisierender ist der Israel-Palästina-Krieg. Wie stehst du hierzu?
HELL: Dance Music, Techno und House waren immer politisch und werden als größte Kunstform des späten 20. Jahrhunderts wahrgenommen. Pioniere wie Underground Resistance waren die ersten Aktivisten in diesem Umfeld und für mich die größten Innovatoren des Genres. Clubkultur und ihre Tanzflächen haben eine lebenswichtige Bedeutung denke ich, und wenn sich hier was verändert, ist es nicht nur ein Trend. Es zeigt woraus wir bestehen und drückt die Veränderung, das Chaos und die Fragmentierung aus, die wir zur Zeit erleben. Die schweigende europäische Techno-Generation ist wohl ein Phänomen des Zeitgeistes, und nur einige wenige Protagonisten beziehen hier klar Stellung zu aktuellen Themen. Die künstlerische Avantgarde hatte in meinen Augen jedoch immer eine Verpflichtung, Meinungen zu äußern, Themen anzusprechen und sich künstlerisch zu artikulieren.

Ebenfalls interessant:

Depressionen überwunden – Monika Kruse meldet sich mit EP auf Terminal M zurück