Für die einen ist es purer Klamauk, für die anderen hochgradig kreative Live-Musik mit Modular-Synthesizern und Performance-Einlagen. Die Wahrheit dürfte wohl beide Extreme umfassen, denn mit ihren abgedrehten Musik- und Video-Produktionen faszinieren DJ Hundefriedhof – bekannt von HGich.T – und sein unverzichtbarer Kompagnon Lexia Starnum seit vielen Jahren sowohl Musikliebhaber*innen und Naturverbundene als auch Menschen, die einfach nur auf der Suche nach schrulliger Unterhaltung sind. Entertainment bieten die beiden jedenfalls allemal, was sich nicht nur anhand ihrer Live-Shows oder zahlreichen Techno-, Psytrance- und Goa-Tracks messen lässt, sondern auch an ihren Videoschalten aus dem Walde. Dann informieren Sascha Schreibvogel – so DJ Hundefriedhofs bürgerlicher Name – und seine Partnerin Lexia Starnum nämlich über allerlei Eigentümlichkeiten und Kuriositäten aus der heimischen Tier-, Pflanzen- und Pilz-Welt. Wir haben mit DJ Hundefriedhof, der mit Lexia an Silvester im U-Club in Wuppertal spielen wird, über allerlei Themen gesprochen.
Hi, Sascha. Zuletzt haben wir mit dir im Sommer 2023 gesprochen. Was ist seither passiert? Was gibt’s Neues? Mal abgesehen von deiner neuen Waschmaschine.
In der Zeit haben wir mit dem Hundefriedhof-Projekt 25 Singles und 72 YouTube-Videos veröffentlicht, in denen es um Musik, aber auch um andere Themen wie Kochen oder Pokémon-Go-Spielen geht. Auch haben wir einige Auftritte an ganz tollen Orten gespielt, wo wir vorher noch nie gewesen sind. Wir waren auf Sardinien, in Innsbruck, in Wien, mehrfach in Hamburg und Berlin, aber auch in der schönen Marktgemeinde Weyer in Österreich. Der wunderschöne Saab mit den Graffitis drauf hat leider keinen TÜV mehr bekommen und daher haben Lexia und ich uns dazu entschieden, einen weiteren Saab zu besorgen, um zusammen mit den großen Cases zu all diesen schönen Orten zu gelangen.
Dein unbekümmerter Lebensstil ist bemerkenswert und bereitet deiner Gefolgschaft große Freude. Versuchst du, die sich derzeit überschlagenden globalen Ereignisse nicht an dich heranzulassen oder bereiten sie dir Sorgen?
Ich kann meine Gedanken steuern auf das, was mich wirklich interessiert, habe aber selbstverständlich genauso viel Angst wie viele andere Menschen, dass die Situation nicht besser wird. Das Musikmachen spielt eine tragende Rolle, es ist meine große Leidenschaft schon seit frühester Jugend. Ich tauche dabei in eine andere Welt ab, in der alles schön ist und wo ich immer gute Laune habe. In der Welt der Musik habe ich keine Angst.
Du hast kürzlich mit „Fiffeling“ einen neuen Song veröffentlicht. Ein paar Worte hierzu?
Das Lied ist ein Vocal-House-Track, der langsamer ist als die meisten Stücke und der klassischerweise mit einem schönen Musikvideo im herbstlichen Gewand daherkommt. Die Lexia und der Hundefriedhof sind mit dem Fahrrad unterwegs und auf der Suche nach dem Fiffeling, aber eigentlich wissen sie nicht, was das genau ist. Sie geben nicht auf und suchen und suchen, am Ende essen sie Kuchen und haben unzählige interessante Dinge gesehen. Fahrradfahren und Naturerlebnisse sind immer wieder eine schöne Idee, vor allem, wenn das Wetter mitspielt.
Deine Naturverbundenheit steht außer Frage. Hast du ein Lieblingstier (abgesehen von Hunden) und eine Lieblingspflanze?
Ich liebe meine beiden Waldkatzen, die mich bereits seit 16 Jahren im Wald begleiten – Schnullimatz und Michael. Auch die Bäume um mich herum sind ganz wunderbar und sehr, sehr hochgewachsen. Sehr schöne riesige Buchen und eine alte Eiche stehen um das Häuschen herum – einigen habe ich sogar Namen gegeben, weil ich mich so verbunden mit ihnen fühle. Wir wohnen ja quasi zusammen und sie begleiten mich im Leben schon genauso lang wie der Schnulli und der Michael.
Lebst du eigentlich vegan?
Ich lebe in erster Linie gerne von gesunden Lebensmitteln, muss aber auch ab und zu die Situation im Kühlschrank zur Kenntnis nehmen und mich mit kleineren Köstlichkeiten begnügen, die mir auch mal in Form eines Joghurts erscheinen, der oft nicht vegan ist. Ich finde eine vegane Lebensweise sehr gut und würde gerne vegan leben, aber ich bekomme es gerade nicht hin. Im Supermarkt kaufe ich die Hafermilch, aber wenn wir unterwegs auf Tour sind und es in der Bäckerei nur die Zitzenmilch gibt, dann verschmähe ich diese nicht. Ganz selten esse ich sogar Fleisch.
Ich denke, eine vegane Lebensweise kann sich positiv auf die Umwelt auswirken und die Tiere tun mir sehr leid, wenn ich beginne, darüber nachzudenken, wie es sein muss, so behandelt und geschlachtet zu werden. Es gibt immer Momente, wo man sich dies vor Augen führt und man dann bewusst auf tierische Lebensmittel verzichtet, aber ab und an verdrängt man es und beißt rein. Ich vermute, dass es vielen Menschen so geht – und alle sollten sich die Umweltauswirkungen und das Leid öfters mal durch den Kopf gehen lassen und eher in den gegrillten Maiskolben mit Knoblauch, statt in die Wurst beißen.
Was hörst du eigentlich privat? Nenn uns ein paar deiner Lieblingsacts.
Ich höre privat ausschließlich Goa aus den 90er-Jahren. Da gibt es nämlich ganz viele Produktionen, die mit dem damaligen Lifestyle produziert wurden, zum Beispiel Parasense, Ethnica, Man With No Name, Astral Projection, Total Eclipse, Planet B.E.N., Hux Flux, Doof oder California Sunshine.
Du bist zusammen mit Lexia zurzeit wieder fleißig auf Tour. Wie sieht euer Show-Konzept derzeit aus? Habt ihr euch ein paar neue Ideen überlegt?
Wir haben nach wie vor ein Live-Konzept, das improvisiert live auf der Bühne entsteht. Wir haben allerdings auch ein paar produzierte Tracks, wie der „Fiffeling“, die tatsächlich zuvor ausgedacht wurden und die wir auch im Rahmen des ganzen Auftritts präsentieren. Ansonsten ist das Live-Set auch wirklich live und bringt jede Menge Spaß. Auch der Gesang wird improvisiert. Lexia liest gerne zu Beginn der Show aus dem Buch „Vom Hundefriseur zum DJ“ vor, das mögen die Menschen sehr gerne. Wir denken uns immer wieder neue Methoden aus, um live eine wirkungsvolle Energieübertragung mit dem und für das Publikum zu vollziehen. Alle sollen sich gestärkt und beflügelt fühlen nach unserem Auftritt.
Weihnachten steht vor der Tür. Wie verbringst du die Feiertage?
Wir fahren dieses Weihnachten zu Lexias Mutter und nehmen den Computer mit, um die gemütliche Situation mit den Köstlichkeiten auf dem Sofa und am Weihnachtsbaum zu genießen. Wenn es Zeit, Planung und Öffnungszeiten hergeben, wollen Lexia und ich in eine Sauna gehen.
Irgendwelche Vorsätze für das neue Jahr? Möchtest du unseren Leserinnen und Lesern abschließend etwas mit auf den Weg geben?
Ich würde gerne zusammen mit Lexia, so wie letztes Jahr auf Sardinien, ein wunderschönes Festival mitten auf dem Acker im Nirgendwo erleben, an einem Ort, an dem ich noch nie zuvor gewesen bin. Das war eine tolle Erfahrung. Musik machen und eine gute Zeit mit Menschen haben, die auch am selbigen Ort vorbeikommen möchten, um die Musik zu hören und mit den Augen die Menschen anzuschauen, die die Musik machen, genau so etwas würde ich gut finden. Die Welt hat bestimmt viele schöne entspannte Orte, nicht nur die schlimmen aus den Nachrichten.
Auf den Weg geben möchte ich, dass wir uns immer wieder bewusst machen sollten, was die Erde für ein wundervoller und besonderer Planet ist. In diesen ganzen unendlichen Weiten der unzähligen Galaxien ist sie ein riesengroßer Ball mit einer atemberaubenden Vielfalt von Lebewesen und Lebensräumen. Jedes noch so kleine Lebewesen interagiert in einer Art und Weise mit seiner Umwelt, dass es für mindestens einen anderen Organismus, wenn nicht für eine große Anzahl von Pflanzen Pilzen oder Tieren, von großer Bedeutung ist.
Haltet den Blick bereit auch für die kleinen Dinge. Die Blattläuse, die ihre Nachkommen lebend gebären und von Ameisen verteidigt und gemolken werden. Die Schwebfliegen, die als Larven in Büschen herumkriechen und Blattläuse fressen und als Erwachsene in einem Bienenkostüm die Blumen bestäuben. Die Tigerschnegel, die wohl eine der spektakulärsten Paarungen im Tierreich vollziehen, bei der sich die beiden zweigeschlechtlichen Mollusken an einem gemeinsamen Schleimfaden herabseilen und sich innig umschlingen, bis dann aus beiden Köpfchen die blau leuchtenden Penes hervorkommen, die sich nochmal selbst wie eigenständige Wesen umschnirkeln, um hierbei den DNA-Austausch möglich zu machen. Es gibt unzählige solche spannende Dinge in der Natur zu beobachten. Habt den Planten lieb und werft keine Zigarettenstummel in die Natur – am besten gar nicht erst rauchen.
Als letzte Single ist der Track „Ot“ von DJ Hundefriedhof erschienen:
Die letzte Single „Fiffeling“ von DJ Hundefriedhof ist am 21. Oktober 2024 via Mink erschienen. „Ot“ ist am 5. November via Minsk erschienen.
Aus dem FAZEmag 154/12.2024
Web: www.instagram.com/dj_hundefriedhof