„Remixen ist scheiße“ – im Gespräch mit DJ Koze
Stefan Kozalla ist ein Lieblings-DJ für viele. Kein 08/15-Jock, den man ab und zu gern hört. Entweder man liebt ihn und seine Soundauswahl oder eben nicht. Wenn nicht, stört ihn das nur bedingt. Im Berliner Büro seines Labels Pampa haben wir den Flensburger getroffen, um mit ihm über seine gerade erschienene dritte Remix-Werkschau zu sprechen. Andere Themen drängten sich aber mehr auf….
FAZEmag: Was mich jetzt erst einmal persönlich interessiert und was gar nichts mit dem Remix-Album zu tun hat und auch nicht wirklich mit der Musik, die du im Augenblick produzierst, wird es nochmal eine Fischmob-Reunion geben?
KOZE: Nee.
FAZEmag: Also nicht, dass ich jetzt etwas Derartiges gehört hätte, aber ich habe Tobi Tobsen und Kowe getroffen in Hamburg und die 5 Sterne treten ja jetzt wieder auf Festivals auf.
KOZE: Ich glaube nicht lange.
FAZEmag: Die machen ja jetzt ein Remix-Album, wohl auch mit elektronischen Remixes von Acts wie Lexy & K-Paul und so.
KOZE: Ich verstehe das nicht richtig. Man kann sich auch seine eigene Legende kaputtmachen. Ich kann zwar nicht für sie sprechen, aber ich finde nichts unattraktiver als eine Reunion ohne neues und starkes Material und keinen geilen Bandspirit zu haben. Dann auch noch mit einem Remix-Album um die Ecke zu kommen von Klassikern, die schlechter sind als das Original und im 2014 Gewand. Das ist für mich der absolute Abstieg. Da würde ich lieber in einer Currywurst-Bude arbeiten. Hört sich zwar blöd an, aber das sind für mich totale Helden gewesen und auch das Projekt.
FAZEmag: Glaubst du nicht, dass sie da einfach Bock drauf haben? Nach den Clubs, in denen sie auflegen, jetzt mal wieder so HipHop-mäßig auf Festivals zu spielen?
KOZE: Keine Ahnung, ich kann nicht für sie sprechen. Dadurch dass Rap an Texte gekoppelt ist und auch über solche Protagonisten funktioniert, naja, ich meine, man muss echt zugeben, dass man älter geworden ist. Ich bin jetzt 42 und wenn ich mir solche Sendungen angucke wie 16Bars, was ich manchmal aus Prokrastination abends dann noch mache (mit dieser total bezaubernden Moderatorin Visa Vie), dann merke ich einfach, dass ich alt bin und dass die ihre eigenen Vertreter haben, die jetzt 20-Jährigen und dass wir da gar keine Aktien drin haben und das auch zurecht nicht. Die Sprache verstehe ich nicht richtig und ich kenne auch das ganze Koordinatensystem nicht mehr, aber das ist nun mal so. Das ist ein Generationenwechsel und da möchte ich nicht mit unseren alten Kollegen, die vielleicht damals eine Relevanz oder Fun-Faktor hatten, einen Herzinfarkt kriegen auf der Bühne vor Leuten, die gar nicht die Lieder kennen. Das wird auch nicht mehr so gehuldigt wie früher oder in Amerika. Wenn da jetzt ein 18-jähriger Rapper aufkommt, dann weiß der natürlich, wer Primo ist oder wer Guru war, aber das ist jetzt hier nicht wichtig. Die haben jetzt ihre Vertreter, steigen jetzt ein, sind 16 oder 17 Jahre alt, finden Marteria geil oder Cro und denen ist das jetzt nicht so wichtig, ob es Advanced Chemistry gab oder Cora E, und ich kann das auch ein bisschen verstehen. So sind wir nicht, wir haben nicht so einen Stolz auf unsere musikalische Historie. Und irgendwie ist das dann komisch, dann stehst du auf dem Splash und dann kennt dich da keiner. Das muss furchtbar sein. Das ist auch an die Altersgruppe gekoppelt, denn es gibt bestimmt nicht viele 43-jährige, die auf dem Splash stehen. Trotzdem gibt es aber dann Tausende, die auf das Revival von den Beginnern gehen, um das Ganze nochmal zu erleben. Du spielst dann allerdings nicht in der Szene mit, du bist eben so ein Revival Act. Ich habe natürlich auch eine gute Position, das jetzt sozusagen, denn das Eine ist auch so, dass man in so einem Popstar-Ding drin ist, wie die Fanta 4 zum Beispiel. Weil, wenn du halt mal sowas gemacht hast und so als Band stehst, dann musst du das halt auch so am Köcheln halten. Zwei Ideen: Eine ist, immer so dynamisch weiter und die andere ist, du hast irgendwas, Vermögenssicherung und dann bist du halt auch diese Band, auch wenn du zehn Jahre älter bist. Irgendwann bist du dann bei den Rolling Stones, wenn es schlecht läuft.
FAZEmag: Ich glaube nicht, dass die finden, dass es bei ihnen so schlecht läuft.
KOZE: Nein, aber das sind so die Ansätze, dass man halt immer das Gleiche macht und dann ist man so die Karikatur von irgendetwas, bedient das immer. Aber ich glaube nicht, also ich würde eine Krise kriegen. Da bin ich froh, dass es bei uns nie so war. Da jetzt noch auf der Bühne rumzuschreien, wäre einfach nicht mehr angemessen.
FAZEmag: Also ich bin ja auch 43 und ich habe mich unglaublich darauf gefeiert, als EPMD in Köln waren in der Essigfabrik mit DJ Scratch. Es waren sehr viele alte HipHopper da, aber auch Oliver Bondzio von Hardfloor, und es war eine tolle Party. Es war jetzt natürlich nicht zukunftsgewandt. Es war schon voll retro, der ganze Abend, nichtsdestotrotz hatte ich Spaß und ich weiß nicht, ob es da draußen jetzt Leute gibt, denen man das verbieten sollte, auch Spaß zu haben auf der Bühne. Es war einfach nur eine Frage weil ich alle Fischmob-Alben habe …
KOZE: Ich glaube, wenn ich jetzt keine Musik mehr machen würde und nicht mehr an neuen Sachen Spaß hätte, wäre es viel relevanter für mich. Oft kriege ich auch mit, dass Grandmaster Flash und DJ Hell in der Philharmonie in Luxemburg aufgelegt haben. Das war so ein irrer Mix, ein irres Booking am Abend und dann hat Flash völlig unpersönlich so eine Greatest Hits aus 100 HipHop-Classics aneinander gereiht. So eine Traktor Liste eben. Dann lief ein Lied nur rund 20 Sekunden. Dann denke ich mir halt auch, der reist jetzt hier rüber, dann nimmt der seine Scheine mit, und das war es. Da hat man schon das Gefühl – das ist die Ami-Attitüde. Das war ja früher schon so, aber da hat man das nicht gemerkt und jetzt ist das glaube ich so: Ja ihr wollt Public Enemy, aber dann wollen wir auch das und das haben und dann nehmen wir aber auch Flavor mit.
FAZEmag: Ich hab Flash einmal live erlebt in Ravensburg im Douala – einer der Helden meiner Jugend, und er hat dort dann nicht einen Übergang hinbekommen. Es war katastrophal. Er ist zwar mit Vinyl gekommen. Mit seiner Louis Vuitton-Plattentasche und einem Träger. Es war letztendlich aber total fürn Arsch. Vielen ist es nicht aufgefallen, aber ich war total enttäuscht. Hat für mich auch so das Ende einer Ära bedeutet. Aber wir reden ja nicht über mich oder Flash sondern über DJ Koze.
FAZEmag: Kommen wir jetzt mal zu deinem aktuellen Remix-Album, deiner bereits dritten Werkschau. Nach welchen Kriterien suchst du deine Remixes aus? Also Mathew Herbert mag ich auch noch von früher. Großartig! Würde ich sofort auch remixen. Caribou ist glaube ich auch ein Act, den man gut finden muss, wenn man sich für elektronische Musik und so ein bisschen Indie-Einflüsse interessiert. Ob man jetzt Super Flu gut finden muss und Who Made Who weiß ich nicht.
KOZE: Ja also es macht für mich dann Sinn, wenn von beiden Seiten aus Respekt da ist. Also ich bekomme jeden Tag 1.000 Anfragen von irgendwelchen Künstler, deren Namen ich nicht kenne, von denen ich noch nie etwas gehört habe. Es ist ja anscheinend normal zur Zeit, dass Leute, die ein neues Label gründen, gerne dann auch einfach einen Namen auf dem Label haben. Das ist aber eigentlich nicht so meine Idee.
FAZEmag: Na ja, das ist eben Marketing.
KOZE: Ja es ist Marketing. Aber wenn man jetzt gegenseitigen Respekt hat, wie bei Herbert, der Einfluss auf mich hatte und zum Teil Inspiration, dann ist das natürlich sehr schön. Manchmal kennt man auch die Band gar nicht so gut, findet aber den Song klasse oder es kommt über den Freundeskreis. Wie bei Who Made Who, da weiß ich gar nicht mehr, woher das damals gekommen war. Manchmal trifft einen so eine Anfrage dann auch genau im richtigen Moment und dann mag man die Stimmenspur oder es ist irgendwas Inspirierendes dabei, und das merkt man relativ schnell. Bei Super Flu mochte ich zwei Stücke sehr sehr gern von dem Album, das haben sie mir mal geflankt. Richtig gern sogar, das eine heißt „Gather“ und dann das und ich glaub noch ein drittes. Zuvor hatte ich aber noch nichts von denen gehört. Ja und dann trifft einen das im richtigen Moment. Ich kenne das auch von Kollegen, man ist inspiriert und kommt mit seinem eigenen Kram nicht weiter und dann ist es natürlich viel dankbarer, Remixes zu machen weil man nicht vom Scratch anfängt sondern eine Aufgabe lösen muss.
FAZEmag: Hörst du dir alle Remix-Anfragen an? Also alle Tracks?
KOZE: Manchmal skip ich so da rein. Meistens finde ich das aber uninteressant. Ich habe das Gefühl, ich weiß es auch nicht. Remixen ist eigentlich scheiße, es nervt total, kostet total viel Zeit und Kraft und Aufwand. Oft geht das dann auch einfach unter. Also dieser zweite Herbert Remix ist total untergegangen finde ich, dann der Gonzales-Mix. Es sind eben auch keine Peaktime-Brüller. Manchmal gehen da Wochen drauf und dann geht das Ding raus und es wird irgendwie nicht richtig gepresst oder das Vinyl klingt scheiße und dann verliert sich das so. Dann fragt man sich natürlich, wieso habe ich das jetzt eigentlich gemacht? In der Zeit hätte ich vier Stücke für mich selber machen können. An diesem Punkt bin ich jetzt angelangt und wenn ich das jetzt nicht irgendwie von vornherein spannend finde, dann habe ich auch gar kein Bock mehr, Remixes zu machen. Das ist jetzt auch quasi so mein Remix-Testament. Es gibt jetzt keine mehr und das hat noch einen schönen Abschluss so für mich.
FAZEmag: Aber du hast ja in den vergangenen fünf Jahren auch noch mehr geremixt.
KOZE: Nicht so viel mehr, Efdemin und dOP.
FAZEmag: Es hat mich überrascht, dass auf der CD zwei Remixe von Herbert enthalten sind und der aus Marketinggesichtspunkten interessante dOP-Mix nicht. Wie hast du die Mixe ausgewählt?
KOZE: Der Mix von dOP ist nicht so geil geworden und außerdem, marketingmäßig sieht man ja gleich, wie das losgeht. Mir ist das immer egal, ich habe das Gefühl, ich puzzle das so zusammen, wie ich das gut hören kann und was mir wichtig ist und einen langen Atem hat. Was man vielleicht auch tagsüber gerne hören möchte. Das ist ja zusammen gewebt wie ein Album, man kann das ja durchlaufen lassen. Es ist also nicht nur eine Sammlung von DJ-Tracks, das finde ich nämlich total uninteressant. Deswegen ist der Efdemin-Remix jetzt auch nicht drauf, weil ich den zu dark, zu lang und zu manisch fand. Das wäre dann so ein Skipper gewesen.
FAZEmag: Oder ein Abschluss-Track?
KOZE: Da finde ich den jetzigen aber besser, und ich ich habe das Gefühl, so läuft das schön durch. Mir ist das klassische Albumformat, wenn man schon eine CD macht, auch wichtig. Mit Intro, das man runterkommt, dass man sich nochmal anhört mit Kopfhörer. So war das auch bei meinem Album. Ich weiß, es ist nicht sehr chronistisch und die Leute sind auch nur noch an einzelnen Tracks interessiert, die sie sich dann bei Deezer oder Spotify markieren können. Aber ich finde, wenn man das macht, dann kann man das auch richtig machen und wenn es nur für sich selbst ist.
FAZEmag: Ich glaube nicht, dass die Leute nur noch Tracks haben wollen. Ich denke das ist eine Entschuldigung für viele Künstler. Nach außen hin wird kommuniziert: Ach, das ist doch ein Track-Business. Dabei besteht der Wille nach wie vor, sich enger mit einem Künstler zu befassen und zu identifizieren und ich glaube das wird es auch immer geben. Aber es ist nun mal einfacher, einzelne Tracks zu veröffentlichen als ein ganzes Album.
KOZE: So habe ich das noch nicht gesehen, aber ich habe auch das Gefühl. Als du vorher Caribou erwähntest. Man hat Lust, an einer Art Planeten anzudocken, der einzigartig ist. Ist ja irre, wenn ich mir die Charts anhöre, wie alles gleich klingt. Aber wenn man es dann geschafft hat, so eine eigene Welt zu schaffen und für einen bestimmten Sound zu stehen, dann hab ich auch das Gefühl, dass es Leute gibt, die andocken und das ganze Album zu hören und Bock auf mehr haben. Ich funktioniere auch so, wenn ich jetzt den Aphex Twin-Track gehört habe, da will ich sofort das Ganze hören. Von wo bis wo er seine Welt spinnt, aber ich habe keine Ahnung, ob das bei anderen auch so ist. Ich kann ja auch nichts anderes machen, als das was für mich immer noch lebendig ist und funktioniert. Deshalb werde ich damit auch nicht aufhören. So wie Sven wahrscheinlich nie mit USB spielen wird, werde ich auch immer denken, das Ganze muss irgendwie ein Album sein mit Cover, Artwork und wie ein Trip. Das ist mit meine Lieblingsbeschäftigung, so etwas auszuspinnen, wenn dann überhaupt mal genug Zutaten da sind um etwas zusammen zu kochen.
FAZEmag: Bist du zufrieden, wie dein Album gelaufen ist?
KOZE: Ja total. Ging gar nicht besser für mich.
FAZEmag: Warum?
KOZE: Ja, es ist null „in your face“ und das ist es, was ich vorher auch meinte mit 16Bars. Ich bin da auch etwas blind. Ich verstehe moderne Musik eigentlich kaum und mache einfach mein eigenes Ding. Ich kenne auch hier die ganzen Leute gar nicht. Also Richie Hawtin kenne ich, aber ich verstehe auch seine Musik nicht richtig. Also ich habe Respekt für ihn und was er zu Plastikman-Zeiten und allgemein für Techno gemacht hat. Aber ich verstehe die Verbindung nicht von Erfolg und diesem Sound. Ich habe das Gefühl, ich habe mit gar keinem etwas zu tun. Das ist natürlich auch ein großes Wagnis, denn das kann dann natürlich auch total stranden. Letztendlich habe ich da nicht viel Feedback beim Machen. Es ist ja auch keine Musik die ich selber auflege, größtenteils, vielleicht so zwei drei Nummern. Das ist so ein bisschen ein Blindflug, deshalb freue ich mich, dass es dann so eine Schnittmenge gibt mit dem was ich fühle und was ich spannend finde und dass es draußen auch geteilt wird in einer für mich doch überraschenden Dimension. Das finde ich super.
FAZEmag: Mit deiner Außenwirkung bist du auf jeden Fall ganz gut angekommen. In den Jahrespolls warst du ja auch ziemlich weit oben. Dein Album hat also in der Richtung sehr gut abgeschnitten, das ist ja auch eine Wertschätzung, die dir da widerfährt.
KOZE: Total, das bestärkt mich ja eigentlich noch mehr, die Galopperklappen dicht zu machen. Ich habe das Gefühl, die Abkehr bringt mich viel weiter als all die Musik, die einem zur Verfügung stünde im kreativen Prozess, als das mich die Musik inspiriert. Ich brauche natürlich auch Inspiration und bin auch immer auf der Suche.
FAZEmag: Wenn du dir die Inspiration nicht aus der Musik holen kannst, wo holst du sie dir denn dann? Bei Kunst, Büchern oder Architektur?
KOZE: Das wäre jetzt etwas vermessen. Ich lechze schon immer nach Inspiration, aber ganz oft kommt es von Techno und House. Ich möchte auch nicht immer die negative Rolle einnehmen, aber wenn man das eben schon so lange macht, wartet man eben immer auf die nächste Sensation und sie kommt einfach nicht. Es gibt gute Tracks, die amtlich und geile Tools sind, und das ist ja auch schon toll, aber diese Sehnsucht nach einer Sensation wie es auch bei dem Track von Aphex Twin war, die habe ich eben immer noch. Das ist auch unmittelbar gekoppelt mit elektronischer Musik, das hat man gar nicht so oft im Rock. Da kommt Empire Weekend oder Animal Collective und da heißt es schon: Wow, was machen die für Welten auf. Obwohl sie auch nur mit Gitarre, Schlagzeug, Bass und Gesang spielen, aber das Genre steht nicht so für Sensationen. Das ist mehr so die gemütliche Weiterentwicklung von etwas, das man kennt in einer neuen Zusammensetzung. Bei elektronischer Musik ist immer die Sensation möglich, finde ich, das hat noch nicht nachgelassen. Da kann immer einer um die Ecke kommen und du denkst: Was ist das denn jetzt? Das ist es auch, was mich immer daran interessiert hat.
FAZEmag: Wann hattest du das zuletzt?
KOZE: Ich glaube, als ich dieses James Blake-Lied gehört habe, bei dem dieser Synthie so laut kommt. Da hatten wir ihn sogar mal angeschrieben, bevor er Superstar wurde, weil ich dachte, das wäre der Hammer für Pampa. Dieser Gesang, die Sanftheit und die Brutalität, das hat mich total umgehauen. Er ist jetzt leider auch in so ein Popstar-Ding gerutscht. Da gab es – glaube ich – ganz viele Jungs wie mich, die dieses alte Klavierstück abgefeiert haben, aber das alles ist jetzt nicht mehr. Das Rohe, Unfertige fand ich noch richtig spannend, aber dann kam das Klavier dazu und dann kann ich mir auch was anderes anhören.
FAZEmag: Wie ist denn deine Meinung dazu, dass DJs jetzt meinen, Konzerttouren spielen zu müssen? So wie Paul Kalkbrenner, Boys Noize etc.
KOZE: Das kann ich total verstehen. Finde ich geil, würde ich auch gerne machen. Dann müsste ich nur einmal raus in die Westfalen-Halle und alles wäre gut. Aber ich glaube, Paul ist auch das absolute Ausnahme-Phänomen.
FAZEmag: Pampa Records ist dein Label. Ich habe das Gefühl, dass da am Anfang mehr passiert ist, dass es da mehr Hits gab als jetzt. Ist das nur meine Wahrnehmung?
KOZE: Nein, also ich habe auch das Gefühl, und wir haben jetzt auch wenig in der Pipeline. Also die „Blaue Moschee“ war die Initialzündung, um ein Label zu gründen und von da an kam immer irgendwie was von sich aus oder auch nicht. Wir unterscheiden uns auch von anderen, die ja wirklich immer so einen stringenten Plan haben. Die haben tatsächlich einen richtigen VÖ-Turnus, um die Kosten zu stemmen, so nach dem Motto, wir brauchen eine Maxi im Monat und drei Alben im Jahr. Aber bei uns ist das irgendwie nicht der Fall, lustigerweise sind wir auch gar nicht so offen für alles und uns gefällt auch nicht so viel. Also ich hätte viel mehr Lust, Hits und alle zwei Monate eine frische Maxi zu haben, aber irgendwie geht das nicht, denn wenn wir nichts fühlen, fühlen wir es nicht. Bei uns ist es ganz wichtig, dass wir Profil bewahren und das erzeugen wir vor allem durch das, was wir nicht machen. Wenn es irgendwie Random wird oder „irgendwie ganz okay“, dann habe ich da überhaupt keinen Bock drauf. Was es für mich auszeichnet, ist dass es immer einen speziellen Twist hat. Meistens ist es so, wenn wir das Gefühl haben, hier schläft so langsam alles ein, dann kommt von allen Seiten was. Auf den Moment warte ich jetzt nur schon ziemlich lange.
FAZEmag: Bekommt ihr zu wenig Demos?
KOZE: Das nicht, aber das ist alles nicht so interessant für mich. Aber dann plötzlich kommt Rajko (Isolée – Anmerkung der Red.) mit einer Nummer und Gabor (Robag Wruhme – Anmerkung der Red.) vielleicht und dann kommen alle zusammen. Aber Gras wächst nicht schneller, indem man daran zieht. Alle unsere tollen Typen, die da mitmachen, das sind ja nicht so viele, die arbeiten ja und wenn es nicht läuft, dann läuft es eben nicht. Aber wenn sie was abliefern, dann ist das auch immer ein Knaller, aber das lässt sich nicht forcieren. Ich finde das viel besser, wenn das so eine Sammlung von Edelweiß ist, als wenn man auf einem Niveau abliefert, bei dem es einen nicht mehr umhaut.
FAZEmag: Denkst du nicht, dass man Gefahr laufen könnte, dass die Leute Pampa dann gar nicht mehr auf dem Zettel haben?
KOZE: Das kann ich ja nicht ändern. Es wäre sehr schade und vielleicht ist es auch so, aber ich kann daran nichts ändern, wir können uns ja keine Musik aus den Rippen schneiden, die wir fühlen. Aber das ist es eben, was uns auch besonders macht und uns auszeichnet.
FAZEmag: Es gibt ja auch diese Labelpolitik, die ja viele Labels verfolgen oder verfolgt haben, bei der der Chef eine Platte ziemlich gut findet und die auch oft spielt, so wie der Sven das auch früher immer gemacht hat. Und diese erscheint dann mit neuen eigenen Remixen auf dem eigenen Label. Das ist ja so ein gängiges Prozedere, um die Nummer dann auf dem eigenen Label heraus zu bringen. Aber du möchtest dann schon frische Sachen, die noch nirgends veröffentlicht worden sind?
KOZE: Im besten Fall ja. Und die Nummern, von denen du sprichst, die erreichen uns auch nicht. Es erscheint auch so schon so viel Musik. Ich bremse meine Künstler da auch. Wenn die sagen, ‚Scheiße, das Ding muss aber dieses Jahr noch kommen‘, dann sage ich nö. Die Welt braucht das jetzt nicht auch noch, sie braucht etwas ganz Besonderes. Wenn ihr nicht jetzt schon stolz drauf seid, dann ist es auch nicht das Richtige. Eigentlich kann man ja der Welt schon fast einen Dienst erweisen, in dem man nichts raus bringt. Und wenn es dann wirklich nur eine Nummer im Jahr ist und die ist besonders, dann ist es auf jeden Fall besser als nur so halbgare Scheiße, weil davon gibt es echt genug.
FAZEmag: Es erscheint wirklich sehr viel. Ich war jetzt bei der Veranstaltung 25 Jahre DigDis in Stuttgart, da ging es in einem Panel um die Zukunft der elektronischen Musik. Da saß ich mit Konstantin Sibold und jemandem von Beatport, der erzählte, dass jede Woche 5.000 Tracks erschienen.
KOZE: Die armen Leute, die das klassifizieren und beschreiben müssen, die dann die Meta-Daten erarbeiten müssen, die sich um die Snippets kümmern, Pressetexte schreiben und Promo machen müssen. Das ist doch voll anstrengend. Acht Stunden am Tag musst du dich mit der Musik beschäftigen. Nicht können, sondern müssen, das macht es dir doch kaputt, und das ist wahrscheinlich bei jedem Genre so. Also das heißt nicht, dass man im Sound nicht variieren sollte, aber man darf eben Qualität nicht mit Quantität verwechseln.
FAZEmag: Da bist du jetzt natürlich auch in einer guten Position, weil du das nicht machen musst. Du verdienst wahrscheinlich genügend Geld beim Auflegen.
KOZE: Es ist so oder so gut, wenn man nicht abhängig ist von dem, was man als Leidenschaft hat.
FAZEmag: Das ist ja wie bei Sven, der müsste Cocoon Recordings auch nicht machen.
KOZE: Aber das ist heutzutage auch weniger der Grund, ein Label zu machen. Da sagen dir auch gleich zu Beginn genug Leute, dass du damit kein Geld verdienen kannst. Es fahren ja auch alle mehrgleisig. Aber es ist natürlich eine lukrative Idee, das Leben mit der Musik, die man liebt zu bestreiten. Aber ist eben nicht einfach und alle sind immer breiter aufgestellt, von DJ, Produzent bis Booker.
Interview: Sven Schäfer
Text: Julian Haussmann & Sven Schäfer