Drumcomplex – Spätherbstoffensive

Drumcomplex – Spätherbstoffensive
Endspurt. 2015 geht zu Ende, da wird im Hause Drumcomplex nochmal eine ganze reihe an EPs veröffentlicht, nachdem es in den vergangenen Monaten eher zuging. Arnd Reichow, der Mann hinter Drumcomplex, war aber keineswegs inaktiv, sondern clubtechnisch viel unterwegs und hat zusammen mit dem Niederländer Roel Salemink hier und da einen remix veröffentlicht. Und überhaupt, Roel ist mittlerweile ein fester Partner, was den musikalischen Output angeht – nicht erst seit dem gemeinsamen Album auf Jon Rundells und Carl Cox’ Label Intec aus dem letzten Jahr, wie uns der gebürtige Emmericher im Interview erzählt.

Warum gerade jetzt – zum Ende des Jahres – diese Ladung an Veröffentlichungen?

Nach unserem Album „Crossing Borders“ auf Intec haben Roel und ich unseren Output zunächst erstmal heruntergefahren, um der Sache die benötigte Luft zu verschaffen. Im Laufe des Jahres haben wir immer mal wieder einen Remix veröffentlicht, unter anderem für Carl Cox und Eric Powell und ihren Track „Morrocan Chant“, der sogar zu einem kleinen Space-Ibiza-Hit avancierte. Nach der Sommersaison und dem Amsterdam Dance Event empfinden wir es jetzt aber als wichtig, wieder geballt auf dem Markt zu erscheinen und unseren Fans frische Tunes zu servieren.

Mit dabei ist auch ein Mix für die „Rhythm Distrikt“-Serie von Toolroom. Wie kam es zu der Zusammenarbeit mit dem britischen Label?

Wir sind schon längere Zeit in Kontakt und haben ihnen für die Serie zwei Titel angeboten. Die Jungs fragten uns dann, ob wir nicht Lust hätten, die „Best Of Rhythm Distrikt 2015“ zu mixen. Roel und ich haben aus 36 Tracks 14 ausgewählt und einen schönen, treibenden Mix aufgenommen – mit Tunes von Felix Kröcher, Mattew Jay, Loco & Jam, Skober, Alex Costa und von uns natürlich. Den Mix haben wir noch bei Conor Dalton von Glowcast mastern lassen, der dem Ganzen seinen ganz besonderen Sound verpasst hat.

Du arbeitest sehr viel mit Roel zusammen. Wie habt ihr euch kennengelernt, und wie seid ihr dann gemeinsam im Studio gelandet?

Wir kennen uns jetzt persönlich seid 2006, da hat er mich auf eine seiner Magnifique-Partys in den Niederlanden gebucht. Ein paar Jahre später, es war 2011, da rief mich Roel mal an, ob ich nicht Lust hätte, mit ihm ins Studio zu gehen. Die Zusammenarbeit hat auf Anhieb großen Spaß gemacht, und nachdem wir das erste Release auf Marco Baileys MB Electronics platzieren konnten, war uns klar, dass diese Zusammenarbeit gut läuft. Und nach diversen Releases auf Bush, Phobiq usw. entschieden wir uns, ein Album zu produzieren. Wir haben es komplett fertig produziert und gemastert und es erst dann an ein paar Labels geschickt. Unter anderem hatte es auch Carl Cox bekommen. Er hörte es im Flugzeug auf dem Weg in die USA und war sofort begeistert. Seine Worte waren: „Every track is a winner.“

Aber auch generell veröffentlichst du immer wieder EP-Kollaborationen mit anderen Künstlern. Was ist der besondere Reiz daran?

Ich freue mich immer über neuen Input. Ganz besonders Spaß gemacht hat mir dieses Jahr die Zusammenarbeit mit Niereich und Kevin de Vries. Sehr besonders war auch die Zusammenarbeit bei einem Remix, den Roel und ich mit Carl Cox für Bush Records produziert haben.

Läuft das immer reibungslos, oder merkt man auch schon mal, dass DJ XY eigentlich ganz anders arbeitet und es dann eine schwierige Geburt wird?

Kollaborationen laufen durchaus nicht immer ganz reibungslos. Wenn man irgendwann an einen Punkt angelangt, an dem es einfach nicht voran geht, muss man sich auch dazu durchringen, das Ganze aufzugeben. Aber ich habe ein paar gute Partner gefunden und werde mit denen im nächsten Jahr auch weiter zusammenarbeiten.

2015 neigt sich dem Ende entgegen. Wie lautet dein Fazit? Was war besonders gut, was eher nicht so toll?

Ich bin sehr dankbar und glücklich, dass es Jahr für Jahr immer erfolgreicher wird. Ich habe viele gute Gigs im In- und Ausland wie Dubai, Ibiza, Österreich, Ukraine usw. gespielt. Für mich ist das nicht selbstverständlich. Klar, im Studio muss ich gut Gas geben, aber ein ganz besonderer Dank geht auch an meine Booking-Agentur Blakksheep mit Tina, Harald, Simo und Carole, die einen top Job machen – ebenso wie mein Manager Andre Brunsveld. Ich bin froh, so ein starkes Team hinter mir zu haben. Das einzige Tief, das ich zur Zeit spüre, ist, dass ich in Kombination mit meinem Daytime-Job, den ich das ganze Jahr noch ausgeführt habe, echt an meine persönlichen Grenzen gestoßen bin. Zum Ende des Jahres werde ich aber ein Sabbatjahr einlegen und mich voll und ganz um meine Musik kümmern.

Dein Bruder ist Tontechniker und mischt oft deine Musik ab. Hat er auch Einfluss auf deinen Sound?

Da mein Bruder fünf Jahre jünger ist, war mein Einfluss auf ihn zumindest in jungen Jahren immer größer. Im Laufe der Zeit hat sich das aber geändert. Daniel ist ein echtes Genie, wenn es ums Abmischen und Mastern geht. Unser Workflow sieht meist so aus, dass ich die Tracks bei mir im Homestudio schreibe und wir dann alle Spuren bei uns im gemeinsamen Studio importieren und abmischen. Daraus entstehen oft wieder neue Dinge und Ideen.

Du bist schon seit gut 20 Jahren aktiv. Wie bist du bei elektronischer Musik gelandet, was für Vorbilder hattest/hast du?

Ich komme eigentlich aus dem Metal- und Punkbereich. Anfang der 90er besuchte ich die ersten Discos und war sofort vom DJing und der für mich ersten Acid House-Welle fasziniert. Als ich dann ’91/’92 im Düsseldorfer Tor 3 „Pullover“ von Speedy J gehört habe, war es komplett um mich geschehen. Und von da an verbrachte ich meine Freizeit im Plattenladen und übte auf primitiven Plattenspielern. 1993 gab ich im alten legendären Far Out in Emmerich mein Debüt.

2014 hast du dein Label Complexed records gestartet. Was war deine Intention?

Ich wollte eine eigene Plattform für mich, aber ganz besonders für viele neue Künstler schaffen. Die Idee ist, diverse Spielarten von technoider Musik zu releasen. Im Laufe der Zeit haben wir 20 VÖs gehabt – Nummer 20 wird jetzt die erste Drumcomplex Solo-EP auf dem Label sein. Ich bin froh, viele neue Talente wie John V. , Kracht, Energun, Module:8 und Kevin de Vries gefunden zu haben. Mit Letzterem hat sich über das vergangene Jahr eine sehr enge Freundschaft entwickelt. Kevin ist auch als Labelpartner mit eingestiegen und ist maßgeblich an unserer Weiterentwicklung beteiligt. Wir haben einen sehr talentierten Grafiker aus Berlin gefunden, Theo Hillmann von Invitro Color, der die neuesten Artworks und Videos gemacht hat und mit dem wir auch weiterhin eng zusammenarbeiten werden.

Und wirst du dennoch in Zukunft deinen Output auf diverse Labels verstreuen oder dich auf Complexed konzentrieren?

Drumcomplex und Roel Salemink wird es EP-technisch exklusiv auf Intec und Bush Records geben, daran wollen wir definitiv festhalten, und wir sind froh, den vollen Support von beiden Labels zu bekommen. Für meine Solosachen werde ich 2016 mein Label nutzen und das auch weiter ausbauen.

Gibt es neue Albumpläne?

Roel und ich haben derzeit viele neue Tracks produziert, die werden wir aber im Laufe des kommenden Jahres auf diverse EPs verteilen. Ich habe mir fest vorgenommen ein Album auf Complexed zu machen, wenn ich meinen Daytime Job an den Nagel hänge. Ich halte euch auf dem Laufenden

Was hast du dir sonst noch für 2016 vorgenommen? Gibt es evtl. neue Kollaborationen?

Im Februar spiele ich mit Roel zusammen eine kleine Australientour. Wir arbeiten derzeit an unserem gemeinsamen Live-Act, den wir im Frühjahr auf den ersten größeren Veranstaltungen präsentieren werden, mehr kann ich leider dazu noch nicht verraten. Ich freue mich auch auf diverse Blakksheep- Showcases, die über das ganze Jahr stattfinden werden. Wir geben weiter Gas, versprochen! / Dr. Nacht

KURZ & KNAPP:
Meine erste Platte:

Laura Branigan – Self Control
Meine erste Platte auf dem Plattenteller:
T. Vee – U Are A Sucker (Rave 55)
Mein erster Gig:
1993 im Far Out, Emmerich
Meine erste Gage:
100 DM
Habe ich auf Tour immer mit:
Ohropax
Mein abgefahrenster Gig:
Club Comics in Varna/Bulagrien
Dieses Album höre ich gerade auf meinem MP3-Player:
Deftones – Koi No Yokan

Aus dem FAZEmag 046/12.2015