Etui Records: Dub Techno aus Dresden

Credits: Philipp Grønne

Im Kosmos der elektronischen Musik, die im Sauseschritt mutiert und ständig neue, nicht selten umstrittene Veränderungen hervorruft, markiert der Dub-Techno so etwas wie eine friedliche, geerdete Homebase, die ihrer Philosophie treu bleibt und sich von den Hochgeschwindigkeitsentwicklungen seiner Genre-Brüder und -Schwestern nur schwer beeindrucken lässt. Stolzer Bestandteil dieser zeitlosen Nischenmusik ist auch der Dresdner Oliver Hartmann alias Insect O., der seit 1998 das Dub-Techno-Label Etui Records betreibt. Wir haben ihn interviewt.

Erzähl uns kurz etwas zur Entstehungsgeschichte von Etui. Wie kam es dazu? Woher stammt der Name Etui?

Zusammen mit Freunden habe ich von 1996 bis 1998 den Techno Club Flugzeugwerft in Dresden organisiert. Wir hatten damals internationale Künstler wie Phuture 303, Mike Dearborn oder Heiko Laux zu Gast. Für mich bot der Club die erste Bühne, um meine Musik auch live zu spielen. Als der Club 1998 schließen musste, habe ich das Label Etui Records gegründet, um meine Musik zu veröffentlichen. Der Name bedeutet so viel wie “Hülle”, Etui ist also die Hülle für Musik.

Wie bist du zum Dub Techno gekommen? Was fasziniert dich an dem Genre? Was sind deiner Meinung nach die Wegbereiter dieser Musikrichtung?

In der Flugzeugwerft waren auch Porter Ricks als Live Act zu Gast. Mich hat die Monotonie und die hypnotische Wirkung in ihrem Sound fasziniert. Interpreten wie Basic Channel, Chain Reaction oder Maurizio sind für mich die Wegbereiter dieser Musik. Diese Klangästhetik und die daraus entstehende Wirkung ziehen mich noch immer in den Bann. „Solanus“ und „Elevation Pt.2“ von Vainqueur klingen auch nach 27 Jahren immer noch frisch. Mit Echocord, Van Bonn, Grayscale oder Primary [Colours] gibt es heute großartige Labels, die diesen musikalischen Weg weitergehen und neue Inspirationen einbringen. Der Sound klingt einfach so warm. Ich mag es, so einen Sound zum Warm-up zu spielen. Die Gäste sind dann immer ganz begeistert.

Wie würdest du den Style und die Philosophie von Etui im Kosmos des Dub Techno einordnen?

Auf der Etui 2 und 3 aus 1999 bzw. 2001 finden sich musikalische Verbindungen zum Dub Techno. Der Label-Sound hat sich über die Jahre aber auch stark verändert. Bei mir kam so im Jahr 2010 die Faszination und Rückbesinnung auf den Dub Techno Sound wieder. Seitdem führe ich das Label auch wieder alleine. Die Demo zu Monomood – Oktrosis hat mich so stark begeistert, dass ich die neue Vinyl Reihe „ETUI LTD“ gestartet habe. LTD steht dabei für Low Tech Dub. Seitdem sind 20 Vinyl Releases, sechs Etui Winter Camp Compilations und sieben rein digitale Releases mit Künstlern wie Andrea Cichecki, Van Bonn oder Alessandro Crimi erschienen. Gerade die Compilations bieten auch experimentellen Spielraum für Ambient bzw. allgemein ruhigere Musik.

Foto: Philipp Grønne

Wie entstehen deine Tracks? Du arbeitest viel mit Field Recordings, richtig?

Meine Musik würde ich nicht durchgängig als klassischen Dub Techno beschreiben. Da finden sich auch andere Einflüsse wieder. Die Entstehungsgeschichten sind ganz unterschiedlich. Meistens entstehen sie jedoch aus Jam Sessions an meinen Maschinen. Diese nehme ich als Mehrspur-Audio in Logic auf. Oft arbeite ich dann noch nach, setze Effekte ein oder lege Field Recordings drüber. Die meiste Arbeit findet jedoch am Mixdown statt. Da bin ich ziemlich pingelig und habe viele Lehrstunden im Studio verbracht. Manchmal sind dabei auch völlig neuartige Tracks oder Edits entstanden, wie zum Beispiel die Album Version von „Forest Of The Monkeys“. Eines Tages hatte ich einfach mal die Chord-Sektion geloopt, einen Phaser drüber gelegt und fand dies sehr hypnotisch. Die Schwierigkeit besteht oft darin, die Essenz des Tracks herauszukitzeln und die gewisse Emotion zu erhalten oder zu verstärken, die man im Moment der Aufnahme hatte. Das gelingt nicht immer.

Ein paar Worte zur neuen EP?

Meine Musik ist oft inspiriert durch das Reisen. Als dies während der Corona-Pandemie nicht möglich war, bin ich in die Sächsische Schweiz gefahren und habe mir auf der Basteibrücke die Sonnenuntergänge angeschaut. Nebenbei habe ich ein bisschen gefilmt. Im Studio habe ich die Audio-Spuren aus dem Filmmaterial extrahiert und über ein paar Chords aus dem Prophet 6 gelegt. So ist der Titeltrack „Sandstones“ entstanden. Die Sounds zu „Volca Dub“ habe ich schon vor zehn Jahren aufgenommen. Die Chords kommen vom Korg Volca Bass. In den letzten drei Jahren war nun genug Zeit, einen Track darum fertig zu bauen. Der dritte Track „Everlasting“ ist komplett live in einem Take am Modularsystem entstanden. Wenn ich mir die Aufnahme anhöre, merke ich, wie ich mich selbst in Gedanken verliere und dem Moment entfliehe.

„Sandstones“ [ETUILTD019] ist am 24. März erschienen. Hört mal rein:

Aus dem FAZEmag 134/03.2023
Foto: Philipp Grønne
https://soundcloud.com/etui-records