Eulbergs heimische Gefilde: Das sonderbare Neunauge

Das Neunauge ist schon ein wahrlich sonderbares Wesen. Unlängst wurde das Tier zum Fisch des Jahres 2012 gewählt. Und das obwohl es zoologisch gesehen gar nicht mal zu den Fischen gehört, sondern zu den sogenannten Rundmäulern. Denn im Gegensatz zu Fischen haben Neunaugen keine Kiefer sondern ein rundliches Maul, das mit rasiermesserscharfen Hornzähnen ausgestattet ist. Mit 500 Millionen Jahren ist das Neunauge das älteste lebende Wirbeltier. Seit so langer Zeit hat sich dieses „lebende Fossil“ im Körperbau kaum verändert. Es hat einen bis zu 75 cm langen, aalartigen Körper, der mit einem flossenartigen Rücken- und Schwanzsaum besetzt ist. Sein Name rührt daher, dass sieben Kiemen-Öffnungen, Nasenloch und Auge von der Seite zusammen wie neun Augen erscheinen.

In Deutschland gibt es vier Neunaugenarten: Bach- und Flussneunauge, Ukrainisches Neunauge sowie das Meerneunauge. Neunaugen laichen im Oberlauf von Bächen und Flüssen. Sie benötigen hierfür kiesigen Untergrund, der von kühlem, sauerstoffreichem Wasser durchströmt wird. Nach dem Schlüpfen vergraben sich die augenlosen Larven – Querder genannt – in sandigen Abschnitten. Der Kopf bleibt frei und filtert feine Nahrungspartikel wie Kleinlebewesen oder Pflanzenteilchen aus dem Wasser. Das wurmartige Larvenstadium ist die längste Phase im Leben der Neunaugen. Es dauert mindestens fünf bis sieben Jahre. Dann verwandeln sie sich schlagartig innerhalb von erstaunlichen drei Wochen zu einem vollständigen Fisch.

Während Bachneunaugen das ganze Leben im Süßwasser verbringen, handelt es sich bei Fluss- und Meerneunaugen um Wanderarten. Direkt nach der Umwandlung ziehen die erwachsenen Tiere ins Meer. Dort ernähren sie sich parasitisch, indem sie sich an Fischen festsaugen und mit ihrem Rundmaul die Haut aufraspeln. Dabei nehmen sie Blut und Fleischstücke auf. Zum Teil bohren sie sich sogar bis in die Körperhöhle des Opfers vor. Durch spezielle Substanzen in ihrem Speichel hemmen sie die Blutgerinnung, weshalb bei angegriffenen Fischen keine Blutgerinnsel entstehen. Forscher versuchen, diese Substanz aus dem Speichel zu extrahieren, um sie in der Medizin einzusetzen und Blutgerinnsel aufzulösen. Größere, gesunde Fische überleben solche Angriffe meist und behalten nur typische kreisförmige Narben zurück, kleinere Arten jedoch, Jungtiere und kranke Fische können daran sterben. Größere Neunaugen greifen vereinzelt in Küstennähe sogar Menschen an und saugen deren Blut. Die Bisse sind jedoch für den Menschen nicht giftig.

Nach wenigen Jahren wandern die Neunaugen wieder in den Oberlauf ihres Geburtsgewässers zurück, um zu laichen. Während der Wanderung in die Süßwassergebiete bildet sich der Darm zurück und die Nahrungsaufnahme erlischt komplett. Nach dem Laichakt sterben die Tiere dann an Entkräftung.

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