Finch im FAZEmag. Ok. Jetzt werden sich einige unter euch, die sich nicht tagtäglich auf www.fazemag.de tummeln, verwundert die Augen reiben. Aber lasst euch Folgendes gesagt sein: 1) Das passt. 2) Schaut regelmäßiger auf unserer Website vorbei. Die Zeiten von Rap am Mittwoch sind vorbei. Schon seit einiger Zeit heißt es bei Finch ‚Abfahrt‘. Und die darf sehr gerne auf einem Rave erfolgen. Und bei seinen Tracks tauchen eben nicht nur SDP, Alligatoah oder Marteria sondern eben auch Scooter, Le Shuuk oder Paul Elstak auf. Oder Blümchen. Sein aktuelles Album ist gerade auf Platz #1 der offiziellen Verkaufscharts gelandet. Punktlandung. Da haben wir gerne den Weg nach Berlin-Friedrichshain auf uns genommen, um im offiziellen Finch-Office an der Spree ein Berliner Kindl zu trinken. Prost.
Dein Album ist von Null auf #1. Glückwunsch. Wo hast du es erfahren?
Wir konnten es uns vorher schon ein bisschen denken. Man hat ja verfolgt, wie die Midweek Charts waren. Ich war gerade im Studio und hatte eine Telefonkonferenz, da hat mein Labelchef mir mittendrin gesagt, dass ich auf Platz 1 bin – war cool.
Hast du dann gefeiert?
Nee, wir haben an dem Abend noch so ein bisschen gemacht. Klar, Platz 1 ist schön. Wenn ich sagen würde, dass es mich nicht interessiert, wäre es Quatsch. Es interessiert mich schon, aber ich finde die Charts sagen immer wenig über Musik aus. Nur weil man auf Platz 1 ist, heißt es nicht, dass man die beste Musik macht und dass man der beste Musiker ist.
Das war ja noch nie so.
War noch nie so.
Ist das denn dein Anspruch, der beste Künstler zu sein?
Nö, mein Anspruch ist, dass die Leute zufrieden sind. Wenn sie nicht zufrieden sind, fickt euch. Ich mache trotzdem mein Ding so. Ich muss erstmal selbst zufrieden sein. Wenn ich Musik aber rausbringe, bin ich ja zufrieden damit, sonst würde ich sie ja nicht rausbringen. Mein Anspruch ist, dass die Musik ein bisschen langlebiger ist. Dass man auch noch in zwei, drei oder vielleicht sogar zehn Jahren sagt: „Cooler Song, lass den nochmal anhören“. Deshalb Qualität über Quantität.
Warum hat das Album so lange gedauert? Die Idee bestand ja schon recht lange.
Wir mussten das einfach verschieben wegen des schönen Inhalts. Die Herstellung von der Spieluhr hat einfach 1.000 Jahre gedauert. Als ich gesagt habe, dass wir das machen wollen, hieß es auf einmal, dass wir das nicht zu dem Zeitpunkt hinkriegen. Darum haben wir es geschoben. Geht ja nicht anders.
Du hättest den Inhalt ja ändern können.
Nee. Wenn man den Leuten eine Box für den und den Preis anbietet, dann muss da auch etwas Besonderes drin sein. Ich mache keine Box, nur, damit ich die Charts hochbumsen kann. Dass mir die Charts egal seien, kann man jetzt natürlich auch nicht sagen. Es wäre natürlich blöd, wenn wir jetzt auf Platz 20 gegangen wären. Eigentlich wäre alles unter Platz 2 scheiße gewesen, weil die letzten Alben auf Platz 2 waren. Und wenn du dann auf Platz 3 gehst, wirkt das wie ein Rückschritt.
Es kommt aber auch immer drauf an, gegen wen man verliert.
Das stimmt. Beim letzten Album war es GZUZ und der hat gut verkauft und macht in meinen Augen gute Mucke, deswegen ist das ok. Mir war wichtig, dass, wenn ich die Box rausbringe, der Inhalt krass und cool ist, und dass die Leute zufrieden sind. Deswegen war das längere Warten ok.
Was ich bei dir ganz cool finde, ist dass du total nah bei deinen Fans bist. Also ich habe da ein paar Bilder gesehen, auf denen du Leuten vor dem Mediamarkt dankst, dass sie das Album gekauft haben. Sehr nah an den Konsument*innen, das kannte ich so nicht. Wie kam es dazu – war es dein Management, das dir diesen Vorschlag gemacht hat?
Mein Management hat mir gar nichts zu sagen. Nein, das klingt blöd. Aber das Gute ist, dass ich meinen eigenen Kopf haben kann und selbst entscheiden kann. Und so bekomme ich natürlich manchmal Tipps, nicht wieder gegen den und den zu schießen. Ich bin ja ein bisschen cholerisch unterwegs. Wenn jemand etwas kauft von mir, dann sage ich natürlich danke schön. Streams sind auch wichtig, aber ich finde, dass ein CD-Kauf wertiger als ein Stream ist. So einen Stream kannste kostenlos im Internet machen. Beim CD-Kauf geht jemand in einen Laden, das ist mir viel mehr wert. Die Sache mit den CDs stirbt ja ein bisschen aus. Ist genauso wie wenn man eine Box bestellt. Das machen ja nur die Hardcore Fans – oder die Ebay Hunter, die das teuer verkaufen wollen. Aber jeder Fan, der eine Box bekommen will, bekommt auch eine, wenn er rechtzeitig da ist.
Mal etwas anderes, machst du Musik zum Saufen?
Habe ich mal gehört, ja. Ab und zu auch zum Alkohol. Also ich mach jetzt nicht direkt Musik dafür, aber die Leute hören es gerne dabei. Ist ja schon eher Unterhaltungsmusik. Seltenst ernste oder kritische Themen. Die rummelbummsigen Sachen haben ja trotzdem manchmal eine Message. Aber mir geht es auch schon darum, dass die Leute gute Laune haben beim Hören. Ich will jetzt nicht Lea- oder Mark-Forster-mäßig Musik machen, wo es nur darum geht, mein Ex-Freund und traurig, ich steh‘ wieder auf, bin eine starke Frau und ich denke an dich und ich weine. Ich will den Leuten keine Bad Vibes verbreiten.
Bad Vibes gibts ja immer im Hip-Hop. Das macht das Ganze ja auch ehrlich. Wie oft hat Fler schon gegen andere geschossen? Und im Nachhinein haben sie dann trotzdem etwas miteinander gemacht. Aber du hältst dich da schon eher raus? Ich habe z.B. gelesen, dass du 187 gut findest, die Punchlines von denen, dass sie einen guten Job machen. Aber du beteiligst dich nicht so an diesem Hip-Hop-Ding.
Möchte ich auch nicht. Was bringt mir das? Was bringt mir das, wenn ich jetzt gegen irgendwelche Leute schieße und dann dieser ganze Krieg im Internet, sich mit den ganzen Fans und Bots rumzuärgern. Ich habe da gar keinen Bock drauf. Ich mache mein Ding. Das Gute ist, dass ich ja eh nicht in diesem klassischen Hip-Hop stattfinde. Die Leute vom Hip-Hop akzeptierten mich nicht, die sagen: „Der ist nicht real“, „Der ist nicht Deutschrap“.
Ist das so?
Ja, definitiv. Klar, Ausnahmen gibt es. Marteria und die Leute, mit denen ich zusammenarbeite. Aber wenn du so siehst, die Magazine oder die Deutschrap-Medien missachten mich. 100-prozentig. Da kommt ab und zu mal ein Post, aber lächerlich, wenn ich überlege, was ich 2009 abgerissen habe und was meine letzten drei Alben, selbst die EP, die auf Platz 2 war, verkauft haben. Und jetzt wieder auf Platz 1. Und es geht auch mal um die verkauften Einheiten, denn das ist nämlich entscheidend. Platzierung ist ein Scheißdreck. Du kannst mit 10.000 verkauften Einheiten auf Platz 2 gehen, du kannst aber auch mit 2.000 auf Platz 1 gehen. Also das ist uninteressant. Und die missachten einen schon, weil du jetzt nicht diese typische Rapmucke machst, was jetzt gerade angesagt ist oder so. Und die Leute vom elektronischen Bereich, wo ich ja auch mit der Mucke bisschen reinrutsche, sagen sich „Das ist Rap“. Deswegen befindet man sich in seinem eignen Kosmos, schafft sein eigenes Sub-Genre, was ja auch eigentlich auch gut ist.
Woher kommen deine Hörer*innen?
Selten von Playlisten. Es ist ganz selten, dass mich irgendwelche Playlisten pushen. Was natürlich für die Streams ganz interessant ist: Oh der Song hat so und so viel Streams, aber mich interessiert das nicht so. Klar, wenn er richtig floppt, ist es nicht cool, die Kosten des Videos und dies das müssen schon gedeckt sein. Aber ob der Song jetzt nun 30, 20 oder 15 Millionen Streams hat – die Zeiten sind vorbei, dass ich mir darauf einen keule und mir das angucke. Wenn dein Song gehört wird, weil Leute den mögen, auch wenn er nicht so viele Streams hat, aber du weißt, dass deine Fans den hören, auch wenn es nur 20 000 Leute sind, und diese dann auch zu deinen Konzerten kommen, dann habe ich doch viel mehr gewonnen, als wenn deine 150 000 Hörer deine Mucke nur im Radio hören. Klar hast du deine Knete und dies das. Aber ich bau ja alles auf mein Live- Business auf. Und wenn die Mucke perfekt für das Live-Business ist, und die Leute dann da sind, ist doch alles geil.
Aber deine Anfänge, da muss ich doch mal eben drauf zurückkommen, die lagen ja schon im ‚richtigen‘ Hip-Hop und Battle-Rap, Rap am Mittwoch zum Beispiel. Da warst du ja schon in der Szene drin.
Bin ich ja auch noch irgendwie. Aber die Szene hat nichts mit den Deutschrap-Medien zu tun, die ich meine. Es ist ein guter Einstieg, aber der deutsche Battlerap wurde ja sozusagen komplett vernachlässigt. Die Leute bei Rap am Mittwoch haben sich genauso darüber aufgeregt, dass viel zu wenig über dieses Format berichtet wird. Im Endeffekt hatten wir einen extrem guten Nachwuchs – wir waren gefühlt der Ajax Amsterdam des Deutschraps. Bei uns kamen die ganzen Leute, Capital ist Rap am Mittwoch, und das ist jetzt der erfolgreichste Deutschrapper. Aber selbst in der Battle-Rap-Szene war ich jetzt nicht der Vorzeige-Battle-Rapper. Ich war nicht bekannt für meine krass durchdachten Lines und meine krassen Pattern – habe ich auch keinen Fick drauf gegeben. Ich wollte nie so extrem Hip-Hop sein, wollte nie so Teil der Szene sein, will ich auch heute nicht. Ich habe meine eigene Hörerschaft und dann ist das auch cool.
Wie nennst du dein Sub-Genre?
Finch. Einfach nur Finch. Ist jetzt nicht so wie bei Rammstein. Die haben ja das Genre ‚deutsche Härte‘ geschaffen. Das war damals halt etwas Neues. Ich würde meiner Sache jetzt keinen anderen Namen geben, vielleicht kommt ja irgendwann mal einer. Aber aktuell ist es einfach nur Finch. Es ist auch schwierig, wenn Leute fragen, was machst du denn, und ich zeig denen meine Musik und sage, ich mach Deutschrap, dann lachen die. ‚Das ist doch nicht Deutschrap‘, sagen die dann. Und wenn ich dann aber sage Techno, dann sagen die, ‚Ist ja wohl nicht Techno‘.
Eher Rave.
Ja, es ist Rave, aber irgendwie auch mit Text. Ich habe ja Schlager-Songs, Popsongs, Metal-Songs – ich habe ja alles irgendwie. Ich mache alles, worauf ich Bock habe. Ein bunter Mix aus allem. So kann sich jeder etwas rauspicken, was er cool findet. Ich möchte auch für jede*n so ein bisschen was anbieten – auch für jede Musik. Rave oder House-Musik kann ich nicht immer hören. Bei Finch kannst du dir am Tag eine ruhige Nummer geben (ich habe ja auch Balladen, Roxette-Cover sozusagen) und am Abend kannst du zu der harten Mucke abfeiern. Und am nächsten Tag beim Katern kannste dir die Deutschrap-Tunes, die richtigen Boom-Bap- Rap-Sachen reinziehen.
Wir haben jetzt nicht so ultra-viele Bezugspunkte zu Hip-Hop. Aber „Abfahrt“ ging bei uns online sehr steil, mehrere hundert Likes und Kommentare. Das Feedback war durchweg positiv. Es hat niemand geschrieben, ‚ey, was will jetzt der Hip-Hop-Fuzzi hier‘. Ganz im Gegenteil. Alle haben gesagt, ‚das ist ein Song für Abfahrt‘. War das der erste in dieser Richtung, den du gemacht hast, oder war das der erste, der so richtig erfolgreich geworden ist?
Also der war ja auch auf meinem ersten Album drauf. Da sind auch andere Sounds, die ähnlich sind. „Eskalation“ geht auch in den elektronischen Bereich. Davor war klassisch Boom Bap Rap. Und dann kam „Fick mich Finch“, was ja Technotronic ist, so Pump up the Jam. Deswegen war es schon einer der ersten Songs, aber der wurde zeitgleich aufgenommen mit anderen Songs, die zum Album im März rauskam, wo der Song ja schon im Dezember rauskam. Aber für viele Leute war es der erste, ja.
Wie ist der Song entstanden? Wie bist du auf die Idee gekommen?
Die Holland-Gabber-Sachen feiere ich. Ich bin ein großer Paul Elstak-Fan, mittlerweile ja auch mein Feature Gast. Bei mir ist das meistens so, die Mucke, die ich damals gehört habe, entdecke ich dann für mich wieder. Manchmal habe ich Tage, da fahre ich rum, da höre ich nur Alan Jackson, nur Country Music. Und dann habe ich einfach Bock, einen Country Song zu schrieben. Und so zu der Zeit habe ich halt viel Happy Hardcore gehört und solche Sachen. Was man ja auch beim späteren Album gehört hat, wo dann so Technoheads à la „i wanna be a Hippie“ vorkamen oder der Song mit Marteria. Das ist so das, was ich irgendwie feiere. Und zu der Zeit, zu Abfahrt, habe ich halt Musik gehört, die so ähnlich klingt.
Bist du als Jugendlicher auf solchen Raves gewesen?
Nee, da war ich ja viel zu jung. Außerdem war ich da noch in Brandenburg. Ich kam ja aus meinem Mikrokosmos gar nicht raus. Und in Brandenburg gab es sowas nicht. Wahrscheinlich eher in Westdeutschland wegen der Nähe zu Holland. Das hat man dann nur im TV mitbekommen. Oder damals Sunshine live im Radio hat man sich angehört. Aber ich war jetzt nicht auf irgendwelchen Veranstaltungen wie Love Parade oder so.
Du bist ja auch total jung.
Ich bin 90er. Da war ich 10 oder 12, 1998 oder 2000, da wo die geilen Loveparades waren, da war ich 10 Jahre alt. Meine Mutter hätte mich grün und blau geschlagen. Ich hätte gar nicht mit dem Zug fahren können, hätte keine Erlaubnis bekommen.
Teilweise finden sich auf dem Album sehr abstruse Features. Blümchen muss man mir mal erklären, wie du darauf gekommen bist.
Ich bin einfach Fan. Ich feiere Blümchen. Das kennt man. „Boomerang“, „Herz an Herz“ und solche Sachen. Wer in den 90er oder 2000er aufgewachsen ist, kann mir nicht sagen, dass er Blümchen nicht kennt. Man muss sie nicht gut finden – ich find sie gut, sonst hätte ich kein Feature mit ihr gemacht. Aber man kann nicht sagen, dass man sie nicht kennt. Das ist für die Leute einfach ein Schritt, um zurück in die Vergangenheit zu reisen. Für mich ist es ein Jugendtraum, genau wie Scooter, mit denen ein Feature zu machen. Auf meinen Partys laufen heute immer noch Scooter und Blümchen. Als wir damals beim Festival waren, da lief immer Blümchens „Verrückte Jungs“, einer unser Lieblingssongs in unserer Gang. Und zu den Songs hast du so viele Abende durchgefeiert. Und dann hast du die Möglichkeit ein Feature zu machen, dann machst du das natürlich auch. Ohne daran zu denken, wie kommerziell erfolgreich die Sache jetzt ist. Vor meinem Feature mit Blümchen lagen ihre erfolgreichen Zeiten schon lange zurück. Es gab zwar zwei Comeback-Songs, aber die waren nicht so erfolgreich wie der unser „Herzalarm“-Song. Und der Song ist geil, perfekter Name und das Video und drumherum. Die Nummer kommt gut an. Das hat jeder mitbekommen. ‚Watt, Blümchen hat wieder Mucke?‘ Auch wenn ich heute mit Leuten rede, und die nicht wissen, was ich mache. ‚Ja kennst du Blümchen‘, frage ich dann, ja, mit der habe ich einen Song. ‚Wie, mit der hast du einen Song‘, kommt dann immer. ‚Die hat doch schon vor 20 Jahren Mucke gemacht‘. Und dann zeigst du denen den Song und dann kommt: ‚Der klingt ja wie damals‘.Das ist ja irgendwie auch Kunst. Anstatt irgendwie Stangenware zu machen, das was alle machen, mit dem Fahrwasser mitzuschwimmen, baue ich einfach meinen eigenen Fluss. Selbst wenn es irgendwann mal nach hinten losgeht und es nicht mehr läuft, dann kann ich einfach meinen Enkeln oder den Kids auf der Straße erzählen, was ich damals gemacht habe. Deswegen, Features finde ich immer geil.
Darum hat das Album auch so viele…
Ja, das Album hat elendig viele Features. Viele Leute sagen da auch: ‚kauf mir ein Album von Finch, aber höre nur gefühlt 10 Minuten Finch‘. Darauf kommt es ja gar nicht an. Bei so einem Feature geht es ja nicht darum, wie viel Textanteil hast du. Ein Song entsteht ja aus der Zusammenarbeit von mehreren Personen. Die Produzenten werden ja zum Beispiel immer vernachlässigt. Du hast ja als Künstler maximal immer nur 50% Anteil, außer du produzierst den selber. Aber der Produzent ist ja genauso dran beteiligt wie du, der hat ja seine Arbeit auch mit eingebracht. Mir war es wichtig bei „Rummelbumms“, irgendwie alle Leute zu vereinen und trotzdem eine Brücke zu schlagen zwischen Scooter, Marteria, Paul Elstak, Esther Graf und SDP.
Wie ist es mit Scooter? Ich dachte, dass dein Album bei Kontor kommt, denn Jens Thele lässt sich ja sowas nicht entgehen, wenn er merkt, da geht irgendwas.
Wir haben ja schon mal damals einen Single gehabt über Kontor, die Bassdrum-Nummer damals. Die hat halt damals gepasst. Hätte ich weiterhin nur Rap, Rap, Rap, Rap am Mittwoch Rap gemacht und nicht „Abfahrt“ gemacht, wäre es wahrscheinlich nicht dazu gekommen. Aber HP ist ja kein Künstler, der sich zu 100% ernst nimmt und nur kritische Sachen macht. Der macht ja auch Unterhaltungsmucke und will die Leute zum Strahlen und Lachen bringen. Ist natürlich trotzdem eine Legende. Deswegen hat es gepasst. Ich bin ja auch Fan.
Ich finde Scooter auch unterhaltsam. Früher waren die natürlich das Feindbild für uns, in der frühen Techno-Zeit. Ich habe sie jetzt auch paar Mal live gesehen. Fand alles unterhaltsam, bis auf die Tatsache, dass er Sisters of Mercy gecovert hat. Das war schon hart. Scooter ist ja auch eine Inszenierung, HP weiß ja, dass er nicht rappen kann.
Ich kann ja auch mal sagen, Erfolg also kommerzieller Erfolg ist nicht wichtig, aber über solche Zeit, so viele Fans, auch international zu haben – irgendwas muss er ja richtig machen. Scooter ist ja jetzt nicht nur Trash. Es gibt aber bei uns Leute, die sowas sagen. Bei uns sind es die, ich nenn sie Hip-Hop-Nazis, die sagen ‚nur das was wir machen, ist richtig, alles andere ist scheiße‘. Die gibt es ja in jedem Genre, Für die bin natürlich wahrscheinlich auch irgendwie ein Feindbild, definitiv. Weil ich ja irgendwie zwischen allen Genres hin und her hüpfe.
Kriegst du böse Nachrichten?
Nee, aber du wirst halt als schlecht dargestellt. Klassiker: Auch wenn ein Song noch nicht mal draußen ist, hast du schon 10 dislike Buttons. Dann fragt man sich schon, was hatest du denn jetzt, dass ich einen Song herausbringe, oder was? Was ist denn dein Problem? Wenn ein Beitrag nicht auf meinem Account erscheint sondern woanders, dann gibt es Kommentare wie: ‚Rückständige Rummelbummsmusik‘. Deswegen habe ich das Album so genannt. Weil es ja auch passt. Rummelbumms ist ja nur Rummelbumms. Ja es ist Rummelbumms, und trotzdem ist Rummelbumms Platz 1. Wenn ich mir wie Scooter über so eine lange Zeit solch eine Fanbase formen kann, wenn ich dann in 20 Jahren ein ‚‘Best of Finch‘ machen kann, dann habe ich doch alles richtig gemacht.
Du hast ja gesagt, dass du an deiner Tour arbeitest, dass das der Hintergedanke ist, dass du halt auch viel machst, um deine Tour auf die Beine zu stellen. Wann und wo ist die denn?
Ich habe so viele Sachen abgesagt in der Vergangenheit. 2019 waren wir fast jeden Tag unterwegs gefühlt mit 80 Auftritten oder so. Festivals dies und das. 2020 hatten wir noch paar Autokinokonzerte mit einer Tour, aber 2021 haben wir nur verschiedene Clubgigs gemacht. Jetzt sind halt Festivals diesen Sommer, aber ich habe so viele Sachen abgesagt. Ich habe erst zu Silvester wieder mein Silvesterfestival, was ich selber veranstalte, abgesagt. Meine Finchies Love Tape Tour mit 50k verkauften Karten haben wir auch abgesagt. Nach den ganzen Absagen habe ich gesagt, bevor ich nicht zu 100% die Gewissheit habe, dass wir unter normalen Bedingungen auftreten können, kündige ich erstmal nichts mehr an. Gerade bei elektronischer Musik brauchst du Körperkontakt, du brauchst die Leute, du brauchst es eng, du willst abgehen, ich mach halt keinen Poetry Slam, bei dem du sitzen bleibst. Also dieses Jahr gibt es erstmal die ganzen Auftritte auf Festivals und Clubgigs und dies das, Und ab nächstem Jahr soll es dann wieder richtig losgehen. Aber das Problem habe ja nicht nur ich. Man kann auch 2g plus machen, Aber mit Maske und so geht für mich als Livekonzertgänger oder Festivalgänger gar nicht.
Was ich mir vorstellen könnte, dass du aufgrund des Album viele Anfragen von elektronischen Events bekommt, wie World Club Dome oder so.
Ja, dieses Jahr sind wir aufm Parookaville. 2019 waren wir schon auf ein paar elektronischen Sachen: Helene Beach, Electrosize, Havelbeats in Potsdam und auf ein paar kleineren Festivals hier in der Nähe. Ich trete aber auch aufm NovaRock Festival auf, das größte Rock Festival in Österreich, das Wacken von Österreich. Deswegen sage ich ja, hier findet irgendwie kein Genre statt. Zeig mir mal nen anderen Künstler, das wäre wahrscheinlich so Trailerpark damals, Alligatoah, der kann auf mehreren Hochzeiten tanzen, ist aber ganz cool. Frage ist natürlich immer, wenn du auf sowas wie Wacken auftreten würdest. Die hassen ja Hip-Hop wirklich tot. Da habe ich mit Basti von Trailerpark mal gequatscht, der meinte, Digga, die stehen da einfach nur und nicken. Du kannst es nicht erwarten, wie du es normal erwartest, dass die Leute komplett abgehen. Aber die waren trotzdem zufrieden. Da musst du dich dann wieder ein bisschen beweisen. Aber die Zeiten habe ich bei Rap am Mittwoch durchgemacht. Da bist du auf die Bühne gegangen und kannst dir sicher sein, dass dich paar nicht mögen. Deswegen sind eigene Touren geiler. Da kannste dich auf die Bühne stellen und dich vollscheißen, die Leute feiern und finden es cool, denn die haben Geld für dich bezahlt. Die dürfen gar nicht schlecht gelaunt sein.
Ich habe gehört, MC Bomber tritt nur noch mit Windel auf, weil er zu viel Ketamin genommen hat
Das weiß ich nicht, ich glaube aber, der ist jetzt ruhiger geworden. Habe den letztens beim Sport getroffen, der geht jetzt zum Fitness. Hat ja jetzt Kind bekommen, der hat seine Frau. Bomber ist auf jeden Fall ruhiger geworden. Raptechnisch ist er immer noch der alte, letztens hat er noch mit DJ Reckless was rausgebracht. Aber jeder wird ja auch irgendwann ruhiger. Der muss sich ja auch nicht mehr beweisen. Ist ja wie bei mir, wenn sie dann sagen, „Finch, du bist nicht mehr asozial, du säufst ja nicht mehr“
Warum hast du den Namen geändert?
Weil ich einfach offen bin, dass ich offen für viele Sachen sein kann. Ich möchte nicht, dass alles immer unter diesem Stern „Asozial“ steht. Und das habe ich den Leuten schon 1000-mal erklärt. Und die sagen immer, wenn asozial weg ist, dann ist die Mucke nicht mehr asozial. Ich könnte genau den gleichen Song, den ich damals aufgenommen habe, jetzt herausbringen – irgendeine alte Nummer. Die würden sagen, ist nicht mehr so krass wie damals, weil nicht mehr asozial draufsteht. Wie bei Capri Sonne, die auf einmal anders heißt. Auf einmal schmeckt die nicht mehr, obwohl nur was anderes draufsteht, weißte. Ich habe als Finch angefangen bei Rap am Mittwoch. Finch Asozial hat sich dann herauskristallisiert, damit habe ich meine ersten Sachen rausgebracht. „Kurzurlaub“ z.B. auf meinem „Dorfdisco“- Album, unter Finch Asozial. Leute, die sich über die Namensänderung aufregen, kennen gefühlt nur „Abfahrt“ oder ein zwei andere Songs.„Wer nicht geht“ oder „Kurzurlaub“, das sind einfach Pop Songs und übelst soft.
Auf wen hast du denn Bock für ein Feature?
Ach, darüber will ich jetzt noch nicht reden. Alle meine Wünsche habe ich so ein bisschen erfüllt. Aber wenn ich jetzt was sage und die Leute hören es, dann warten sie auf meinen Anruf. So ein bis zwei gibt es in Deutschland noch, mit denen ich was machen möchte. Und international, mal gucken, das ist dann immer so eine Phase.
Du könntest ja einfach ein paar Leute nennen, die du ganz gut findest. Muss ja nicht heißen, dass du was mit denen machen willst.
Nee, ich will niemandem die Pistole auf die Brust setzen bzw. Hoffnung machen. Wenn ein Feature kommt, dann kommt es. So wie bei Paul Elstak. DJ-technisch, also elektronische Musik und so, da gibt es einige, mit denen ich mal zusammen was machen würde. So Westbam oder Marusha. Alte Legenden, sowas finde ich auch geil. Auch DJ Quicksilver oder die alten Sachen von Dr Motte mag ich. Ich höre gerade so viel aus den 1990er und 2000ern. Auch DJ Dean feiere ich derzeit übelst. Tunnel Hamburg. Bisschen Trääänce und so. Und das ist auch cool. Aber ich muss jetzt kein Feature krampfhaft machen und so. Wenn da mal eine geile Idee entsteht, cool.
Ich bin großer Fußballfan. Und zwar vom selben Verein wie Paul Kalkbrenner. Immer wenn den Paul treffe, rede ich immer sehr lange mit ihm über Bayern. Ist jetzt nicht dein Hassverein, denke ich. Ist Hertha dein Hassverein? Du bist ja Union Fan.
Hassverein klingt immer hart. Ich bin natürlich kein Hertha-Sympathisant. Hassen ist ein hartes Wort. Gibt‘s Vereine, die ich hasse? RB Leipzig. Das ist für mich ein kompletter Fehlgriff. Die nehme ich nicht mal ernst. Wenn ich Leute kennenlerne, die RB Fans sind, lache ich die aus. Die sind für mich dann keine Fußballfans. Es gibt zwei Vereine in Leipzig, die du unterstützen kannst, die so verschieden voneinander sind, dass du sagen kannst, für jeden Fußballromantiker ist was da, wenn du paar Kilometer weiterfährst, hast du Dresden, hast du Cottbus, also du kannst alles haben. Du willst einfach nur erfolgreichen, schicken Fußball sehen, deswegen gehst du zu Leipzig (RB), da gibts keinen anderen Grund für.
Am ehrlichsten sind glaube ich die Dynamo Fans aus Dresden, oder?
Also ich finde Dresden geil. Auf jeden Fall eine geile Fankultur. Alter Verein, sowas ist schön.
Wie lange bist du Union Fan?
Lange ist immer so eine Frage. Mein erstes Spiel war 2007. Zeit sagt nichts aus, das war mein erstes Spiel. Wichtig ist, wie oft gehst du zum Fußball. Du kannst vier Jahre Darmstadt-Fan sein, wenn du aber in den vier Jahren alle Spiele gegangen bist, dann bist du krass.
Marteria.
Rostock ja. Ist ja was ganz anderes, was Marten für eine Verbindung hat zu Rostock. Er hat da gespielt im Verein, ist in der Fanszene und hat den Verein mit seinem Konzert einfach zwei Mal gerettet. Der hat schon viel für den Verein getan. Ich würde das auch für Union machen, wenn es Union so schlecht ging wie Rostock damals. Welcher Künstler und Fan würde das nicht tun.
Wie oft gehst du denn hin?
Also jetzt zur Coronazeit gar nicht, Dauerkarte liegt rum. Aber wenn es wieder geht und es die Zeit zulässt, immer. Also ich war jetzt international alle Spiele, Helsinki, Prag, Israel war ich, da fahr ich alles ab. Bundesliga jetzt mit Beschränkung und die Fanszene ist nicht da und dann mit Maske und Abstand, da habe ich keinen Bock drauf. Das für mich nicht der Fußball, den ich sehen will. Ich kann dann nicht die Leistung abrufen als Fan mit Support, die ich abrufen will. Ich gehe nicht ins Stadion, um Fußball zu gucken, sondern um zu supporten. Wenn ich gucken will, kann ich mich vorn Fernseher setzen, da sehe ich viel besser und hab meine Ruhe.
Dein Statement zu Pimmelkruse war sehr lustig.
Jajajaja, aber das Thema, hatte gerade anderes Interview, da habe ich darüber schon eine halbe Stunde geredet, das gibt nur bloß Kopfschmerzen.
Du sprichst ja auch diverse Themen auf deinen Kanälen offen an.
Immer eigentlich. Politisch versuche ich mich derzeit herauszuhalten mit allem, Ukraine, Corona, du holst dir meistens den Teufel in die Küche. Du kannst es eigentlich nur falsch mache als öffentliche Person. Wenn du jetzt gerade mal eine andere Meinung hast und die öffentlch machst, nicht mit dem mainstream mitschwimmst. Alter, du hast so Probleme. Auf die Kopfschmerzen habe ich einfach keinen Bock mehr. Vereinzelt Sachen so. Heute habe ich mich über die Ochsenknecht aufgeregt, weil ich gesehen hab, wie die jungsche Ochsenknecht da flexxt mit ihren Sachen, und zwei Pradataschen die Wochen müssen sein, wo ich mir nur denke, die ganze Familie existiert nur, weil der Vater erfolgreich war. Wat wollt ihr? Wilde Kerle mal gedreht und so.
Haben aber sehr gute Vornamen, muss man ihnen lassen, nicht nur Nils, der heißt halt Jimmy Blue und Wilson Gonzales oder Chayenne. Musste erstmal können.
Das ist das, was du meinst. Es gibt auch viele, die meine Mucke gar nicht hören, die folgen mir einfach und sagen „ich find dich als Mensch cool und ich find deine Einstellung cool und bei dir hat man Unterhaltung in den Storys, da passieren immer lustige Sachen“. Ich werde oft cholerisch, ich rege mich sehr oft auf und mach dann Hassstorys, deswegen schränkt mich Instagram immer wieder ein, immer wieder werde ich gesperrt und Sachen werden gelöscht. Aber so bin ich halt, warum soll ich meine Fresse halten, wenn mir das auf den Sack geht, dann sag ich es. Wenn ich eine Freundin hätte, würde ich der das erzählen halt.
Warum hast du keine Freundin, was ist los mit dir?
Gehe halt lieber ins Kino. Ja, warum habe ich keine Freundin. Hat noch nicht gepasst. So wenn es irgendwo mal passt und man jemanden kennenlernt, dann könnte ich es mir schon vorstellen, mich zu binden, aber derzeit passt es einfach nicht. Ich finde keine Person, wo ich sage, da lohnt es sich, auf die Freiheiten, die ich im Singleleben habe, zu verzichten. Für mich ist das immer Pro und Kontra Liste. Und Kontra ist derzeit zu hoch. Bzw. wenn ich jemanden kennenlernen, brauche nicht solche Standard Typen. Ich muss da jemanden kennenlernen, der mich abholt, und bisher hat mich noch keiner abgeholt. Und nur eine Beziehung haben, um eine zu haben.
Das brauchen wir nicht.
Aus dem FAZEmag 122/04.22
Text: Sven Schäfer
Foto: Martín Eklund
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