Flashmob – Halb Italiener. Halb Engländer. Ganz DJ.

Alessandro Magani. Wer so heißt, braucht eigentlich keinen Künstlernamen. Und doch hat sich der Mailänder einen Alias zugelegt: Flashmob. Ein Pseudonym, das um die Welt geht. Auftritte im Pacha auf Ibiza, im Londoner Ministry of Sound, im Kater Blau (Berlin) oder eine fulminante Show beim letztjährigen Amsterdam Dance Event – Flashmob ist ein Erfolgsgarant für volle Tanzflächen. Flashmob ist aber auch einfühlsamer Ehemann, liebevoller Familienvater, umweltbewusster Autofahrer und ernährungsbewusster Pastaliebhaber. Wie sieht wohl ein typischer Arbeitstag beim DJ und Producer aus? Macht er Sport? Wenn ja, welchen? Was treibt ihn an? Wie geht er mit Erfolg um, wer hatte Schuld am Zerfall der italienischen Clubszene und vor allem: Was hat Rotwein mit Berlin und dem VW Käfer zu tun? Fragen über Fragen. Hier die Antworten.

Flashmob 35


Du bist seit sieben Jahren im Musicbusiness und hast mit Tracks wie „Need In Me” und „Brick House” und mit Releases auf Defected und Get Physical die Szene erobert. Wie fing alles an und wann kam der Durchbruch?

Nach all den Jahren fühle ich mich so, als durchlebe ich jetzt gerade meinen Durchbruch. (lacht) Es ist sehr schwer, in dieser Branche Fuß zu fassen, sich zu etablieren und zu behaupten. Und ich glaube, Durchhaltevermögen ist der einzige Faktor, der einem auf dem Weg nach oben hilft. Ich release jetzt auf renommierten Labels wie Kompakt und Hot Creation, spiele immer häufiger auf Festivals, und sowohl meine Labels als auch meine Radioshow laufen gut. Ich fühle mich wirklich gerade auf dem Peak. Ansonsten darf man natürlich nicht nicht vergessen, dass der Durchbruch davon abhängt, welche Ziele du dir selbst steckst. Jedes Mal, wenn du einen Level aufsteigst, machst du einen neuen Durchbruch. Und jedes Mal ist der Durchbruch relevanter als der vorherige.

Ursprünglich war Flashmob ein DJ-Duo: Du und dein Kumpel Danny. Im Jahr 2015 habt ihr euch entschieden, dass du das Projekt Flashmob allein weiterführst. Wieso, weshalb, warum?

Jeder, der meinem Projekt folgt, weiß, wie ehrgeizig ich bin und wie hart ich arbeite. Es ist nicht leicht, ein Teil meines Teams zu sein, weil ich mich und meine Leute sehr dränge, sodass ich am Ende jeden verrückt mache, noch härter zu arbeiten. (lacht)

Im konkreten Fall hatten Danny und ich einfach eine andere Zukunftsvision. Ergo war es vor zwei Jahren besser, getrennte Wege zu gehen. Aber: Wir sind immer noch sehr gut befreundet und ich möchte die Zeit mit ihm auf keinen Fall missen.

2012 hattet ihr mit Flashmob den größten Hit „Need In You”. Wie hat sich dein Leben seither verändert?

Nun, dieser Track hat das Projekt wirklich globalisiert. „Need In You“ hat 23 Millionen Hits auf Youtube und wird als kleiner Klassiker gefeiert. Das Stück trug definitiv elementar zu meinem Karrieresprung bei. Klar ist es schön, Erfolg zu haben. Noch wichtiger ist aber, sich danach nicht auszuruhen. Gerade im harten Musikgeschäft, in dem man schnell ersetzt wird, wenn man nicht nachliefert.

Wir starteten als Egostereo und spielten einmal pro Monat in relativ unbekannten Locations – europaweit. Bis wir schließlich in den geilsten Clubs der Welt landeten. Das Sprichwort „Vom Tellerwäscher zum Millionär“ zu verwenden, wäre übertrieben, aber ich kann schon sagen, dass wir erst pleite waren und später sehr gut von unserem Projekt leben konnten. Die Dinge veränderten sich, wir veränderten uns, und auch der Alltag war plötzlich anders strukturiert. Wir durften aber unser Ziel nicht aus den Augen verlieren, weiter voranzukommen. Und diesbezüglich hatten Danny und ich unterschiedliche Auffassungen. Ich wollte Zeit investieren statt sie zu vergeuden. Letztendlich kam es so zum Cut und ich übernahm das Projekt Flashmob allein.

So viel zum DJ Flashmob. Nun zur Privatperson Alessandro. Wie sieht ein typischer Tag bei dir aus?

Ich stehe früh auf, frühstücke mit meinem Sohn Carlo, den seine Mutter Alessandra anschließend zur Schule fährt. Dann widme ich mich meiner Kleinen, Carolina, die ich dann wiederum zur Schule bringe. Carolinas Schule liegt in der Nähe eines Parks, in dem ich zwei Stunden lang Nordic Walking mache oder Tennis spiele. Danach gehe ich nach Hause, esse einen Snack und checke meine Mails. Ab Mittag ist Studiozeit und je nachdem, welcher Tag gerade ist, erledige ich noch etwas Orgakram, oder andere Dinge. Donnerstags zeichne ich zum Beispiel meine Radioshow auf, am Montag mache ich A & R und so weiter. Danach, so gegen 16:30 Uhr, hole ich Carlo ab und verbringe den Rest des Nachmittags mit ihm, bevor ich dann Carolina um 18:30 Uhr einsammle und wir alle vier zusammen gegen 19:30 Uhr zu Abend essen. Schlafenszeit für die Kiddies ist um 20 Uhr – da kennt meine Frau auch keine Gnade. (lacht). Und dann, dann haben Alessandra und ich den Abend für uns. Wir entspannen, lesen ein Buch oder gucken einen Film.

Du bist Italiener. Beschreibe doch mal die Techno- und House-Szene, das Verhalten der Partypeople und die Clubauswahl in Italien.

Ich bin nur zur Hälfte Italiener. Meine Mutter war Engländerin. Wie auch immer, ich lebe in Mailand. Ich lege momentan sehr häufig und gerne in Italien auf. Es gibt eine sehr interessierte, junge und aufgeschlossene Partycrowd, die meine Musik kennt, liebt, und meine Unterschiede zu anderen DJs schätzt. Das war einst das Hauptproblem in Italien: Es gab zu viel. Zu viel gleichen Sound, immer dasselbe, das sich nie weiterentwickelt hatte. Heute ist das anders. Es gibt eine starke Bewegung, die die alten Club-Flaggschiffe und Event-Veranstalter vom Markt gedrängt hat, die am kulturellen Zerfall der elektronischen Musikszene schuld waren. Fettes „I like“! Auf mich bezogen kam es mir dann natürlich sehr entgegen, dass ich immer öfter von der nationalen wie internationalen Presse erwähnt wurde. Ich bin total happy, dass ich das ganze letzte Jahr mit jungen, unbekannten und hauptsächlich italienischen Produzenten arbeiten durfte.

Welches sind deine drei derzeit angesagtesten Tracks, die in keinem deiner Sets fehlen dürfen?

Ich spiele immer den Track „Cosmochord“, den ich kürzlich mit Terranova auf Kompakt Records veröffentlicht habe. Ich spiele immer „Love You“ von den Di Chiara Brothers, das auf Flashmob Records veröffentlicht wurde und bei Beatport ordentlich abgeht. Ach so, und Basement Jaxx mit „Fly Life“ darf eigentlich auch in keinem meiner Sets fehlen. Ich liebe diesen Oldschool-Touch.

Großartig, vielen Dank für das Interview, Alessandro. Abschließend nur noch ein paar kurze Statements vielleicht zu folgenden Stichpunkten:

Rotwein oder Zitronenlimonade? Rotwein, bitte. Danke.
Pasta oder Tofu? Pasta. Aber die, die mit Buchweizen gemacht wird. Also die gesunde Version.
Trip nach Rom oder Berlin? Sorry, aber ich fahre nach Rom. (lacht)
Alfa Romeo oder VW Käfer? VW Käfer. Ich hatte vor ein paar Jahren einen Carrera 4, aber jetzt habe ich einen Mini und meine Frau hat einen elektrischen i4 BMW. Wir sind beide große Fans der deutschen Marken.
Vinyl oder mp3? Beides. Nur finde ich es heutzutage unkomfortabel, mit schwerem Vinyl zu reisen. Ich habe weiß Gott nichts gegen „retro“, aber mit USB & Co. ist es schlichtweg einfacher, lange Wege von zuhause bis in den Club zu meistern.

Aus dem FAZEmag 073/03.218
Text: Torsten Widua

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