
Liebe und Freiheit. Für sein persönliches „Manifesto“ hat der Franzose Folamour die beiden Terminologien als tragende Säulen seiner Vision gewählt und erforscht nun – in seinem bisher persönlichsten Projekt – deren musikalische Konzepte. Hierfür greift der Lyoner auf sein mannigfaltiges House-Spektrum zurück, das in den vergangenen Jahren zu einer reichhaltigen Soundpalette voller Emotionen, Synergien und Dancefloor-Material angewachsen ist. Das neue Album – aufbauend auf seiner von der Kritik gefeierten „The Journey“-LP – ist die logische Konsequenz eines von Fleiß und Passion gezeichneten Werdegangs, der im Jahre 2023 seinen bisherigen Höhepunkt findet. Im großen Interview erfahrt ihr mehr.
Hallo, Bruno. Wie geht es dir? Nachdem du Anfang des Jahres dein neues Label House Of Love gegründet hast, ist jetzt das Release von „Manifesto“ erfolgt. Läuft alles, oder?
Mir geht es großartig! 2023 war bisher ein arbeitsreiches Jahr für mich. Die Tour mit meiner neuen A/V-Show, die Labelgründung und jetzt das neue Album – das ist schon eine ganze Menge. Aber es ist alles optimal gelaufen und dafür bin ich sehr dankbar.
Der Titel des Albums ist selbsterklärend. Vielleicht möchtest du uns einen Einblick in dein ganz persönliches Manifest geben und erklären, wie es auf dem Album zum Tragen kommt?
Die Idee zum Konzept des Albums hatte ich nach der Fertigstellung meiner letzten LP „The Journey“. Das kam daher, dass meine Reputation als Künstler wuchs und ich mich durch die gestiegenen Erwartungen manchmal eingeschränkt fühlte. Das geht wahrscheinlich vielen so, denn wir wollen von Natur aus in das Bild passen, das andere von uns haben. Auf dem Album geht es darum, aus diesen Grenzen auszubrechen, der zu sein, der ich wirklich bin, und zu lernen, für meine Musik, meine Botschaft und meine Werte zu kämpfen.
Umso passender also, dass die Erkundung von persönlichen Konzepten und der Vision von Liebe und Freiheit die Schlüsselthemen des Albums markieren. Erzähl uns mehr dazu.
Liebe und Freude durch Musik zu verbreiten, ist der Grund, warum ich um die Welt reise, und Freiheit, spirituelle oder soziale Aspekte waren schon immer ein wichtiger Bestandteil meiner künstlerischen Tätigkeit. Als ich vor mehr als zehn Jahren in Frankreich mit dem Auflegen begann, fand ich mich in einer Szene wieder, die sich auf härtere Musik konzentrierte und sich allem anderen gegenüber verschloss. Die Rückmeldungen, die ich zu meiner Musik und den Platten, die ich auflegte, bekam, waren immer die gleichen, und die Leute waren anderen Genres gegenüber nicht gerade offen.
Für dich ein zusätzlicher Ansporn …
Richtig. Ich habe dafür gekämpft, dass die Leute offener für eine breitere Perspektive und organischere Klänge sind, und ich habe immer noch das Gefühl, dass ich für das kämpfen muss, woran ich künstlerisch glaube, denn ich habe mich nie dafür entschieden, Alben zu veröffentlichen, die sich in einem Satz erklären lassen.
Auch „Manifesto“ lässt sich gewiss nicht in einem Satz erklären. Dafür sorgen allein schon die verschiedenen Vokalist*innen und Musiker*innen, mit denen du kollaboriert hast. Wie kam die Auswahl zustande?
Hinter jeder Kollaboration auf dem Album stehen verschiedene Gründe und Prozesse. Die Features mit Amadou und Mariam waren für mich beispielsweise ein Kindheitstraum, da ich als Kind und Teenager von ihrer Musik besessen war. Ich wusste, dass wir zusammen etwas Großartiges und Bedeutungsvolles schreiben könnten. Bei Emmanuel Jal war es ganz anders, ich suchte einen Sänger, der die Freiheit auf eine neue Art und Weise ausdrücken konnte, und so schrieben wir „Birds“. Wenn ich an einem Song arbeite, kenne ich die Botschaft, die ich vermitteln möchte und die Geschichte, die ich erzählen möchte. Unter dieser Prämisse versuche ich, die besten Künstler*innen zu finden, die diese Botschaft auf ihre eigene Art und Weise zum Ausdruck bringen können. Einige der Features kamen aber auch durch zufällige Umstände zustande, wie etwa der Track „Amore“ mit Baccus. Als ich in Mexiko auf Tournee war, bin ich auf ein Video von ihm gestoßen und wusste sofort, dass er der richtige Mann für den Song ist. Wir fingen an, uns über Instagram auszutauschen, und das Stück entstand innerhalb weniger Stunden, quasi on the fly auf dem Weg zum Flughafen.
Die LP war zwei Jahre lang in Arbeit. Wie hat sich dein kreativer Prozess im Laufe dieser Zeit entwickelt? Sicherlich hast du in dieser Zeit einige Höhen und Tiefen erlebt …
Das habe ich, ja. 2022 war auf persönlicher Ebene hart und es war nicht einfach, einen Weg durch diese Schwierigkeiten zu finden, während ich viel getourt bin und an dem Album gearbeitet habe, aber es hat meine Seele auch mit Inspiration angereichert. Der kreative Prozess des Albums bestand darin, endlich alle Seiten dessen zu akzeptieren, was ich als Künstler bin, und aufzuhören, über alles nachzudenken. Ich drängte auf mehr organische Instrumente, Live-Streicher und -Hörner, Gitarren, Bass und natürlich Gesang, wie ich es schon bei meinem vorherigen Album getan hatte, mehr Text und mehr Schichten in der Komposition, aber auch die Rückkehr zu den „Made For The Dance“-Vibes. Die Idee war, ein clubtaugliches Album zu machen, das man aber auch zu Hause, im Bus oder mit Freund*innen hören kann, während es Emotionen und Geschichten vermittelt. Das war die Herausforderung.
Hast du dich während dieser zwei Jahre unter Druck gesetzt gefühlt, das Projekt fertigzustellen? Hättest du gerne noch länger an dem Album gearbeitet?
Ich musste loslassen. Ab einem bestimmten Zeitpunkt merkte ich, dass sich meine Inspirationen änderten und die Musik nicht mehr dem originalen Geist von „Manifesto“ entsprach. Die Geschichte, die ich erzählen wollte, war abgeschlossen.
Die Vorab-Single „Voyage“ konnte gewissermaßen als Vorschau auf das Album als Gesamtprodukt gewertet werden. Vereint der Track also alle Facetten von „Manifesto“, um den Hörer*innen den perfekten Vorgeschmack zu geben?
In gewisser Weise ja. Natürlich nicht klanglich, aber „Voyage“ ist sicherlich der Beweis, dass ich alle meine Facetten unter einen Hut gebracht habe. Er wurde zum größten Teil live aufgenommen und entstand an einem Tag während einer Jam-Session in Paris. Er ist so vielfältig, wie ich meine Songs haben möchte: französisch angehauchte Drums und Basslines, ein klassisches 90er-Jahre-House-Piano, afrikanische und malische Energie in der Topline und französischer Gesang im malischen Dialekt. Ich denke, ich kann sagen, dass dies das ganze Album prägt.
Bei all dem Album-Talk haben wir noch gar nicht über dich als Künstler gesprochen. Wer ist eigentlich Folamour?
Gute Frage. Ich glaube, ich bin ein einfacher Mensch, überempfindlich und besessen von allem, was mit Emotionen zu tun hat. Ich bin immer auf der Suche nach einer Geschichte, die ich erzählen kann, und nach einem Weg, bestimmte Emotionen in meine Musik oder meine Sets einzubringen, denn das ist der Grund, warum ich tue, was ich tue. Ich habe das kontinuierliche Bestreben, mich als Musiker weiterzuentwickeln, neue Pfade zu beschreiten und meine Gefühle zu teilen, um Menschen Freude zu bereiten.
Können wir auch ein paar Einblicke in dein Privatleben erhaschen? Wer ist Bruno Boumendil?
Mein Leben ist meistens nicht sonderlich interessant (lacht). Ich verbringe die meiste Zeit, die ich habe, zu Hause in meinem Atelier, wo ich das ganze Jahr über kreativ bin. Die restliche Zeit gehe ich mit meiner Freundin an der Küste spazieren, ich gehe ins Fitnessstudio, ich lese und schaue Filme, oder gehe mit meinem Hund raus. Ein paar Mal im Jahr gehe ich in die Natur, um meine Seele aufzufrischen, wenn ich mich von den schlaflosen Nächten und den damit einhergehenden Ängsten niedergeschlagen fühle.
Zurück zu Folamour. Du sagst, die Etablierung einer emotionalen Verbindung zwischen Künstler und Crowd sei für dich essenziell. Wie baust du diese Connection in deinen Performances auf?
Ich glaub, meine Fans spüren es, wenn ich die Musik und den Moment genauso genieße wie sie. Ich verstecke mich nicht, ich schaue in die Menge, ich singe gerne, bis ich manchmal meine Stimme verliere, ich lebe den Moment in vollen Zügen! Ich versuche immer, zu 100 Prozent transparent zu sein, was meine Emotionen betrifft, denn nur die Wahrheit schafft Brücken zwischen uns.
Deine Sets und Produktionen werden oft mit „Feel Good“-Music assoziiert. Würdest du das unterschreiben?
Genau das ist mein Glück, DJ UND Produzent zu sein. Ich kann der fröhliche und wohlfühlende DJ sein, der ich sein möchte, denn wenn ich Musik auflege, will ich, dass die Leute alles andere vergessen und einfach nur ein paar Stunden lang einen tollen Moment erleben – voller Hoffnung, Liebe und positiver Gefühle. Bei meinen Produktionen sieht das etwas anders aus. In jedem Projekt, das ich veröffentlicht habe, findet man Liebe und Hoffnung, aber auch Melancholie, Traurigkeit, Nostalgie und mehr. Ich werde dieses Medium immer nutzen, um tiefere Schichten meiner Person zu zeigen.
Wie geht es nach dem Release von „Manifesto“ für dich weiter? Welche Highlights stehen im Sommer an?
Der Sommer wird sehr aufregend. Es gibt viele Shows, auf die ich schon seit einiger Zeit warte, wie zum Beispiel mein Glastonbury-Debüt. Nach drei gescheiterten Versuchen – zwei Termine sind wegen Covid ausgefallen und einmal habe ich es nicht rechtzeitig zum Gig geschafft – klappt es nun hoffentlich im vierten Anlauf. Darüber hinaus freue ich mich auf meine House-Of-Love-Stage bei We Love Green in Paris und meine Auftritte in Berlin, Madrid & Co. Was die Produktion betrifft: Ich habe schon wieder einige unveröffentlichte Tracks im Köcher, die ich auch bei meinen anstehenden Shows spielen werde.
„Manifesto“ ist am 26. Mai via Sony Music erschienen.
Aus dem FAZEmag 136/06.2023
Text: Milan Trame
Foto: Koria
www.folamour.love