Format:B – Veränderungen

Format:B – Veränderungen / Foto: Oloff Geissler

Feste Konstanten und Traditionen im Leben zu haben, ist nicht nur wichtig, sondern für viele unabdingbar. Das aus der Berliner Technoszene entstandene Projekt Format:B, bestehend aus Franziskus Sell und Jakob Hildenbrand, feiert in diesem Jahr 20-jähriges Jubiläum. In dieser Zeit hat sich das DJ- und Produzentenduo zweifelsfrei zu einer festen Konstante im elektronischen Kosmos etabliert. Seine Diskografie listet zahlreiche renommierte Label wie etwa Toolroom, Monaberry Highgrade Recordings, Stil vor Talent, Opossum Recordings und natürlich auch das eigene Imprint Formatik. Titel wie „Chunky“, „The Scoop“ und Remixe für Größen wie Paul Kalkbrenner, Sébastien Leger, Oliver Koletzki und Co. hievten Format:B in den DJ-Olymp. Aktuell stecken Format:B inmitten eines ziemlich wilden Festival-Sommers, allerdings neu aufgestellt. Eine Periode voller Ereignisse inklusive Pandemie brachte nicht nur in der Welt, im Kultursektor, sondern ganz explizit auch im Leben von Format:B enorme Veränderungen mit sich. Das Resultat ist wohl eines der intimsten Interviews, das wir im FAZEmag jemals gebracht haben. Geschmückt wird dieses Feature mit dem offiziellen Download-Mix des Monats, für das Format:B verantwortlich zeichnet. Für die Antworten verantwortlich zeigt sich Franz.

Die letzten Jahre waren äußerst ereignisreich. Sowohl in der Welt, für die Musikindustrie, aber auch für Format:B. Wie geht es euch aktuell?

Hallo, ihr Lieben, danke der Nachfrage. Uns geht’s soweit gut. Das waren in der Tat sehr ereignisreiche Jahre mit vielen Veränderungen, im Job und auch privat bei uns. Aber so langsam fühlt sich das Leben wieder einigermaßen normal an und es ist toll, nach einem langen Winter wieder im Sommer angekommen zu sein. 2023 bedeutet für uns auch 20 Jahre Format:B.

Wie habt ihr persönlich die Zeit rund um die Pandemie erlebt? Einige Künstler*innen waren produktiver denn je, einige haben sich anderen Dingen gewidmet.

Wow, ja, die Pandemie. Was für eine weirde Zeit. Für uns und wahrscheinlich für alle anderen Menschen auch war das eine unglaublich fordernde, intensive Zeit. Da wurde das Leben mal eben komplett auf den Kopf gestellt. Die „Zwangspause“ hat bei mir und auch bei Jakob erst einmal dazu geführt, dass unsere Körper seit Langem mal wieder „Hallo“ gesagt haben. In meinem Fall ging es mit einem Bandscheibenvorfall los. Und wenn so ein Körper sich erstmal meldet, dann meist richtig. Es ist also nicht beim Bandscheibenvorfall geblieben. Als das alles wieder okay war, hatte ich auch noch einen ziemlich miesen Fahrradunfall. Im Sommer 2020 starb meine Mutter nach kurzer, schwerer Krebserkrankung. Da brauchte ich zunächst eine längere Auszeit. Ich bin dann im Oktober 2020 mit einem Koffer nach Ibiza zu einem guten Freund geflogen, um ein bisschen Abstand zu bekommen. Aus geplanten zwei Wochen wurden letztlich zehn Monate. Verrückt. In dieser Zeit habe ich angefangen, mich mehr mit mir und meinem Körper zu beschäftigen, ich war unter anderem fast täglich wandern. Abends, wenn es nicht zu windig war, habe ich mich mit meinen Angeln in die Bucht von Talamanca gesetzt, geangelt und übers Leben nachgedacht. Ich habe viele schlaue Bücher gelesen, so etwas wie von Eckhart Tolle „jetzt“ und so ziemlich alles aus diesem Genre. Über die liebe Britta Arnold bin ich irgendwann auch zum Yoga gekommen, alles ziemlich hippiemäßig also (lacht). Im Nachhinein bin ich sehr dankbar, dass ich diese Zeit hatte. In Spanien war, wie in Deutschland im Grunde genommen auch, alles geschlossen. Man musste sogar auf der Straße Masken tragen. Beim Wandern konnte man das aber vernachlässigen. Ein paar Musikkolleg*innen in ähnlichen Situationen waren ebenfalls dort. Ibiza wird wohl nie wieder so entspannt sein wie in dieser Zeit. Irgendwie schade. Jakob ist kurz vor der Pandemie mit seiner Freundin und zwei lustigen kleinen Hunden aufs Land gezogen und war mit dem Bau bzw. Ausbau seines Hauses beschäftigt und dadurch ganz gut abgelenkt. Ich glaube, da war er auch ganz dankbar für. Berlin war in dieser Zeit ziemlich gruselig. Eine Pandemie in dieser Form wird es wohl, hoffentlich, nicht noch einmal geben, und dennoch kam das alles für uns irgendwie zur richtigen Zeit. Universum und so.

Format:B tritt seit einigen Wochen in neuer Konstellation auf, erzählt uns mehr dazu.

Jakob geht es leider nicht gut. Er hat eine sehr schwere ernstzunehmende Erkrankung der Augen, die es ihm unmöglich macht, auf die Bühne oder ins Studio zu gehen. Wir sind nach wie vor gute Freunde und er ist beim Projekt Format:B dabei und unterstützt uns. Leider ist der medizinische Fortschritt noch nicht in der Lage, ihm richtig zu helfen. Wir hoffen aber alle sehr, dass sich die Situation mit seinen Augen wieder bessert und er irgendwann wieder voll dabei sein kann. Der Kontakt zu Robin, unserem neuem Mitglied, kam über unseren neuen Manager Boris von Subway Events. Wir mussten vor der Pandemie aus unserem Studio raus, da man die Fenster quasi illegal eingebaut hatte und wir in einem fensterlosen Raum nicht arbeiten konnten. Der Plan war, ein neues Studio auf dem Land zu bauen, aber durch Jakobs Erkrankung ging das einfach nicht. Im neuen Studio haben Robin und ich uns dann kennengelernt und angefangen, zusammen Musik zu machen. Er ist schon seit Jahren als Produzent und DJ unterwegs, und wie das so ist, haben wir uns mit der Zeit angefreundet. Irgendwann kam dann die Idee, ihn vollständig zu integrieren. Wir haben dann ein paar Gigs zusammen gespielt und schnell gemerkt, dass das gut funktioniert. Jakob und ich sind sehr happy, ihn an Bord zu haben.

Wie könnte sich das Projekt Format:B durch diesen Schritt stilistisch, aber auch soundtechnisch verändern eurer Meinung nach?

Da passiert gerade tatsächlich sehr viel. Es gibt Kollaborationen mit unseren Freunden Ante Perry und Sascha Cawa. Wir sind wieder ein bisschen dahin zurückgekehrt, Sound zu produzieren, der uns Spaß macht, ohne dabei auf Chart-Kompatibilität zu achten. Das ist ziemlich erfrischend. Nach einem Hit wie „Chunky“ hat man erst einmal das Gefühl, ständig Follow-ups produzieren zu müssen, die genauso klingen, aber dennoch ganz anders sind. Das ist hinsichtlich der eigenen Kreativität sehr lähmend.

Robin und ich verstehen uns super im Studio und sind sehr fleißig, und schon bald wird es neue Tracks von uns geben. Jetzt gleich so frisch nach unserem gemeinsamen Start mehrere Kollaborationen zu machen, ist eine spannende Angelegenheit. Jeder im Raum hat quasi andere Produktionsansätze und Skills. Auch das Arbeiten in verschiedenen Studios und in anderer Umgebung ist sehr spannend. Alles das gibt’s bald gebündelt in Form von neuen Releases auf ziemlich coolen Labeln. Auch auf Formatik, unserem eigenen Imprint.

Ihr seid beide seit Jahren aktiv in der Szene – wie hat sich die Industrie im Allgemeinen verändert?

Ich bin seit 1997 als DJ und Produzent unterwegs. Der Unterschied von damals zu heute könnte größer nicht sein. Um in diesem Umfeld heute bestehen zu können, musst du eigentlich DJ, Produzent, Social-Media-Manager, Label-Manager, Promoter und vieles mehr sein. Das finde ich nicht sonderlich geil, aber so funktioniert dieser Markt. Auf der anderen Seite erreicht man so natürlich viel mehr Menschen als früher. Alles ist internationaler geworden, was natürlich toll ist. Ich schaue mir immer wieder unsere Format:B-Statistiken bei Spotify an, und es ist wirklich verrückt. Man hört unsere Musik in  162 Ländern. Länder, deren Namen ich nicht einmal aussprechen kann und von denen ich teilweise nicht weiß, wo sie sich befinden. Ich denke, dass es aktuell ein Überangebot an Festivals gibt, was teilweise leider zu Lasten der Clubkultur geht. Das bedingt auch, dass es für Veranstalter immer schwieriger wird, spannende Line-ups zu kuratieren, da Verfügbarkeiten, Gagen und sonstige Animositäten so gut wie nicht zu vereinbaren sind.

Das ist schade. Aber auch das reguliert sich mit der Zeit meistens von alleine. Eine von mir gern zitierte „Weisheit“ lautet nicht ohne Grund: „Wo ein Nachteil ist, ist immer auch ein Vorteil.“ Mit der Zeit lernt man, sich an Veränderungen zu gewöhnen und diese, soweit moralisch möglich, auch mitzugehen.

In der Tat sind Themen wie Social Media und Digitalisierung omnipräsent und wohl nicht mehr wegzudenken in der heutigen Welt.

Wie eben angesprochen muss man heute viele Felder beackern, um erfolgreich zu sein. Ich glaube fest daran, dass Qualität der Haupttreiber für Erfolg ist. Nun gibt es heutzutage Kolleg*innen, die unfassbar gut in der Interaktion in den sozialen Medien sind und so Karrieren aufbauen. Wir tun uns mit Social Media nach wie vor ziemlich schwer und wären auf diesem Weg sicher nicht bekannt geworden (lacht). Ich fände es wünschenswert, wenn die Musik selbst wieder die Hauptrolle einnehmen würde. Um die geht’s ja letztlich. Aber um die Frage genauer zu beantworten, würde ich sagen, dass man heute sicher Parameter wie Social Media ernst nehmen muss, wenn man wahrgenommen werden möchte. Also am einfachsten ist es wohl, wenn man aussieht wie ein Model, ein grandioser DJ und Produzent ist, viele weitere Skills hat und eine Management-Bude findet, die all das in einem sieht und ein paar Millionen zur Verfügung hat, die in die jeweiligen Social-Kanäle investiert werden können. Klingt überspitzt, aber scheint zu funktionieren (lacht).

Du hast es eben schon angesprochen, der Sommer ist endlich da. Was habt ihr für die nächsten Wochen und Monate geplant?

Die Festivalsaison ist richtig gut angelaufen. Wir lieben es, hauptsächlich tagsüber unterwegs sein zu können. Die Sonne scheint, man ist draußen und irgendwie ist der Vibe entspannter. Wir haben einen recht vollen Kalender und sind unter anderem beim Ikarus, Feel Festival, Echelon, SonneMondSterne, Isle of Summer, Sputnik Springbreak usw.

Im Juli geht’s dann zusätzlich nach Peru und Uruguay, darauf freuen wir uns sehr. Südamerika ist in puncto Energie einfach unglaublich. Für den Herbst stehen dann weitere Übersee-Touren auf dem Programm. Wie eben schon erwähnt sind neue Releases in der Pipeline. Das sind wir den Fans schon lange schuldig, das wissen wir (lacht). Dazu gibt’s von Ante Perry und mir ein neues Partykonzept, das am Mittwoch, den 6. September, im Ritter Butzke seine Premiere feiert. Das Event wird „Before Midnight“ heißen und macht,  was der Name verspricht. Dabei haben wir uns auch von gängigen Konventionen verabschiedet und mixen Genres wie Hip-Hop, Soul, G-House, Techno und House. Spielen werden live Das Bo von 5 Sterne Deluxe, DJ Thomilla von Turntablerockers, ein schwer rockender female Live-Act, der noch verkündet wird, und natürlich wir, also Ante Perry und Format:B. Jeder eine Stunde von 19:00 bis 23:59 Uhr. Open-air und im Club und eben „Before Midnight“. Und zwischen alldem versuchen wir, auch ein bisschen den Sommer zu leben, uns mit Freund*innen zu treffen, zu beachen and so on.

Das bringt uns zu einem weiteren Thema. Was passiert aktuell in eurer beider Leben außerhalb von Format:B?

Da passiert viel. Sport ist ein großes Thema geworden. Ich gehe ganz klassisch ins Gym, jogge, praktiziere Yoga und versuche, regelmäßig zu meditieren. Klappt okay bis gut. Ansonsten bin ich eine alte Angelseele. Das ist so ein Familiending mit meinem Dad. Beim Angeln kann man am besten entspannen, wenn man zu den Menschen zählt, die nicht einfach nur am Strand liegen können. Zu denen zähle ich wohl. Ich habe mir ein kleines Kajütboot gegönnt. Damit fahren meine Freundin und ich viel herum und übernachten auch mal auf dem Boot. Manchmal kommen Freunde mit. Das macht großen Spaß. Berlin hat unglaublich viele Seen und Flüsse, die man befahren kann. Generell versuchen wir, so viel Zeit wie möglich draußen und in der Natur zu verbringen. Am liebsten mit Familie und Freund*innen. Ansonsten haben wir im Winter mit der Crew vom Ritter Butzke die „Timetable Wednesdays“ ins Leben gerufen und spielen Tischtennis. Okay, wir trinken natürlich Bier dabei. Ich koche viel und gern für Freund*innen und versuche, das immer mehr auszuweiten. Poker ist natürlich nach wie vor ein Thema. Und dann ist da noch Ibiza. Ein Ort, mit dem ich mich sehr verbunden fühle.

Sehr verbunden fühlen werden sich auch unsere Leser*innen mit dem neuen Mix des Monats, den ihr verantwortet. Was dürfen wir erwarten?

Ja, das ist tatsächlich ein besonderer Mix. Format:B hat dieses Jahr 20 Jahre Jubiläum. Es waren wilde 20 Jahre mit viel Freude, viel Arbeit und auch ein paar Tränen. Und das nehmen wir zum Anlass, einen sehr persönlichen Mix zu kreieren, ähnlich wie dieses Interview, mit Tracks von uns und den Tracks, die uns über die Jahre am meisten beeinflusst haben.

Das klingt gut. Gibt es sonst noch etwas, das ihr loswerden möchtet?

Habt euch lieb. Das Leben ist kurz!

Aus dem FAZEmag 137/07.2023
Text: Triple P
Foto: Oloff Geissler
www.facebook.com/formatbofficial