2016 brachte der US-amerikanische Hersteller Gemini das Kunststück fertig, mit dem MDJ-1000 einen komplett ausgestatteten Media-Player für unter 500 EUR anzubieten. Zwar nicht auf dem technischen und haptischen Niveau der Pioneer-Vorlage – aber im Heimbetrieb durchaus gut nutzbar. Jetzt folgt mit dem MDJ-900 sowie MDJ-500 Fleisch vom Fleische des 1000er-Modells. Was ist anders?
Um es gleich aufzulösen: Im Grunde sind der MDJ-900 und MDJ-500 nichts anderes als ein MDJ-1000 ohne CD-Unit. Dass Gemini auf das Slot-In-Laufwerk verzichtet, ist ein nachvollziehbarer Schritt. Denn der MDJ-900 ist ebenso wie der MDJ-500 als Einsteiger-Tool definiert. Und kaum ein DJ-Rookie besitzt oder kauft heute noch eine nennenswerte Zahl an silbernen Originalpressungen, schon gar nicht brennt er sie selbst. Wer unabhängig von DJ-Software arbeiten möchte, nutzt Digitalfiles auf Flash-Speichern wie einem USB-Stick. CDs nerven im DJ-Betrieb seit jeher durch ihre Trägheit, die Laufwerke sind defektanfällig und ein Kostenfaktor für den Tool-Hersteller. Also adieu!
MDJ-900
Die Materialqualität des MDJ-900 entspricht dem, was man für die geforderten 350 EUR erwarten kann: Hartkunststoff in allen Teilen – jede Form von Luxus, beispielsweise in Form von gummierten Potis oder Buttons, ist dem Player fremd. Eine schlechte Verarbeitung kann man dem Gemini-Neuling jedoch ebenso wenig zuschreiben. Einzig negativ fällt der kaum drehbare „Jog Adjust“-Regler auf, mit dem sich der Drehwiderstand des Jogwheels einstellen lässt. Alles, was in den Widerstandsbereich „heavy“ hineinreicht, macht in der Praxis aber ohnehin kaum Sinn. Denn da weder die Platter-Oberfläche noch der Ring gummiert sind, lässt sich das Jogwheel ohne
Abrutschen kaum bewegen. Ganz anders im Rechtsanschlag „light“: Hier zeigt das 8 Zoll große Wheel, wie überaus akkurat es sich mit ihm arbeiten lässt. Übrigens wieder mit einer virtuellen Nadelpositionsanzeige im Zentrum der Scheibe.
Anders als beim MDJ-1000 wird die Position allerdings nicht mehr als Kerbe in einem geschlossenen Ring, sondern als eines von insgesamt 36 roten LED-Segmenten angezeigt. Die Positionsanzeige, die einem rotierenden Vinyl in 33 1/3 rpm entsprechen soll, ist also nur als eine ungefähre Angabe zu verstehen. Viel mehr als ein nettes optisches Gimmick ist sie aber auch bei anderen Herstellern nicht. Was das Layout und die Funktionen betrifft, ist der 900er mit dem 1000er praktisch identisch. Wer jemals mit einem DJ-Media-Player gearbeitet hat, kann sofort loslegen. Wer allerdings komplett neu einsteigt, muss sich über die Funktionen und deren sinnvolles Zusammenspiel im Netz informieren.
Gemini legt leider wieder nur ein äußerst spartanisches und lieblos zusammengeschustertes Manual bei. Auf der Company-Page ist leider auch keine ausführliche Anleitung zu finden. Zum Glück sind jedoch alle entscheidenden Funktionen übersichtlich im direkten Zugriff untergebracht. Auf der rechten Seite befinden sich beispielsweise die beleuchteten Medienquellenschalter für USB oder MIDI. Dort, wo es beim 1000er noch die Option „CD“ gab, kann man beim 900er jetzt jederzeit in die „Settings“ einsteigen und zahlreiche Basiseinstellungen verändern. Beispielsweise, ob ein Taktraster angezeigt und aktiviert sein soll, auf welchem MIDI-Kanal die Maschine im Controllerbetrieb funkt usw. Alternativ kann man einige Settings auch direkt über einen „Shift“-Affengriff verändern, aber über das Setting-Fenster ist es vor allem zum Einstieg übersichtlicher. Aus- und angewählt werden sowohl die Setting-Einstellungen als auch im Spielbetrieb die Songs über den Push-Encoder am rechten Rand der Gerätekuppel.
Über einen „Back“-Schalter gelangt man wieder eine Menüebene höher. Die Darstellung der Trackinformationen inklusive Titel, Spielzeit, bpm, Pitch und – sofern vorhanden – des Covers erfolgt übersichtlich im oberen Teil des 4,3 Zoll großen Vollfarbdisplays. Der untere Teil ist für die Wellenformdarstellung reserviert. Diese lässt sich sinnvollerweise über eine „Shift“-Tastenkombination in vier Stufen zoomen. Das hilft sowohl bei der groben Orientierung als auch beim Einrichten von Loops (die Abschnitte werden eingefärbt) oder Cues (die Punkte werden mit einem Vertikalstrich markiert). Was einem völlig ungetrübten Wellenformsurfen entgegensteht, sind zwei Aspekte. Zum einen neigt die Wellenform beim Durchlauf zum Flackern. Subtil zwar, aber doch auffällig und permanent. Zum Zweiten baut sich die Wellenform beim Laden des Tracks immer wieder mal extrem langsam auf.
Mit zunehmendem Datenaufkommen verstärkt sich die Verzögerung. Bei kurzen MP3s geht es flott, bei zeitlich langen Wavs dauert es ewig oder klappt auch mal gar nicht. Das dürfte damit zusammenhängen, dass der MDJ-900 jetzt über eine neue Onboard-Analyse verfügt, um ein Takt- und Grid-exaktes Arbeiten zu ermöglichen. In diesem Punkt liegt der Player gegenüber dem 1000er eindeutig im Vorteil. Der besaß eine dedizierte Onboard-Analyse unseres Wissens nach noch nicht. Wer nicht jedes Mal am Gerät warten möchte und absolut exakte bpm-Messungen benötigt, dem steht seit Kurzem noch eine zweite Möglichkeit offen: Die Management-Software V-Case. Ähnlich der Pioneer-Rekordbox oder Denon DJ Engine lassen sich die Titel damit für einen ad-hoc-Einsatz am Player vorab analysieren. Man muss allerdings dazu sagen, dass der Funktionsumfang der Gemini-Freeware V-Case 1.0 sehr dürftig ist. So können innerhalb der Software bislang keine Cues in die Titel gesetzt oder Grids verändert werden. Noch nicht einmal eine Vorhörfunktion für die Titel gibt es. Aber warten wir mal ab, was noch draus wird. Um die Titel für den MDJ-900 (und übrigens auch MDJ-1000) vorzubereiten, langt es.
Viel Licht und ein wenig Schatten
Der MDJ-900 weiß zu überraschen – im Positiven und leider vereinzelt auch im Negativen. So ist das Grundkonzept absolut stimmig und hat man sich an die Kunststoffhaptik erst einmal gewöhnt, kommt durchaus ein spaßbringender DJ-Workflow auf. Der Master-Cue sowie die vier zusätzlichen Cue-Punkte auf der linken Playerseite lassen sich problemlos, schnell und exakt setzen und ebenso einfach über Shift wieder entfernen.
Gleiches gilt für das Anlegen von Loops. Die Loop-Sektion befindet sich direkt oberhalb des Jogwheels. Dort lässt sich entweder einer manuell und beatexakt durch Setzen des Start- und Endpunktes einrichten und nachträglich noch weiter verändern. Über vier zusätzliche Buttons können Autoloops in vordefinierten Längen zwischen 1/8 und 16 Takten ausgelöst werden. Weitere Highlights sind beispielsweise ein Roll-Loop-Mode oder die Slip-Funktion für den Plattenteller. Fast schon unglaublich ist der hochwertige Sauberklang, mit dem der MDJ-900 – genau wie schon der 1000er-Bruder – seinen Nutzer verwöhnt: Die verbaute Soundkarte lässt sich in fünf Voreinstellungsstufen bis auf eine Güte von 24 bit/192 kHz bringen. Ebenso können über den Ethernet-Link-Anschluss auf der Rückseite bis zu vier Player verkoppelt und synchronisiert werden. Die Tracks eines USB-Sticks lassen sich dann, wie beim japanischen Vorbild, von jedem der anderen MDJ-900 im Netzwerk abspielen.
Das alles dürfte im 350-EUR-Segment derzeit konkurrenzlos sein. Und kaumgerät man richtig ins Schwärmen, hauen einem seltsame Bugs Knüppel zwischen die Beine. So reagierten nach einiger Spielzeit beispielsweise die Media-Source-Buttons bei Anwahl zunächst verzögert und dann gar nicht mehr. So etwas ist einfach ärgerlich, denn auf diese Weise schafft es der MDJ nicht aus dem Bedroom hinaus. Was er aber aufgrund des ansonsten positiven Eindrucks mühelos könnte. Derartige Unzulänglichkeiten wird Gemini mit dem nächsten Firmware-Update sicherlich ausmerzen. Sobald die Maschine restlos stabil läuft, stellt sie in Anbetracht des günstigen Preises auf jeden Fall eine Empfehlung für ambitionierte Hobbyists dar.
MDJ-500
Ein paar Worte noch zum MDJ-500. Dieser ist wiederum nichts anderes als ein verkleinertes Abbild des MDJ-900. Das Einzige, worauf man bei diesem wie in alten DJ-Tagen schmal gehaltenen Player verzichten muss, ist das große 8-Zoll-Jogwheel samt zugehörigen Platterfunktionen wie dem einstellbaren Drehwiderstand oder der definierbaren Start-Stopp-Zeit. Anstelle dessen besitzt der
MDJ-500 ein klassisch kleines Jogwheel, das sich jedochabsolut hervorragend führen lässt. Zudem sind wichtige DJ-Funktionen wie der Slip- und Vinyl-Mode weiterhin vorhanden. Aufgrund der geringeren Breite mussten im Vergleich zum 900er leichte Veränderungen beim Layout vorgenommen werden.
So sind Browser-Encoder und USB-Slot von der Display-Kuppel auf die linke Geräteseite gewandert. Und die vormals dort untergebrachten vier Cue-Punkt-Buttons befinden sich nun zusammen mit der Loop-Sektion direkt über dem Jogwheel. Von der 24-bit/192-kHz-Soundkarte über das große Display inklusive Wellenformdarstellung bis hin zur Möglichkeit, den Player über den rückseitigen Link-Anschluss zu vernetzen, entspricht der MDJ-500 ansonsten 1:1 dem MDJ-900. In der Riege der klassisch geschnittenen Compact-Player dürfte der nur 199 EUR kostende Gemini-Neuling somit problemlos oben mitspielen.