GusGus – Auferstanden aus Bankenruinen

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Island. Heimat der Trolle, Feen, Geysire und sonstigen Merkwürdigkeiten. Ziemlich weit weg von Mitteleuropa, bis dann irgendwann die Finanzkrise und ein Asche speiender Vulkan die Insel in unseren Fokus rückte. Keine guten Assoziationen, die nun viele mit der Insel im Nordatlantik verbinden, schickt sie uns doch darüber hinaus auch regelmäßig das Islandtief in unsere Breiten. Aber natürlich völlig zu Unrecht, denn Land und Leute sind vielleicht etwas merkwürdig, haben aber jede Menge zu bieten und sind weder verantwortlich für vulkanologische Aktivitäten noch für zwielichtige Banker und Politiker. Zu den Exportschlagern der erfreulichen Art gehören natürlich GusGus. Seit 15 Jahren verzückt uns die Band mit ihrem Sound zwischen Techno und Pop, füllt Konzerthallen und Clubs rund um den Globus und bringt nun ihr siebtes Album „Arabian Horse“ raus.

Per Skype und mit Blick auf einen sonnigen Tag in Reykjavik bin ich mit President Bongo, bürgerlich Stephan Stephensen, verbunden. Er gehört zur Stammcrew von GusGus, die seinerzeit als neunköpfiges Kollektiv starteten und beinahe jedes Album in anderer Besetzung ablieferten. Das bisher Letzte  -„24/7“- produzierten sie zu dritt: Biggi Veira, Daníel Ágúst Haraldsson (beide auch von Anfang an dabei) und eben der Präsident. Für das neue Werk „Arabian Horse“ ergab sich allerdings wieder eine neue Konstellation, denn zu den Dreien gesellten sich Högni Egilsson, Sänger der Band Hjaltalin und Urður* „Earth“ Hákonardóttir, die auch schon zwischen 2000 und 2007 mit dabei war. Los ging das Unternehmen „Arabian Horse“ im letzten Sommer, da hat sich das Stammtrio in die weiten Lavafelder der Insel zurückgezogen, um abseits von Zivilisation und Hektik neues Material zu entwickeln. „In den ‚Summerhouse Sessions’ haben wir unsere ersten Ideen gesammelt, bevor wir uns dann getrennt voneinander intensiv damit beschäftigt haben.“ Erstmals ging die Band diesen Weg des getrennten Arbeitens. Biggi auf der einen Seite sowie Stephan und Daniel auf der anderen. „Wir haben in separaten Studios gearbeitet bis zum finalen Mix. Das war alles sehr neu für uns, lief aber sehr organisch.“

Högni hat President Bongo bei einem Clubbesuch kennengelernt. Die beiden kamen schnell ins Gespräch und es entwickelte sich in der folgenden Zeit eine Freundschaft, die auch musikalisch genutzt wurde. Die Stimme des Hjaltalin-Sänger ist in drei Songs zu hören. „Ich hatte einen Gig auf den Färöer-Inseln und habe Högi für das Wochenende mitgenommen. Wir haben uns ein Haus gemietet inkl. Klavier und ich habe noch Micro, weitere Hardware und einen Computer mitgenommen. Es war ein sehr intensives und erfolgreiches Wochenende, er ausgezeichnete Arbeitsmethoden und verbreitet eine außergewöhnliche Stimmung.“

Schließlich haben es insgesamt zehn Songs auf das Album geschafft, das nicht nur mit seinem Cover – abgebildet ist ein Araberhengst – eine neue und frische Dynamik ausstrahlt. Es klingt, als wolle man sich von den Fesseln der letzten eher düsteren Jahre der Insel endgültig verabschieden und den Blick in eine bessere Zukunft werfen. Denn kaum ein europäisches Land ist so heftig von der Finanzkrise gebeutelt worden, handstreichartig verschwand das heimische Bankenwesen, das von einigen Jongleuren geradewegs in den Abgrund geführt wurde. Aber es findet ein bemerkenswerter Neustart statt, dessen vorläufiger Höhepunkt im letzten Jahr die Wahl des neuen Bürgermeisters der Hauptstadt Reykjavik war. Es gewann Künstler und Komiker Jón Gnarr mit seiner Partei Besti Flokkurinn (Die beste Partei). Schlimmer als die Etablierten kann er es auch nicht machen, dachten sie wohl die Wähler und hievten den Quereinsteiger mit Punk-Hintergrund an die Spitze der Stadt. Man stelle sich vor in Berlin eine Mischung aus Krömer, Schamoni und Schlingensief als Bürgermeister vor… warum eigentlich nicht?

Erstaunlich ist aber, dass Gnarr gute Arbeit abliefert über Parteigrenzen hinweg dafür gelobt wird. Auch Stephan ist restlos begeistert und sieht nur Positives in diesem Prozess der Verwandlung: „Für uns der künstlerischen Abteilung war der ganze Prozess sehr anregend, es haben sich viele neue Möglichkeiten erschlossen. Und außerdem kommen die langweiligen mit Geld um sich schmeißenden Leute nicht mehr in die Clubs (Gelächter). Jón Gnarr hat letzte Woche eine außergewöhnliche Rede zur Eröffnung des Fashion Festivals gehalten, ich liebe diesen Kerl, es war die beste Rede, die ich je gehört habe…“

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* eine weitere Besonderheit ist die Sprache. U.a. gibt es wie im Englischen ein „th“. Man unterscheidet es zwischen stimmhaft (Ð/ð) wie in „this“ und stimmlos (Þ/þ) wie in „thing“.

„Arabian Horse“ erscheint am 20. Mai 2011 auf Kompakt. Ende Juni kommt die Band für zwei Konzerte nach Köln und Dresden, eine komplette Europatour folgt später.
GusGus