Im Interview mit Warehouse-Gründer Yena Kisla

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01.03.2025 · OFF-LOCATION KÖLN-BICKENDORF (WILHELM-MAUSER-STR. 21-24)

WAREHOUSE – THE BIG REVIVAL

Im Interview mit Warehouse-Gründer Yena Kisla

Line-up: DJ Dag, DJ Hooligan, DJ Tanith, Frank Sonic, Groovemaster K., Gabriel Allegro, Grumann, Jens Lissat, Marc Vision, Mario De Bellis, Marotte, Massimo, Melanie Di Tria, Oki, Oliver Bondzio, Oliver Hess, Paytric, Roland Casper, Steve Mason

Hallo Yena, du hast in Köln das legendäre Warehouse gegründet, etabliert und damit ein Stück Techno-Geschichte in Deutschland geschrieben sowie zur Verbreitung der elektronischen Musik in Europa mit beigetragen. Wie bist du persönlich überhaupt zu der Musik gekommen?

Die Anfänge waren ziemlich lau. Keiner kannte Techno, es war neu und unberührt. Die meisten wussten nichts damit anzufangen. Aber wir glaubten an die Musik und wollten es für uns selbst machen. Wenn du im Raum warst mit 20, 30 Mann, hattest du trotzdem Spaß. Dass mich das am Ende Geld gekostet hat, war mir egal. Ich war pleite, blank, hatte keine Kohle. Aber irgendwie haben wir nicht aufgegeben, bis es eines Tages knallte und der Laden bis auf den letzten Platz voll war – an einem Mittwoch, mit DJ Tanith, Alk und „Abfahrt“ (so hieß die Party). Von da an ging es bergauf. Der Weg hatte sich gelohnt. Die Szene war bereit, einen neuen Weg zu gehen, Techno war in aller Munde und wir hatten es geschafft.
Heute würde sich keiner mehr trauen, es so zu machen wie ich. Da bin ich mir zu 100 % sicher. Meine Familie hat mich für wahnsinnig gehalten, aber ich wollte es.

Wie bist du dann auf die Location in der Wilhelm-Mauser-Straße in Köln-Bickendorf gekommen, die ja doch ein wenig außerhalb liegt?

Ich habe damals im Gebäude oben drüber gewohnt. Unten gab es den Star Club, einen Rock-Schuppen. Die gingen pleite und machten zu. Ich habe ihn dann im Anschluss verwaltet. Danach kamen ein paar Anfragen für private Partys und Konzerte. Kurzerhand habe ich die Sache übernommen. Ich bin so gesehen ins Geschehen hineingesprungen.

Wie waren dann die Anfänge? Wie habt ihr die ersten Partys promotet und es überhaupt geschafft eine Community zu etablieren, in Zeiten, in denen Internet noch nicht das Ding war?

Es war ein harter und steiniger Weg. Wenn ich heute daran denke, dass ich einfach mit einem Klick 4000 WhatsApp-Nachrichten senden kann, muss man sich vorstellen, dass ich damals 4000 Flyer ausdrucken, Briefumschläge adressieren und nach Postleitzahlen sortieren musste. Dann ging es ab zur Post und innerhalb von zwei bis drei Tagen erreichte die Leute die Nachricht, dass ein besonderes Event stattfindet. Das kann sich heute keiner aus der neuen Generation vorstellen. Damals gab es auch die Partysan NRW – Gruß an Greg Cocoo an dieser Stelle – wo alle ihre Flyer bzw. Werbung drucken lassen konnten. Das Besondere waren damals die Plakate, die wir mit den Veranstaltern gemacht haben. Heute ist das leider nicht mehr so wie früher. Im Grunde hat Techno mein Leben echt bewegt – Tag und Nacht, immer in Bewegung.

Schwelgen wir mal in Erinnerungen: Wie sah ein typisches Wochenende im Warehouse zu Hochzeiten aus? Welche Partys gab es?
Ein normales Wochenende? Wirklich? Willst du das wissen? Okay. Freitagabend Party, Samstagabend Party, Sonntagmorgen ab sechs Afterhour im Nachtrock (heutiges Bollwerk). Sonntagmittag die längeren High Noon von 15 bis 22 Uhr, danach ging es alle zusammen in den Ratinger Hof, weil ich ja auch feiern wollte. Montag dann geschlafen, Dienstag bis Donnerstag Office, Booking, Promotion – im Grunde war ich 24 Stunden am Tag für den Club da. Das Highlight war für mich immer die High Noon, weil da wirklich alle DJs aus der ganzen Region kamen. Sven Väth mit seiner Clique war auch oft dabei. Sonntag hieß es dann für sie: Ab nach Köln ins Warehouse.

Wie viele Menschen kamen damals und woher kamen sie?

Wir hatten damals jedes Wochenende ca. 1500 Leute im Durchlauf. Das war in der damaligen Zeit außergewöhnlich. Die Menschen kamen wirklich aus fast ganz Europa. Es hatte sich einfach herumgesprochen, dass es in Köln einen Laden gibt, der musikalisch anders ist als alle anderen. Es war schon krass, auf den Parkplätzen ausländische Autokennzeichen zu sehen. Zu damaliger Zeit hatte ich schon das Bedürfnis, auch außerhalb Deutschlands Werbung zu machen, zum Beispiel Flyer per Post zu versenden. Warum? Weil ich es schön fand, wenn meine Gäste meine Flyer in Frankreich oder Italien sahen. Ich war halt verrückt danach.

Eindrücke der ersten Location in der Wilhelm-Mauser-Straße in Köln:

Auf welche Bookings bist du besonders stolz?
Ich glaube, ich habe fast alle gehabt, die damals im Höhepunkt ihrer Karriere waren. Ich habe mich persönlich immer auf Jeff Mills gefreut und natürlich auf Sven Väth. Damals war es auch eine andere Zeit. Sven ist ja auch ein bisschen ruhiger geworden als früher, aber das ist auch das Alter. Glückwunsch an dieser Stelle an Sven für seinen Bambi.

1994 war dann Schluss in der Wilhelm-Mauser-Straße. Warum im Anschluss der Standort am Mülheimer Hafen?

Der Mülheimer Hafen in Köln kam damals über meinen Getränkelieferanten Falko zustande. Wir waren damals sein umsatzstärkster Kunde. An dieser Stelle ein Gruß an die Familie Falko. Natürlich war es auch für den Lieferanten ein großer Umsatzverlust nach der Schließung des Clubs seitens der Stadt Köln 1994. Ich sagte damals zu Günter, dass ich dringend eine Location suchte, wo rundherum keine Anwohner sind und genügend Parkplätze vorhanden. Da er jahrelang mit uns zusammenarbeitete, wusste er, wie wichtig eine Location ist, wo wir richtig Ramba Zamba machen konnten. Etwa zwei bis drei Wochen später kam er zu mir und sagte: „Yena, ich habe eine Location mit 2000 Quadratmetern, eine alte Lagerhalle. Da gibt es weit und breit nichts.“ Ich fragte, wo das sei und er sagte: „Auf der anderen Rheinseite.“ Da ich aber keine Lust hatte, auf die andere Seite umzuziehen, lehnte ich zuerst ab. Nachdem er mich mehrmals darauf angesprochen hatte, wurde ich weich und sagte: „Okay, ich schaue es mir mal an.“ Dann kam der Tag X, an dem ich mich dort mit ihm traf. Ich sah eine alte Halle, rundherum nichts, und darüber die Zoobrücke. Das sah schon mal gut aus. Als ich in die alten Hallen hineinging, war es um mich geschehen. Ich sah den Club schon komplett fertig in meinem Kopf. So war die zweite Location geboren. Die ersten Monate waren hart, weil das Geld fehlte, um die 2000 Quadratmeter zu sanieren. Also veranstalteten wir immer wieder Partys und steckten jeden Cent in den Laden. Vom Außenbereich bis zum Boden habe ich alles mit meinen eigenen Händen umgebaut. Ich weiß nicht, wie viele Quadratmeter Rigips wir verbraucht haben, aber am Ende ist es einer der schönsten Clubs der Welt geworden.

Mitte der 2000er-Jahre war dann dort Schluss. Heute befindet sich dort das Kölner Bootshaus. Wie kam es zum Verkauf?

In den 2000er-Jahren bin ich Vater geworden und sah zum ersten Mal, dass es auch noch etwas anderes gab als das Nachtleben. Ich war im Grunde genommen einfach satt. Ich merkte immer mehr, dass ich bei meinem kleinen Sohn sein wollte, sehen wollte, wie er aufwächst. Das ist schwierig, wenn man im Nachtleben arbeitet. Damals habe ich für die große Halle einen Partner dazugeholt, der sich um diese kümmern sollte. So hat eins das andere ergeben: Ich habe ihm schließlich alle meine Anteile verkauft. Er wiederum hat es später an Fabian Thylmann verkauft. Ich denke, die Jungs haben danach einfach einen klasse Job gemacht. Jedes Mal als Award-Winner als „Bester Club Deutschlands“ ausgezeichnet zu werden, ist nicht einfach. Ich habe nur den Weg geebnet. Fabian Thylmann hat sich ein starkes Team um sich herum aufgebaut und mit Tom Thomas einen hervorragenden Geschäftsführer ins Boot geholt. Im Grunde betrifft das das ganze Team vom Bootshaus. Deshalb ist ihnen der Erfolg auch absolut zu gönnen. Wir Kölner sagen: Man muss auch gönnen können. Ich bin immer wieder gerne in meiner alten Homebase!

Was würdest du sagen, welches Standing hat die Marke Warehouse heute in der elektronischen Musikszene?
Ich finde, wir als Warehouse haben viel in der elektronischen Szene geleistet und waren an vielen aktiven Events wie der MAYDAY oder der Loveparade in den 90ern beteiligt, sei es in der Organisation oder auf andere Weise. Die zweite MAYDAY zum Beispiel haben wir in Köln 1992 organisiert. Die erste hat ja in der Halle Weißensee in Berlin stattgefunden. Damals hatte Marusha ihre Show beim Sender DT64 in der Hauptstadt. Nach dem Mauerfall fehlte dem Sender das Geld, da er zuvor in der DDR staatlich gefördert wurde und diese Förderung nun wegfiel. Um Gelder für den Sender zu sammeln, entstand die Idee für die MAYDAY.

Die Warehouse Stage auf der Loveparade 1995:

Afterparty zur MAYDAY 1993:

Ich finde, dass sich die Szene über die Jahre in Gruppen aufgeteilt hat: Die Coolen („Wir sind die New Generation, wir können alles besser“) und die Old Generation („Wir haben den Weg geebnet“). Manchmal fehlt einfach der Respekt für das, was geleistet wurde. Wir vom Warehouse haben hier im Rheinland unsere Stellung in der Szene ausgebaut, Künstler gefördert und die Szene am Leben gehalten, während andere nur darauf aus waren, Geld damit zu machen. Geld hat für uns nie eine Rolle gespielt. Heute geht es oft nur noch darum, wie man andere niedermachen oder ihnen die Leute wegnehmen kann. Neid und Missgunst sind mittlerweile wirklich heftig geworden.

Besonders die Kölner Szene ist einfach zum Kotzen. Du kannst dir nicht vorstellen, wie stark man uns als Brand angreift. Es werden sogar aktiv Aversionen verbreitet, mit uns zusammenzuarbeiten. Aber wie gesagt: Kommt Zeit, kommt Rat. Wir sind Warehouse – ob die Leute uns mögen oder nicht. Wir haben Geschichte geschrieben und das ist ein Fakt, der vielen nicht gefällt. Das kann uns keiner nehmen.

Am 27. Februar 2025, an Weiberfastnacht, findet das große Revival in der originalen Location statt. Was befindet sich dort eigentlich heute?
Dort befindet sich ein Festsaal – besser gesagt, ein Hochzeitssaal wie eh und je. Es ist und bleibt die Geburtsstätte vom Warehouse, wo alles angefangen hat.

Der Trailer zum Revival am 27. Februar 2025:

Wie war die Resonanz auf das große Revival? Nachdem ihr in den 2010ern schon Revivals hattet, findet diese schließlich als ganz besonderes Ereignis an originaler Stelle statt.

Das ist jetzt schon das zweite Mal, dass wir dort ein Revival machen. Beim ersten Mal habe ich gesagt, dass wir nie wieder eins machen werden – und so sollte es auch zunächst bleiben. Genau elf Jahre hat es gedauert (2014), bis die Leute mich umstimmen konnten, dort noch einmal eine Wiederholung zu machen. Ich kann es immer noch nicht fassen, dass die Leute so hungrig darauf sind. Dass wir schon längst ausverkauft sind, ist der beste Beweis dafür, dass das Warehouse einfach eine feste Größe ist. Keiner kann uns diesen Tag streitig machen. Alle wichtigen Szene-Aktivisten sind dabei, auch viele DJs, die mit uns und dem Laden groß geworden sind. Besonders stolz bin ich darauf, dass fast 300 Gäste aus der ganzen Welt kommen – allein, wenn ich „ganze Welt“ sage, bekomme ich Gänsehaut. Das muss uns erstmal jemand nachmachen! Ich bin einfach überwältigt und freue mich umso mehr auf diesen Marathon-Tag!

Was sagst du zu der heutigen Szene?

Die heutige Szene ist einfach ekelhaft. Es ist nicht so, dass es früher solche Probleme nicht gab, aber die Missgunst ist stärker geworden. Es geht nur noch ums Geld und Macht. Jeder will die Nummer Eins sein, aber sobald ein Künstler oben angekommen ist, erkennt er im Moment des Erfolgs nicht mehr, wer ihm dabei geholfen hat. Das gilt auch für Veranstalter – immer mehr und immer schneller. Aber ich bin in vielen Dingen immer einen Schritt voraus. Warum? Weil ich das schon seit 35 Jahren mache. Ich muss mich mit niemandem messen. Am Ende weiß ich, dass mich keiner persönlich ansprechen würde, aber hinter dem Rücken geben sie Vollgas. Die Leute fragen sich schon, wie lange er es noch schafft, so lange in der Szene zu sein. Hört mal, kümmert euch doch bitte alle um euch selbst. Wenn jemand besser ist als du, dann habt Respekt und gönnt es ihm. So bin zumindest ich – Gönnen können nicht alle. Immer alles haben wollen, das will jeder. Aber zu welchem Preis? Wir haben schon etliche Male versucht in Köln einen Zusammenhalt der Veranstalter zu schaffen, doch leider hat es nie funktioniert. Seht euch die Clubkomm an – was für eine Funktion hat sie? Nichts. Ich finde es nur Eigennutz, der Verein wird als Waffe benutzt, um Mittel bei der Stadt zu bekommen und diejenigen teilen sich die Beute untereinander auf. Das finde ich schade. Man muss mit Respekt umgehen, nicht nach Macht streben. Aber wie gesagt: Es wird noch viele Überraschungen geben und noch bin ich hier.

Warum ist es wichtig, so ein Warehouse-Revival zu veranstalten? Was hat dich dazu veranlasst?

Solche Revival-Events sind wichtig, um auch der neuen Generation zu zeigen, dass wir als alte Garde auch mit 50 bis 60 Jahren noch auf Techno feiern gehen können. Ich bin froh, dass es solche Classic-Events wie Wonderful Days – The Classic Rave Festival oder Outside World gibt. Außerdem sind diese Veranstaltungen wie ein Familientreffen nach all den Jahren. Es ist wirklich schön zu sehen, wie sich die Menschen entwickelt haben und was aus ihnen geworden ist.

Worauf dürfen sich die Besucher am 27. Februar freuen?

Glaube mir, ich versuche ständig, mir neue Gedanken zu machen, was wir den Leuten alles anbieten können. Und das wird, außer der Musik, eine Menge sein. Wenn wir Classic machen, dann richtig. Aber wie heißt es so schön? Wir wollen und möchten nichts verraten. Am meisten gespannt bin ich allerdings darauf, wer von den Alten die Afterhour ab fünf Uhr schafft. 😊

KURZ UND KNAPP

Oldschool vs. Newschool?
Beides

Print- oder Online-Magazin?
Print

TikTok vs. YouTube?
YouTube

Wilhelm-Mauser-Straße vs. Auenweg?
WMS

Danke dir für das Interview!

Aus dem FAZEmag 154/12.2024
Text: David Fuchs
Web: www.warehouse-club.de