Am 8. Juni erscheint endlich das langersehnte Remix-Album zu Ben Böhmers Erfolgs-LP „Begin Again“, das mit Neuinterpretationen von Adriatique, Matador, Niina, MEUTE und weiteren Top-Acts der elektronischen Musikbranche aufwartet (lest hierzu unser Cover-Feature im kommenden Juni-Heft). Um euch die Wartezeit bis dahin zu verkürzen, haben wir uns den gebürtigen Göttinger geschnappt und mit ihm über seine Produktionstugenden und -vorlieben gesprochen. Vorhang auf für einen der angesagtesten Live-Künstler*innen, den die deutsche Szene aktuell zu bieten hat.
Hallo, Ben. Mit welchem Setup sind deine ersten Produktionen entstanden?
Im Jahr 2010 habe ich erstmals angefangen, selbst Musik zu produzieren, damals noch ganz rudimentär mit FL Studio, meinem alten Laptop und den typischen 20-Euro-Logitech-Speakern, die zu der Zeit nahezu auf jedem Schreibtisch zu finden waren. Ich habe mir dann aber relativ schnell die Beyerdynamic-DT 770-Kopfhörer und zusätzlich die KRK-VXT6-Aktivlautsprecher zugelegt – ein echtes Upgrade. Hinzu kam ein Yamaha-CP300-Stage-Piano, das mir im Alter von zehn Jahren geschenkt worden war. Das ist auch heute noch ein essentieller Bestandteil meiner Produktionen hinsichtlich Akkorde und Melodien.
Im Laufe der Jahre gesellte sich dann immer mehr Equipment hinzu. Was waren deine ersten nennenswerten Anschaffungen?
Für die VXT6-Speaker, die ich bis vor zwei Jahren auch noch genutzt habe, musste ich damals lange sparen. Irgendwann erfolgte darüber hinaus der Umstieg auf ein Macbook. Als es dann mit dem Touren losging und man sich entsprechend mehr leisten konnte, gesellte sich folgerichtig weiteres Gear dazu: neue Monitore in Form der Neumann KH 310, Synthesizer, Pedale, ein Apollo-Interface sowie ein hochwertiger Kompressor (ein 1176er-Nachbau). Da ich aber auch viel mit dem Computer arbeite, häuften sich zudem die digitalen Tools. An dieser Stelle sind beispielsweise die Diva- und Omnisphere-Synthesizer zu nennen.
Man kennt das Bild: ein prall gefülltes Producer-Studio mit gefühlt zigtausenden Geräten. Zum Einsatz kommt davon aber häufig nicht alles. Gibt es bei dir auch das ein oder andere Equipment, dessen Kauf sich nicht so wirklich rentiert hat?
Im Grunde genommen kann man ja mittlerweile fast alles in digitaler Form realisieren. Externe analoge sowie kostspielige Geräte können aus der Produktion höchstens noch ein paar Prozent mehr rausholen, sind aber selbstverständlich auch einfach geniale Spielzeuge, die unfassbar viel Spaß bereiten und ein optischer Hingucker sind. Ich habe mir mal den Moog Subsequent 37 – ein sehr bekannter und hochwertiger Synth – geholt und ihn dann mit dem digitalen Diva-Synth-Plug-in verglichen, das den Moog quasi emuliert. Ich musste feststellen, dass die Diva fast genauso exzellent wie das Original klingt. Der digitale Fortschritt ist inzwischen so gut, dass ein Laie da wohl kaum einen Unterschied erkennt. Entsprechend stand der Moog erst einmal ‘ne Weile bei mir rum, kommt aber mittlerweile oft bei meinen Live-Produktionen auf der Bühne zum Einsatz.
Als DAW nutzt du – wie gefühlt jede Produzent*in von elektronischer Musik – Ableton Live. Was setzt das Programm deiner Meinung nach von der Konkurrenz ab? Was macht es so beliebt?
Ableton ist meiner Meinung nach die beste DAW, um in die Materie des elektronischen Musikmachens einzutauchen. Es ist im Vergleich zu anderer Software einfach wahnsinnig intuitiv und schlüssig, was viele Anfänger dazu bewegt, bei Ableton zu bleiben. Ein weiterer Vorteil sind die verschiedenen Ansichten: Durch die Wahl zwischen Session- und Arrangement-View werden dem Nutzer zusätzliche Freiheiten geboten, was insbesondere zum Live-Produzieren hervorragend geeignet ist. Andere Anbieter verfügen mittlerweile auch über dieses Feature, aber Ableton ist diesbezüglich definitiv Vorreiter.
Hast du – speziell für Einsteiger*innen – irgendwelche Tipps und Tricks, die den Einstieg ins Musikmachen erleichtern? Welches Equipment lohnt, es sich als Neuling anzuschaffen?
Ganz wichtig: einen leistungsstarken Rechner, der mit DAWs – im besten Falle Ableton – zurechtkommt. Dazu am besten hochwertige Kopfhörer und/oder Aktiv-Lautsprecher sowie Sample-Banken. Es gibt mittlerweile echt viele gute Anbieter, beispielsweise Splice, die für einen geringen monatlichen Betrag eine riesige Sample-Bibliothek bereitstellen. Mehr benötigt man als Einsteiger nicht.
Kopfhörer sind ein gutes Stichwort. Du bist – das kann man, denke ich, ruhig so sagen – ein eingefleischter Fan von Beyerdynamic. Die Marke begleitet dich ja quasi seit Stunde null. Welche Modelle benutzt du aktuell?
Die 770er bereiteten mir damals mein erstes lineares Klangerlebnis. Nach dem Wechsel von den Logitech-Speakern war das ein echter Genuss und vermutlich auch der Grund für mich, Beyerdynamic treu zu bleiben. Die Kopfhörer bieten einen wahnsinnig ehrlichen Sound und man entwickelt ein feinsinniges Gespür für das, was man gerade hört. Später habe ich mir dann den etwas „besseren“ DT 1990 PRO geholt, der insbesondere im hohen Frequenzbereich nochmal eine Schippe draufpackt und entsprechend detaillierter klingt als die meisten Lautsprecher. Auf Tour verwende ich derzeit den kürzlich erschienenen DT 900 PRO X, in den ich mich aufgrund seiner von Natur aus höheren Lautstärke sofort verliebt habe. Er wird definitiv mein ständiger Konzertbegleiter der nächsten Jahre werden.
Kurz und knapp: Im Studio eher Lautsprecher oder Kopfhörer?
Das meiste geschieht über die Speaker, ich würde einen Titel aber niemals abschicken, ohne ihn vorher einmal mit Kopfhörern gehört zu haben.
Wie sieht ein klassischer Tag bei dir im Studio aus? Erzähl uns doch ein wenig über deinen Workflow.
Ich würde mich heutzutage als Daytime-Producer bezeichnen und versuche so häufig wie möglich ins Studio zu gehen. Natürlich gibt es auch Sessions, in denen nicht viel zusammenläuft, aber wenn es nach Plan läuft, komme ich in einen regelrechten Hype und musiziere, bis die Ohren glühen.
Nutzt du das Studio nur für die Arbeit oder dient es parallel auch als eine Art Homebase?
Definitiv, ich fühle mich dort sehr wohl. Das Studio liegt in Berlin in einer Area, wo sich viele Künstler*innen und Kreative niedergelassen und dort ihre Produktionsstätten haben. Mein Studio ist Teil einer Wohnung, die ich mir mit der Band Frittenbude teile. Entsprechend gibt es auch ein gemütliches Wohnzimmer sowie eine kleine Küche. Die Atmosphäre mit den Leuten ist superentspannt und es gilt das Gesetz, dass man sich nicht gegenseitig auf die Nerven gehen darf (lacht). Unter mir wohnt der Drummer von den Beatsteaks, den ich vorher aber noch nie kennengelernt hatte. Letztens klopfte es dann an meiner Tür und ich dachte, dass er sich aufgrund der hohen Lautstärke beschweren will. Stattdessen sagte er: „Hey, ich hör immer deinen Bass, klingt total gut! Ich wollte nur mal Hallo sagen.“ Von meinen alten Nachbarn hätte ich das sicherlich nicht erwarten dürfen …
Aus dem FAZEmag 123/05.22
Text: Milan Trame
Credit: Christian Gerhardt
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