
Der 1983 in Villach geborene Sänger, Komponist und Produzent Ziggy Has Ardeur schaut schon jetzt auf eine beeindruckende und vielfältige Karriere. Seit seiner Jugend schreibt er Songs und spielt in Bands. Bis heute hat er mehrere Hundert Live-Shows gespielt, zwei Konzeptalben mit seiner Art Rock Band MBWTEYP veröffentlicht und ist beispielsweise für die Soundtracks der weltweit erfolgreichen Serie „How To Sell Drugs Online (Fast)“ oder „Shiny Flakes“ verantwortlich. Er produziert Musik für Fashion-Shows und Theaterstücke, ist Dozent für Gesang und Songwriting und und und …
Eine sehr abwechslungsreiche Vita, die ebenfalls umfasst, dass er Testimonial für Arturia ist und intensiver Nutzer der Hard- und Software der französischen Technik-Schmiede ist. Im folgenden Interview gibt uns Ziggy einen Einblick in sein Schaffen und seine Studioarbeit.
Wie kam es zu deinem Künstlernamen?
Mein Geburtsname lautet Andreas Siegfried Hammer. Deshalb hör ich auch auf Siggi, aber mein Rufname ist seit meinem elften Lebensjahr „Has“. Ziggy Has Ardeur betitle ich mein Schaffen seit fast 20 Jahren. Ein Hasardeur bin ich eigentlich noch nie gewesen. Ich mochte an dem Wort aber die ursprüngliche Herkunft von „Glücksspiel“ oder „würfeln“.
Ziggy, wann und wie hat sich als Kind (oder Jugendlicher) der musikalische Funken bei der entzündet, der dich dann in eine Musikerlaufbahn führte?
Als Kind saß ich viel im Auto. Da gab es die wenigen Kassetten meiner Eltern Bob Marley, Abba, Michael Jackson, EAV, ein bisschen Blues/Country, Little Richard und Kärntner Chöre. Dazu habe ich hinten ununterbrochen getrommelt und gezwitschert. Meine enge Beziehung zur Musik war schon als Kleinkind klar. Im Kontext der Musik war immer alles anders. Musikalisches Gedächtnis, Gehör und Rhythmus waren irgendwie intuitiv da. In der Jugend waren dann Nirvana, Lou Reed, Bob Dylan, Tocotronic, Lauryn Hill starke Antreiber und nochmal später The Beatles, Radiohead, Tom Waits, Queen, David Bowie. Dass ich Musiker werde, war für mich wirklich immer alternativlos. Ich bin nun seit 20 Jahren Sänger, Songwriter, Komponist und Produzent.
Du produzierst Musik für TV-Serien und Dokumentationen, Fashion-Shows, Theater und vieles mehr, machst Sounddesign für große Marken, bist Dozent – über zu wenig Abwechslung kannst du nicht klagen. Wie kam es dazu, dass du dich so breit aufstellst?
Mein Interesse an Musik ist breit aufgestellt und ich hab schon viele Perspektiven auf Musik erleben dürfen. Meine erste, relevante Band MBWTEYP war recht erfolgreich, aber in der neunjährigen, bewussten DIY-Geschichte habe ich in Gegenleistung zu 100 Prozent Einsatz nichts verdient. Da ich mich ausschließlich mit Musik finanzieren wollte, habe ich alle möglichen Aufgaben gemacht, die auf mich zugekommen sind und bei denen ich meinen Kopf wahren konnte. Mir wurden schon früh spannende, künstlerische Aufgaben anvertraut.
Solange ich unabhängig genug gestalten und mit aller Leidenschaft meinen Stempel hinterlassen kann, bin ich happy. Es ist nur unerträglich, etwas halbgar machen zu müssen oder in Routinen gefangen zu sein. Das ist nicht das, was ich von mir selbst erwarte. Ich hab kaum Ahnung von Jazz, aber ich glaube, meine Karriere ist recht jazzy zustande gekommen. Da hat immer das eine zum anderen geführt und ich hab versucht, meinen dogmafreien Stil zu pflegen.
Gibt es denn irgendein Gebiet, dass du noch nicht beackert hast, was du noch in Angriff nehmen willst?
Eine wirklich neue, große Herausforderung hat sich in den letzten zwei Jahren ergeben und ich durfte für ein volles Symphonie-Orchester komponieren. Ich habe keinen klassischen Background und kann mit Ach und Krach Noten lesen. Zusammen mit Konstantin Gropper (Get Well Soon), mit dem ich hier in Mannheim Studioräume habe und viel gemeinsam arbeite, bekam ich den Kompositionsauftrag für das Eröffnungskonzert der BUGA 23 in Mannheim. Wir durften hierfür mit dem Haifa Symphony Orchestra arbeiten und spielen. Ich durfte mich in dieser altehrwürdigen Kompositionsform erfinden, aber habe u. a. auch eine Pflanze, verknüpft mit Modularsystem, über Orchester solieren lassen. Ich hab nicht erwartet, dass ich mal mit diesem Klangkörper arbeiten darf.
Wie sieht ein klassischer Studiotag aus? Gibt es irgendwelche Rituale, die du dabei pflegst?
Hm, Rituale brauche ich eher im Privaten. Meine Zeit im Studio soll mich im besten Falle überraschen. Darauf ist hier auch fast alles ausgelegt. Ich höre die Sachen, die ich am Tag zuvor gemacht habe und entwickle sie, wenn nötig, weiter. Ich lese ein paar Artikel, schau mich nach interessanten Instrumenten oder Arbeitsweisen um. Dazwischen oder dazu höre ich ein paar neue Releases. Dann probiere ich irgendwelche neuen Patches aus und bau was damit. Je nachdem, wieviel Zeit ich habe, gehe ich auch direkt an Kompositionsarbeiten. Das bedeutet, dass ich mir zum Beispiel ein bis vier Szenen einer aktuellen Produktion vornehme und dafür etwas auf Film baue.
Je nachdem, investiere ich ein paar Stunden für eine Szene oder aber auch einen ganzen Tag. Stilistisch ist meine Arbeit eigentlich gar nicht mehr eingeschränkt. In der Filmmusik muss für mich alles passieren können. Das mag ich besonders an meinen derzeitigen Aufgaben. Dazu kommen natürlich noch Kommunikation, Bürokratie, strategische Entscheidungen oder irgendwelche Visionen weiterdenken. So in etwa…
Unterscheidet sich die Arbeit an einem Soundtrack für eine TV-Serie von der Arbeit an einem Soundtrack für eine Fashionshow?
Die Fashion-Soundtracks sind ca. 15-20 Minuten lang. Das mache ich jetzt seit zwölf Jahren. In meinem Fall bin ich hierbei künstlerisch komplett frei und sehe diese Musik als meine Originale, meine Releases an. Ein bis zwei Wochen experimentiere und suche ich und dann setze ich die Dramaturgie nach meinem Gusto und finalisiere nochmal ein paar Tage. Intro, zwei bis drei verschiedene Tracks und der Final-Track, zu dem nochmal alle Looks laufen. Alles abgestimmt auf die Kollektion. Das macht mir sehr viel Spaß.
Ein Film, eine Serie oder ein Theaterstück sind der Dramaturgie des Materials, der Regie, der Produktion und allen möglichen Entwicklungen in den unterschiedlichen Gewerken unterworfen. Auch hier wird erstmal viel experimentiert und eine eigene, auditive Welt für die Geschichte und das Visuelle erschaffen. Meine Lieblingsphase. Ist der Klangcharakter mal gefunden, erarbeitet man damit den ganzen Score und diverse Energien und Tracks, die mehr im Vordergrund stehen. Hier ist dann wiederum Songwriting gefragt. Da komme ich ja ursprünglich her.
Durch die Arbeit für Fashionshows habe ich es sehr zu schätzen gelernt, meine Musik mit anderen Kunstformen zu verbinden. Dass ich am Theater oder im Film lande, war wohl nur eine Frage der Zeit und viele Regisseur*innen suchen nach eigensinnigen Klangwelten.
Du benutzt Soft- und Hardware für deine Musik? Ist der jeweilige Anteil immer ähnlich gelagert?
Ja, die Hardware spielt in den Findungsphasen eine größere Rolle. Dafür lasse ich mir auch gerne Zeit. In der Ausarbeitung passiert sehr viel ITB. Die Wahl entscheidet dann immer mehr der Zufall oder die Muße. Ich fühle mich in der digitalen Welt gewappneter für die perfektionistischen Arbeitsphasen, im Mixing oder beim Film, was die Korrekturen und Timing-Anpassungen angeht.
In Auftragsarbeiten führt der Zeitdruck dazu, dass ich etwas pragmatischer entscheide. Das ist was Gutes. Im Mixing von eigenen Sachen verzettel ich mich gerne. Da arbeite ich nicht routiniert ab, sondern probiere sehr viel rum und verschlimmbessere sicherlich auch regelmäßig. Trotzdem ist es mir wichtig Mixing und Mastering selbst zu übernehmen. Letztlich gehören ja auch die technischen Fehlgriffe zu mir. Die fünf bis 15 Prozent Qualität nehme ich dafür in Kauf, darin besser zu werden oder auch einen individuelleren Sound zu entwickeln.
„Herkömmliche Sounds nachzubauen finde ich mittlerweile immer wieder mal spannend, aber mein Sounddesign lebt von der Suche nach neuartigen Qualitäten und dem inszenieren von Happy Accidents.“
Beschreibe mal dein Studio-Setup.
Mein Setup ist zum Teil immer im Wandel. Dafür passieren gerade einfach zu spannende Dinge. Aber einige Instrumente und Effekte sind safe dabei. Der Vermona Perfourmer ist Teil jeder Arbeit und ist für mich seit über acht Jahren Live und im Studio Teil meines Sounds. Der trifft meine Vorstellung von analogem Synthesizer. Der Korg MS20 mini war mein erster analoger Synth, mittlerweile nutze ich einen MS20m. Außerdem sind ein Juno 60, ein Soma Pulsar, ein MiniBrute2, ein Nord Drum, ein altes Upright-Piano und ein Modularsystem fest integriert. In der Eurorack-Welt reizen mich eher digitale Klangquellen und Audiobearbeitung – FM, Granular, sowas.
Und ich bin außerdem zur Zeit ein absolutes Opfer, was Effekt-Pedale angeht. Kassetten haben meine ganze Kindheit und Jugend geprägt. Vor ca. zehn Jahren habe ich angefangen, die Hinterbandkontrolle von 3-Head-Tapedecks und Bandmaschinen als Live-Effekt zu nutzen. Also mein Spiel mit leichter Latenz durch Tape aufzunehmen. Ich hab alles gesammelt, was mindestens drei Köpfe hat. Die meisten Geräte stehen jetzt rum und ich nutze nur noch eine Kenwood KW-5066 Bandmaschine, ein Marantz CP-430 für Tapeloops und das Chase Bliss Generation Loss Pedal. In der DAW macht mich hierfür Arturias MELLO-Fi und dessen „wear“, Filter und Stereo-Effekt ziemlich happy und ist ständig im Einsatz.
Welche Hard- und Software benutzt du sonst noch von Arturia?
Ich nutze die Step-Sequenzer, allen voran einen Beatstep Pro, der einige Pedale, ein Modularsystem und Synths mit der DAW synchronisiert. An Software habe ich fast alles. Man wird schnell fündig, wenn man etwas Klassisches sucht und die historischen Softsynths bringen alle noch ein paar Extraskills mit. Der MS-20-Filter ist Teil meiner DNA, also freu ich mich natürlich auch entsprechend über die Emulation. Die Effekte sind einfach inspirierend umgesetzt.
Im Videoclip sagst du: „Wie kann man ein Instrument etwas machen lassen, wofür es nicht gemacht ist.“ Kannst du dazu ein konkretes Beispiel nennen? Und wie gehst du dann an so eine Sache ran?
Mittlerweile sind ja viele neue Instrumente dafür geschaffen, experimentell behandelt zu werden oder zu klingen. Modularsysteme haben meist keine konkrete Aufgabe, sondern laden vor allem dazu ein, eigenartige Verbindungen und Klänge herzustellen. Ich meine damit den grundsätzlichen Approach, Instrumente, Effekte und deren Bestandteile ungewöhnlich zu nutzen. Herkömmliche Sounds nachzubauen finde ich mittlerweile immer wieder mal spannend, aber mein Sounddesign lebt von der Suche nach neuartigen Qualitäten und dem inszenieren von Happy Accidents. Die Hinterbandkontrolle von Tapedecks ist ein gutes Beispiel. Drummachines nutze ich gerne melodiös. Rhythmen ergeben sich oft aus Noise, Sample-Cuts oder eben mit accident-förderlicher Peripherie.
Siehst du deine Kunst durch KI gefährdet?
Einige Aufgaben, mit denen ich mich identifiziere und finanziere, sehen in nächster Zeit bestimmt anders aus. KI ist unendlich kreativ, schnell und günstig. Ich kann mir jetzt ja auch schon Klänge, die ich suche, generieren lassen. Eine Film-Regisseur*in könnte sich Musik aus den unendlichen Libraries suchen oder eben in Sekunden was einigermaßen passendes generieren lassen. Man kann sich einen Film oder eine Geschichte generieren lassen. So Komplexes, wie Feedback, Wertung, Resonanz wird möglich sein. „Meine Branche“ stirbt regelmäßig. Ich würde gerne daran festhalten, wie es gerade für mich läuft, aber ich bin auch nicht damit beschäftigt mich daran zu klammern.
KURZ & KNAPP:
Meine erste selbstgekaufte Platte …
Erste Kassette (1991): Michael Jackson – Dangerous
Die erste CD (1993): 4 Non Blondes – What’s Up
Das erste Vinyl (1997): The Prodigy – The Fat Of The Land
Mein erster Gig …
Ich hab mir mit 15 eine E-Gitarre gekauft und mit zwei Freunden eine Band gegründet. Drei Monate später hatten wir dann mit eigenen Songs unser erstes Konzert. Im Clip hört man auf Kassette, wie das so klang.
Musik ist …
ungreifbar.
www.arturia.com
Fotos: Arthur Bauer