Joyhauser – Zahltag

Foto: Annika Wallis

Mit kreativem Genie und einem unermüdlichen Engagement hat sich das belgische Techno-Duo Joyhauser in den vergangenen Jahren einen festen Platz in der globalen Techno-Elite erkämpft. Die Jungs sitzen derart fest im Sattel, da schlackern selbst die größten Rodeo-Champs mit den Ohren. Nach wohlselektierten Single- und EP-Releases auf Terminal M, Second State sowie Filth On Acid belohnen sich Joris Cielen und Stijn Vanspauwen nun mit ihrem Debütalbum „In Memoro“, für das die engen Freunde mehrere Jahre lang im Studio tüftelten. Das Resultat ist nicht nur ein energiegeladenes Techno-Bravourstück inklusive Live-Show-Komponente, sondern auch ein Fingerzeig nach ganz oben. Mehr Infos gibt’s im Interview.

Hey, Stijn und Joris. Schön, dass ihr da seid. Wie ist der aktuelle Stand der Dinge bei euch?

Joris: Hey! Es gibt derzeit viel zu tun. Im Moment baue ich unser Haus gemeinsam mit meinem Vater um. Wir versuchen, alles vor dem Sommer fertigzustellen, also wird jede freie Minute dafür genutzt. Außerdem habe ich einen 14 Monate alten Sohn und im September kommt ein weiteres Kind hinzu. Wenn ich zwischendurch noch etwas Freizeit finde, versuche ich, Sport zu treiben. Unter der Woche liegt das Hauptaugenmerk aber auf unserer ersten Liveshow im August, die es nun vorzubereiten gilt. Dazu die ganzen Shows am Wochenende … Ich freue mich schon auf einen wohlverdienten Urlaub.

Stijn: Die Festivalsaison steht vor der Tür und das bedeutet auch, dass wir viele Gigs unter der Woche spielen. Es ist nicht einfach, ein gesundes Gleichgewicht zwischen Spielen, Reisen, Studiozeit, Familienleben und Entspannung/Schlaf zu halten.

Das erste Album ist immer etwas ganz Besonderes. Gebt uns einen Einblick in den Produktionsprozess. Was waren die größten Hürden bei der Produktion?

Joris: Wir haben mit der Produktion des Albums begonnen, als Covid-19 zum ersten Mal auftauchte. Das war zunächst ein gutes Timing, da wir viel Zeit zum Produzieren hatten. Wir haben allerdings nicht gedacht, dass die Pandemie so lange anhalten würde. Ab einem gewissen Zeitpunkt sind uns Energie und Motivation ein stückweit abhanden gekommen und wir haben uns viel hinterfragt. War der Track gut? Würde er auf dem Dancefloor gut funktionieren? Welche Art von Tracks würden die Leute nach Covid lieben? Das Feedback vom Publikum fehlte uns sehr. Nach dem Ende der Corona-Krise fanden wir unseren Antrieb glücklicherweise wieder und konnten den Rest der LP leichter fertigstellen.

Stijn: Die größte Herausforderung war in der Tat, ein Gleichgewicht bei der Auswahl der Albumtracks zu finden, eine schöne Geschichte zu erzählen und alles relevant und auf dem neuesten Stand unseres aktuellen Sounds klingen zu lassen, da viel Zeit in die Produktion des ersten und letzten Tracks geflossen ist.

Lasst uns über die Musik sprechen. „In Memoro“ ist eine Zusammenfassung eurer musikalischen Reise. Gibt es Tracks, die man als Reminiszenzen an eure alten Produktionen betrachten kann?

Stijn: Es ist sicherlich noch viel vom „klassischen“ Joyhauser-Sound enthalten, zum Beispiel der Track „LXR02“, aber das Album zeigt auch die Entwicklung, die wir als Produzenten durchgemacht haben. Unser Sound ist ausgefeilter und sauberer geworden, und darauf sind wir wirklich stolz.

Es heißt, ihr wollt mit „In Memoro“ ein neues Kapitel beginnen, und es ist kein Geheimnis, dass ihr nach ganz oben schielt. Was sind eure Ziele? Ihr habt ja schließlich schon eine ganze Menge erreicht.

Joris: Nach vier Jahren DJing, zahllosen Club- und Festival-Gigs sowie verschiedenen Releases auf großen Labeln fühlte es sich nach dem richtigen Zeitpunkt an, um uns selbst zu erneuern. Wir machten ein Brainstorming und das Ergebnis war „In Memoro“. Es steht für ein Gesamtkonzept: das Hosten von Clubs und Stages, das Album, unser Live-Projekt und unsere Labelgründung am Ende des Jahres. Wir waren immer der Meinung, dass wir uns zuerst auf Joyhauser konzentrieren sollten, aber jetzt ist es an der Zeit, unsere eigene Marke und Community zu schaffen.

Bezüglich der audiovisuellen Liveshow habt ihr gesagt: „Wir versprechen, das wird das Coolste sein, was ihr je von Joyhauser gesehen habt.“ Jetzt sind wir natürlich neugierig.

Joris: Eine eigene Liveshow war schon immer unser großer Traum. Mit dem Release des Albums ist nun der richtige Moment hierfür gekommen und wir freuen uns sehr auf die erste Show im August beim Pukkelpop. Es wird eine 90-minütige Peak-Time-Techno-Show sein, gespickt mit neuem Album-Material und Hits aus der Vergangenheit – ein regelrechter Porno für wahre Joyhauser-Fans, haha.

Gibt es auch so etwas wie einen konzeptionellen Rahmen für die Show und das Album?

Joris: Wie ihr wisst, wurde der Name Joyhauser von zwei Psychologen abgeleitet. Dieses Interesse an Psychologie bildet den konzeptionellen Rahmen für unser Debütalbum und unsere visuelle Show. Joy Paul Guilfords Erkundungen der Intelligenz und Marc Hausers Arbeit über das Verhalten von Primaten bilden zwei wichtige Säulen unserer Inspiration. Den richtigen Partner für das visuelle Konzept fanden wir schließlich in einem Künstler namens Bysolo. Er kommt aus Rotterdam und ist ein sehr talentierter Mann, mit dem es eine wahre Freude ist zu arbeiten.

Ihr seid bereits seit 2004 befreundet. Wie habt ihr euch eigentlich kennengelernt und wann habt ihr gemerkt, dass aus der Freundschaft etwas Großes entstehen könnte?

Joris: Wir kennen uns aus der Schulzeit. In unserer Heimatstadt haben wir damals angefangen, gemeinsam Partys im Jugendhaus zu veranstalten. Die waren direkt sehr erfolgreich, also beschlossen wir, weitere Partys in ganz Belgien zu organisieren. Aus dem Event- und Veranstaltungskonzept ist dann irgendwann die Idee gereift, selbst musikalisch aktiv zu werden und eigene Tracks zu produzieren. Zehn Jahre lang haben wir Musik mit Studium und Arbeit kombiniert. Harte Zeiten. Wir hätten nie gedacht, dass wir es so weit schaffen würden, da Techno nur unsere Leidenschaft und unser Hobby war. Wir sind nach wie vor stolz auf uns.

Wann seid ihr denn überhaupt zum ersten Mal mit elektronischer Musik in Berührung gekommen?

Stijn: Da waren wir gerade einmal 14 Jahre alt. Wir besuchten 2006 das Event I Love Techno und verliebten uns sofort in die Musik. Ich bekomme immer noch eine Gänsehaut, wenn ich nur daran denke. Adam Beyer, Joris Voorn, Monika Kruse. All diese Künstler*innen, die damals dort auftraten, sind jetzt unsere Kolleg*innen. Das ist schon verrückt. Natürlich verschwanden auch viele Artists, die wir damals bewunderten, wieder von der Bildfläche oder veränderten ihren Stil. Aber so ist das eben in diesem dynamischen, schnelllebigen Geschäft.

Ihr habt es zu Beginn des Interviews erwähnt: Auf euch warten stressige Wochen und Monate. Eine kurze Zusammenfassung eurer Schedule?

Joris: Es wird stressig, aber wir sind glücklich über den Zeitplan. Unsere Agentin Aline versucht immer, ein perfektes Gleichgewicht zwischen Arbeits- und Privatleben zu schaffen. Jetzt steht erst einmal unsere Südamerika-Tour in Chile, Argentinien und Uruguay vor der Tür. Wir waren lange nicht mehr da und freuen uns riesig.

Stijn: In Europa freuen wir uns auf das Awakenings, die Street Parade in Zürich, das Echelon Festival und unsere Ibiza-Gigs mit Amelie Lens im DC10. Das Highlight des Sommers wird aber selbstverständlich unsere Liveshow beim Pukkelpop sein.

„In Memoro“ ist am 23. Juni via Terminal M erschienen.

Aus dem FAZEmag 137/07.2023
Text: Milan Trame
Foto: Annika Wallis
www.joyhauser.com