Julian Jeweil – Über Erfolg und Fischsuppe

Ein neues Jahr, eine neuer Mix! Und dieser erste FAZE-Mix in 2018 kommt vom Franzosen Julien Bérard, besser bekannt als Julian Jeweil. Kaum ein anderer Produzent liefert in einer solchen Konstanz hohe Qualität und stürmt mit seinen Tracks regelmäßig die Beatport-Charts. Wir haben für euch ein Gespräch mit dem DJ und Produzenten aus Marseille festgehalten.

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Es freut mich sehr, dich in unserer Januarausgabe dabei zu haben Julien. Deine Produktionen haben mich schließlich über lange Zeit begleitet! Wie eigentlich bei allen Künstlern generell, interessiere ich mich für deine musikalischen Hintergründe, deinen Werdegang als Musiker, Produzent und DJ und welche Möglichkeiten sich dir durch den Erfolg bieten, welche Ziele du verfolgst, was dich im Alltag antreibt, fasziniert und beflügelt. Doch beginnen wir doch von vorn. Dein Einstieg in die Welt der elektronischen Musik begann offiziell, nun wie soll ich es ausdrücken, mit einer Art Urknall? Dein Erfolg kam sehr plötzlich, denn mit dem Release deiner ersten EP „Air Conditionné“ konntest du direkt auf Platz 1 der Beatport-Charts klettern, an dem wir auch deine darauffolgenden Arbeiten regelmäßig wiederfinden konnten. Das hattest du so sicherlich nicht geplant oder?

Vielen Dank für deine Worte Julian, ich freue mich über dein Interesse. Aber um direkt auf deine Frage zu antworten, einen derartigen Erfolg mit meiner ersten EP, auf Electric Rescues Label Skryptöm Records, hätte mir nicht ansatzweise vorstellen können. Aber natürlich machte es mich damals schon sehr stolz und das tut es auch heute noch.

Damit ein Release auf Anhieb so einschlagen kann müssen viele Bedingungen erfüllt sein. Zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein, das gehört natürlich immer dazu, aber auch die Qualität und Stil der Musik muss stimmen, einen Nerv treffen. Woher stammte dein Wissen um Produktion, Komposition und Musik im Allgemeinen?

Das stimmt, doch Ausnahmen bestätigen wie immer die Regel. Ich spielte keinerlei Instrumente in meiner Jugend und fokussierte mich zu Beginn eher auf Genres wie Trip-Hop, Hip-Hop und Alternative Rock. Mit elektronischer Musik dieser Art kam ich allerdings recht früh in Berührung, mit etwa 16 Jahren, Mitte der Neunziger Jahre. Ein paar Jahre später folgte das DJing und kurz darauf begann ich mit dem Produzieren eigener Stücke. „Air Conditionné“ folgte dann Ende 2006. Bis dahin hielt ich mich mit „normalen“ Jobs über Wasser und bildete mich in Grafikdesign weiter, was mir sehr gefiel. Doch es war dann relativ schnell klar, dass ich mich zu 100% auf die Musik konzentrieren werde. Im Großen und Ganzen ein nahtloser Übergang.

Statt Grafikdesigner bist du nun also ein erfolgreicher Sounddesigner geworden. Was war denn der Auslöser für deine Faszination für die elektronische Musik? Eher einem bestimmten Zeitraum oder einem Zeitpunkt geschuldet? 

Ein Freunde von mir besuchte mich zu Hause und brachte zwei neue Dave-Clarke-Platten mit, die wir in meinem Zimmer hoch- und runterspielten. Ich verfiel dieser Art der Musik sofort und versuchte so viel wie möglich davon aufzusaugen. Ich ging zu Partys in meiner Heimat in und um Marseille oder fuhr ein paar Stunden, nur um einen bestimmten Plattenladen aufzusuchen und mein komplettes Taschengeld in neues Vinyl zu investieren.

Du lebst auch heute noch in Marseille nicht wahr? Haben dich Szene-Hotspots und Weltstädte wie Berlin, London und Amsterdam nie gereizt? Viele deiner Kollegen sind gegangen. Was hält dich in der Hafenstadt?

Nun ich wohne nicht mitten in der Stadt, eher in der Region um Marseille um es ein klein wenig genauer auszudrücken. Hier wohne und lebe ich schon mein ganzes Leben, hier wuchs ich auf und schlägt mein Herz bis heute. Es ist mein Zuhause, meine Heimat. Auch meine Frau, meine Familie und Freunde wohnen hier, was mich noch mehr an diesen Ort bindet. Mit das Schöne an der neuen, globalisierten Welt ist ja, dass man zwar überall hingehen kann, es aber nicht mehr muss. Es spielt einfach kaum noch eine Rolle an welchem Ort man sich niederlässt, solange man Zugang zum Internet hat. So kann auch ich mit allen möglichen Leuten Kontakt halten und zusammenarbeiten. Davon abgesehen ist Marseille eine sonnige und warme Stadt, eben sehr mediterran. Durch ihre Lage gibt es hier viel von dem was das Meer uns schenkt und daraus wird dann so etwas wie unsere traditionelle Fischsuppe Bouillabaisse. Insgesamt lebt es sich hier entspannter als an anderen Orten und trotz allem ist Marseille eine der größten und wichtigsten Städte Frankreichs mit einer wachsenden Musikszene, einem florierendem Nachtleben und mit einigen der besten Clubs des Landes.

Das hört sich definitiv sehr einladend an, Julien. Euer Fischgericht ist wirklich sehr bekannt! Bestimmt ist es dieser Eintopf, der dich im Studio so aufblühen lässt. Ich kenne schließlich keinen Techno-Produzenten, der so oft und die Charts stürmt wie du es tust. Oder wie erklärst du dir diesen Erfolg? Mit dem Mixdown? Mastering? Timing? Ich bin mir sicher, dass jeder Leser dieses Geheimnis gerne mit dir teilen würde!

(lacht) Ich wünschte, ich hätte diese Art mystische, hellseherische Kraft, die mich bereits im Studio wissen lassen würde, was zu tun ist, um einen Hit zu landen. Ehrlich gesagt, glaube ich jedoch, dass für mich der beste Weg zum Erfolg darin besteht, den Tag früh zu beginnen, einen Großteil der Zeit im Studio zu verbringen, hart zu arbeiten und Wert auf einwandfreie Qualität zu legen. Ausschlaggebend für meinen eigentlichen musikalischen Schaffensprozess ist, dass ich nach dem passenden Groove von Kick und Bassline suche. Hier einen Treffer zu landen, gibt mir den Impuls einen neuen Track zu starten. Erst dann folgen die Melodien und weitere Rhythmen.

Wie sieht es denn aus, dein Studio? Wie bist du dort aufgestellt?

Ich nutze in der Regel Cubase, Native Instruments Komplete, einen Dave Smith Pro 2 und andere digitale Studiotechnologie. All diese Dinge sind in gewisser Weise maßgeblich für meine Produktionen und meinen Sound verantwortlich.

Die Frage, woher man die Inspiration für neue Stücke nimmt, kann oft nicht oder nur schwer beantwortet werden. Wie ist das bei dir? Findest du überall neue Ideen für deine Musik? Beschreibe mir doch einen solchen Moment, in dem dir die „perfekte“ Idee in den Sinn kommt. 

Inspirieren lassen kann man sich tatsächlich von allem und jedem, man muss es nur zulassen und offen sein für die Gefühlswelten, die einen täglich umgeben oder gar in einem selbst schlummern. Diese Emotionen dann in Musik zu übersetzen ist nicht nur der schwerste Teil der Produktion, es ist auch besonders anspruchsvoll diese ganze Angelegenheit in Worte zu fassen. Eigentlich weiß ich da selbst gar nicht, wo ich beginnen sollte, es passiert schließlich instinktiv.

Womöglich ist das auch besser so. Nicht alles muss verbalisiert werden, schon gar nicht in der Musik und schon gleich gar nicht in der elektronischen Sparte. DJs bauen mit ihren Sets, teilweise über viele Stunden hinweg, ebenso Musik-gewordene Gefühlswelten auf, lassen diese in sich zusammenstürzen und beginnen von neuem. In so ein Set kann man sehr Zeit investieren. Ziehst du die langen Clubsets von vier bis fünf Stunden vor oder findest du eher Gefallen an einem 90-minütigen Power-Set auf einem Festival?

Beide Spielarten sind großartig, doch so einfach entscheiden lässt sich das nicht. Es hängt ganz von der Venue, der Crowd und der Atmosphäre vor Ort ab. Je nach den Bedingungen machen kurze Sets Sinn, denn diese erlebt man in der Regel sehr intensiv. Jedoch können lange Sets ebenso Spaß machen und funktionieren, vor allem wenn das Publikum offen dafür ist. Dann entsteht eine Art Symbiose zwischen Künstler und Tänzern, die Nächte für beide Seiten unvergesslich werden lässt. Damit es soweit kommt, bedarf es jedoch nicht nur einer offenen Crowd, sondern auch eines empathischen DJs. Stur seinem Stil zu folgen, obwohl man die Leute nicht damit erreicht, bringt nichts.

Dieses Spiel treibst du nun schon seit über zehn Jahren. Langweilt dich das auch manchmal? Das viele unterwegs sein? Der Stress? Könntest du dir vorstellen andere Wege zu gehen, vielleicht doch wieder Grafikdesign?

Ich liebe mein Arbeit und den dazugehörigen Alltag. Seit zehn Jahren kann ich mir nicht vorstellen, meinen Beruf einmal radikal zu ändern. Doch vielleicht mag der Tag irgendwann kommen, an dem ich anders denken werde, wer weiß was schon. Im Moment fühle ich mich allerdings sehr wohl.

Das liegt mitunter vielleicht auch an deiner Ende letzten Jahres veröffentlichten EP „Space“ auf Drumcode, einem der bekanntesten Labels der Szene. Viele und sehr erfolgreiche Releases zieren mittlerweile deine Diskografie, du hast auf Cocoon, M_nus, Drumcode, Figure, Skryptöm, Form, Octopus und weiteren renommierten Plattformen Eindruck hinterlassen, doch ein Album war bisher noch nicht dabei. Vielleicht eine Idee für das noch junge Jahr 2018?

Ja der Release meiner letzten EP ist noch nicht lange her und trotzdem habe ich immer viel zu tun, bin auf Tour oder habe andere dringende Dinge auf dem Zettel, die erledigt werden wollen. Momentan arbeite ich wieder auf Hochtouren im Studio und reise am Wochenende. Das muss vorerst reichen. Doch sobald sich in diese Richtung etwas entwickelt werde ich es euch wissen lassen.

Kommen wir zum Ende des Interviews Julien. Du bist in der Tat nonstop auf Tour und kommst gut rum in der ganzen Welt. Wirklich ein großartiger Nebeneffekt deiner Arbeit. Welche Orte haben dich bisher am meisten fasziniert?

Oh ja, da hast du recht, die Musik trug mich schon an wirklich unglaubliche Orte. Ich denke da im Speziellen an Südamerika und die wunderschönen Gegenden, die ich in Argentinien und in Peru besuchen durfte. Aber auch die wilde und raue Küste Nordaustraliens war atemberaubend! Ich schätze mich sehr glücklich, all das erleben zu können.

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Aus dem FAZEmag 071/01.2018
Text: Julian Haussmann