Schnelles Leben, schnelle Beats: Techno-Königin Klaudia Gawlas ist in den Sommermonaten ständig auf Achse. Anlässlich ihrer großartigen neuen EP „Lost Control“ haben wir im Rahmen des „Sea You“-Festivals die Gelegenheit ergriffen und mit der Wahl-Passauerin ein Interview geführt.
In diesem Monat kommt deine neue EP „Lost Control“ auf MOD, nachdem dein aktuelles Album ja auf Credo erschienen ist. Wieso nun wieder auf dem eigenen Label und wie beschreibst du den Stil der drei Tracks?
Die Tracks haben einfach nicht auf Credo gepasst, weil sie vom Aufbau her ganz anders sind. „Lost Control“ ist etwas minimalistisch gehalten, während der Remix von Flug dem Ganzen noch mehr Schwung gegeben hat. Der dritte Track „White Circles“ ist einer meiner neuen Lieblingstracks geworden und kommt auch gut auf dem Floor an. Die Tracks sind allesamt floortauglicher, haben mehr Energie und „Moondance“ sowie „White Circles“ auch viel mehr Spuren. Es hört sich kräftiger an. Außerdem wollte ich es auch wieder auf meinem eigenen Label machen – da hat man mehr Kontrolle. Kontrolle über alles: Vertrieb, Werbung, Promo und all das, was dazugehört. Ich habe gerne die Fäden selbst in der Hand.
Flug hat den Titeltrack geremixt. Wie bist du auf Sebastian Lopez aka Flug aufmerksam geworden? Was magst du an seinem Remix?
Für mich ist Sebastian der neue Superproduzent. All seine neuen Tracks, die zum Teil noch gar nicht veröffentlicht wurden, sind Bombe. Er hat mir einen dicken Ordner mit Tracks geschickt und ich saß da und konnte nicht fassen, was ich da höre. Einfach klasse, und zwar durch die Bank alle Tracks. Der Klang, die Energie. Da ist es natürlich toll, so einen Artist mit ins Boot zu holen. Es ist mir eine Ehre, ihn als Remixer zu haben, auch wenn ihn die Masse noch nicht so auf dem Schirm hat. Aber er ist ein toller Künstler und ich hoffe, dass er noch mehr Gehör findet. Anfang des Jahres sind wir in Barcelona durch den berühmten Park Guell spaziert und hatten ein super Gespräch über die Musik. Wir verstehen uns einfach auch sehr gut. Deswegen habe ich ihn gefragt.
Was erscheint in den kommenden Monaten auf MOD?
Ehrlich gesagt haben wir jetzt für 2017 keinen strikten Releaseplan, es läuft eher locker ab dieses Jahr. Deswegen weiß ich noch gar nicht, wer oder was in den kommenden Monaten erscheinen wird. Ich will auf jeden Fall wieder etwas mit Eric Sneo machen. Aber ich komme durch die Vielzahl an eigenen Projekten und Gigs gerade nicht dazu, ihn im Studio zu besuchen.
Du bist gerade in den Sommermonaten ständig auf Achse. Vom Flugzeug in den Shuttle zum Festival, ins Hotel und zurück. Wie oft kam es schon vor, dass du beim Aufwachen im Hotel nicht mehr wusstest, wo du dich befindest?
Das kommt öfter vor, als man glauben mag. Vor allem dann, wenn ich an einem Tag zwei Gigs an verschiedenen Orten habe und natürlich dann in zwei verschiedenen Hotels wohne. Da landet man plötzlich vor einer fremden Tür und wundert sich, warum sie nicht aufgeht, oder man wacht auf und denkt sich: Wo bin ich, was war gestern, in welcher Stadt sind wir? Man ist da total lost für die ersten paar Sekunden. Es taucht dann alles gleich wieder auf, aber dieser kurze Moment des „lost“-Seins ist lustig. Wenn ich drei Gigs hatte, weiß ich oft am Montag nicht mehr, wie meine Hotels aussahen. Aber das ist ja auch Nebensache. Ich bin da, um Sound zu machen. Und an die Partys erinnere ich mich immer.
Was sind für dich absolute No-Gos auf Festivals? Sei es hinsichtlich Shuttle, Catering, Stage oder Fans.
Blöd ist natürlich immer, wenn der Fahrer einen nicht abholt oder verspätet ist. Das stresst dann unnötig und man kommt in Zeitnot. Das kann ich nicht so gut leiden. Auch furchtbar finde ich die Aktionen, wenn man zwei Gigs unbedingt spielen möchte, dazwischen aber nur zwei Stunden Schlaf liegen. Das ist ziemlich anstrengend. Ich versuche, das jetzt etwas zu ändern, weil mich das auf Dauer umbringt. Wichtig ist es auch, als Artist einen ruhigen Bereich zu haben. Ich kann mich noch an ein Event in Tschechien erinnern, da hatte ich eine schlimme Anreise und danach musste ich mich in einem Container direkt hinter der Bühne umziehen und frisch machen. Der Bass von der Bühne hat die Wände des Containers so wackeln lassen, dass es unmöglich war, sich darin aufzuhalten. Das ist ein No-Go. Dazu zählen auch fürchterliche Backstage-Räume. Da gibt es wirklich schlimme Sachen. Da sinkt auch dann die Laune etwas. Aber mehr wüsste ich jetzt nicht – ich freue mich immer auf die Festivalsaison.
In welchen Momenten verlierst du die Geduld und die Kontrolle?
Ich bin ein sehr emotionaler Mensch und natürlich geht auch mit mir manchmal das polnische Temperament durch. Privat bin ich zwar nicht so perfektionistisch veranlagt, aber bei meiner Arbeit durchaus. Wenn mich im Club die Technik herausfordert, weil an der Anlage alles falsch eingestellt ist – da kann ich manchmal die Geduld verlieren und schmeiße auch den Kopfhörer ins Eck, um mich abzureagieren. Es fällt ja immer auf den Artist zurück. Da bin ich dann schnell auf 180, weil das Dinge sind, die man vermeiden kann, indem man alles vorher richtig einstellt. Kontrollverlust ist für mich etwas anderes. Es ist eine gewisse Machtlosigkeit, die man spürt. Jeder von uns hat gerne Kontrolle über sein Leben, aber manchmal befindet man sich im Schleudergang. Das ist für mich der totale Kontrollverlust. Diesen Zustand hat man ja öfter, da alles so schnell geworden ist und Dinge passieren, die man überhaupt nicht mehr beeinflussen kann. Egal ob positiver oder negativer Art.
Du fährst gerne schnell Auto – natürlich nur dort, wo es erlaubt ist. Inwiefern gab es schon mal eine Situation, in der du die Kontrolle über dein Auto verloren hast? Was ist passiert?
Das ist mir zum Glück erst einmal passiert. Ich bin gleich mit 18 Jahren, kurz nachdem ich den Führerschein hatte, auf Eis in einer Kurve ins Rutschen gekommen und steuerte direkt auf ein Auto zu. Ich habe damals in letzter Sekunde die Handbremse gezogen, es hat mich wieder auf meine Straßenseite gezogen und ich dachte mir nur „ab in den Graben damit“. Mein Auto hatte nicht einen Kratzer, aber war erst mal unter Tiefschnee begraben. Das war mir eine Lehre, wie schnell es gehen kann, ohne dabei schnell zu fahren. Heute bin ich gerne flott unterwegs, aber nur wenn die Autobahn frei ist und es der Verkehr zulässt. Ich liebe die Beschleunigung. Aber ich möchte auch ein fairer Fahrer sein und achte immer auf die anderen. Man muss es nicht ausreizen, bin man tatsächlich die Kontrolle verliert. Wer schnell fährt, braucht auf jeden Fall super Bremsen (lacht).
Du triffst jedes Wochenende andere Künstler. Mit welchem Act würdest du aktuell gerne eine Kooperation eingehen?
Ich hatte jetzt eine Kooperation mit Drumcomplex. Da ich zufällig in der Nähe war, haben wir uns ins Studio gesetzt. Das Ergebnis kommt Ende des Jahres auf Sleaze Records heraus. Ich arbeite aktuell mit Niereich an einer EP, aber dadurch, dass ich so viel unterwegs bin, läuft es eher schleppend. Ich habe ja auch noch meine eigenen Produktionen, die ich ebenfalls voranbringen möchte. Dann ist die Woche immer sehr kurz und momentan bin ich auch etwas langsam im Studio.
Auf welche Festivals und Club-Gigs in den kommenden Wochen freust du dich besonders?
Der Sommer ist kurz vor dem Peak. Die Nature One steht an, darauf freut man sich immer sehr – und mit Echelon ist es dann ja fast schon wieder rum. Ich hatte für August einen Termin für N.Y. auf der Liste, der aber dann an dem Visum-Wahnsinn gescheitert ist. Somit hatte ich unerwartet frei und habe dann auf 14 Tage verlängert – das ist etwas Besonderes, im Hochsommer Urlaub zu machen! Das hatte ich schon lange nicht mehr. Sonst stehen auch noch viele andere tolle Gigs an. Ich werde wieder vom Süden bis in den Norden unterwegs sein: Würzburg, Hamburg und sogar noch mal Köln dieses Jahr. Also haltet die Augen offen!