Gut, besser, Superbooth! Es ist wieder so weit. Die alljährliche Fachmesse mit Festivalcharakter im Berliner FEZ ruft auch in diesem Jahr wieder alle Fans der Klangerzeugung zum Branchentreff. Wir haben für euch in diesem Jahr einen der Aussteller besonders unter die Lupe genommen und ihn schon im Vorfeld in seinem Atelier in Eindhoven besucht: 2manysynths baut geile nachhaltige Cases, die sofort ins Auge fallen. Die Vorbereitung zur SB24 laufen in unserem schönen Nachbarland auf Hochtouren.
Hallo, Arjan. Wie bist du dazu gekommen, Cases zu bauen? Erzähle uns und unseren Leser*innen ein wenig über deine Leidenschaft!
Vor ein paar Jahren entdeckte ich auf einer Reise mit Freunden meine Leidenschaft für Synthesizer. Ich suchte nach einer Möglichkeit, sie relativ kompakt und schön auf meinem Schreibtisch zu platzieren und baute mir einen handgefertigten Ständer. Das kam in meinem Freundeskreis überraschend gut an, und es dauerte nicht lange, bis die erste richtige Bestellung einging. Dank meiner Einrichtungsfirma (www.Vij5.nl), die sich auf funktionale ästhetische Produkte für Innenräume spezialisiert hat, verfügte ich bereits über die notwendigen Maschinen und Werkzeuge, um das Ganze relativ schnell zu vergrößern. Es dauerte nicht lange, bis ich auf Eurorack stieß, und wie alles bei modularen Synthesizern … lief es schnell aus dem Ruder. Jetzt nehmen die Eurorack-Gehäuse den größten Teil der Bauzeit in Anspruch. Wir bauen aber auch Cases aus Massivholz für andere Synthesizer und einige Ständer.
Wie sieht ein typischer Arbeitstag bei dir aus? Gibt es bestimmte Wochentage, an denen du Cases baust, und wie viele Schritte sind nötig, bis ein Gehäuse den Weg zum Kunden findet?
Ich habe einige Standardmodelle, aber die meisten Fälle erfordern einige Anpassungen auf Kundenwunsch. Ich passe sie zunächst an oder erstelle ein 3D-Modell am Computer. Da wir hier einen Lasercutter haben, der uns durch seine Präzision viel Arbeit erspart, werden die Seitenteile der Cases während der Arbeitswoche zugeschnitten. Meistens am Ende der Woche, am Donnerstag, Freitag und Samstag, haben wir unsere „lauten Tage“, an denen die meisten Holzarbeiten erledigt werden. Die Seitenteile werden auf einer Oberfräse bearbeitet, um die Kanten des Laserbrenners zu säubern, die horizontalen Teile der Gehäuse werden auf der Säge zugeschnitten, und dann gibt es viel Handarbeit: Schleifen, Ölen und dann Zusammenbau durch mich und mein Team. Vor allem das Ölen erfordert Geduld und wir müssen sehr präzise arbeiten, meist mit zusätzlichen Schleifschritten zwischendurch und einer abschließenden Ölschicht. Die Endmontage wird immer von mir durchgeführt, um die Endqualität jedes Gehäuses zu gewährleisten.
Was macht ein 2manysynth-Gehäuse im Vergleich zu den Produkten anderer Hersteller so besonders? Woher kommt z.B. das Material, das du verwendest?
Das Wichtigste bei meinen Cases ist, dass ich nicht einfach ein „Gehäuse“ entworfen habe, sondern ein System. Das System besteht aus Seitenteilen und horizontalen Holzteilen, die alle auf der gleichen Geometrie basieren. Dies ermöglicht uns, jeden Kundenwunsch schnell zu erfüllen und maßgeschneiderte Gehäuse oder Variationen von bestehenden Gehäusen zu erstellen, ohne alle Schritte neu entwerfen zu müssen. Die Seitenteile werden aus 12 mm dicken vorgefertigten Platten hergestellt, die mit dem Lasercutter geschnitten werden. Die horizontalen Teile hingegen werden normalerweise aus wiederverwendeten, nachhaltigen massiven Eichenböden hergestellt.
Auf welche zukünftigen Produkte können wir uns schon jetzt freuen?
Auf der Superbooth werde ich eine Serie von „Superbooth Special Editions“ mit 15+ Cases vorstellen. Die ersten zehn basieren auf meinem 10U-Modell im VCS3-Stil, allerdings aus massiver Esche mit tollen Farben und massivem Nussbaum. Um sie noch spezieller zu machen, habe ich bei meinem Stammlieferanten farbige Rails in Auftrag gegeben. Etwas, das ich noch nie gesehen habe und schon immer mal ausprobieren wollte. Die farbigen Schienen passen perfekt zum Leinöl auf dem Holz und machen jedes Gehäuse noch einzigartiger. Daneben wird es noch einige kleinere 3U-, 4U- und 6U-Gehäuse aus den wertvollen Reststücken der Rails geben. Bei allen meinen Gehäusen ist die Stromversorgung optional. Wir verbauen standardmäßig das Meanwell RT65B, ein kostengünstiges und effizientes Netzteil. Daneben bieten wir aber auch Produkte von Konstantlab an. Der Vorteil hier ist, dass man hier ein externes Netzteil hat, durch das keine gefährliche Hochspannung im Gehäuse vorhanden ist. Aus diesem Grund werden einige meiner Gehäusemodelle und Seitenteile jetzt sogar bei Thomann verkauft. Das läuft ganz gut und ich bin stolz darauf, dass ein so großer Partner meine Gehäuse weiterverkauft.
Du gehst ja besonders auf Kundenwünsche ein. Gab es schon einmal ein Projekt, das du ablehnen musstest, weil es vielleicht zu komplex war?
Bis jetzt haben wir alles möglich gemacht. Vorzugsweise, wenn es in mein „System“ passt, aber ansonsten finden wir immer eine Lösung. Das Schöne am modularen System ist, dass es einen Standard in 3U und 1U gibt, aber ich habe auch einige 4U-Gehäuse, kundenspezifische Schreibtische, faltbare Gehäuse und auf der Superbooth ein freistehendes 16U 160HP-Gehäuse als Meisterstück gebaut.
Vielen Dank für die Einladung, deine Zeit und vor allem für den Einblick in eure tolle Werkstatt. Wenn du einen Wunsch für die Zukunft hättest, welcher wäre das?
Danke, dass ihr hier wart! Da ich mich selbst auch intensiv mit modularen Systemen beschäftige, versuche ich ständig, neue Details und Entwicklungen in meinem eigenen Aufbau zu finden und diese auf kundenspezifische Gehäuse zu übertragen. Einfach weil es gut aussieht oder weil es besser passt. Ehrlich gesagt mag ich es manchmal sogar mehr, meine Cases umzubauen, als tatsächlich Musik damit zu machen. Wir alle wissen, dass man nie zu viele Synthesizer haben kann und ich hoffe sehr, dass die Leute 2 Many Synths vielleicht für ihr nächstes Case in Betracht ziehen.
Von Eindhoven weiter nach Berlin! Drei Tage Superbooth warteten auf uns: Das beliebte Atov Project hat zwei neue Module entwickelt, die unser Interesse geweckt haben. cLFO ist ein zweifacher, ringmodulierender LFO, der sehr interessante Modulationen erzeugt. Jeder LFO hat Dreieck-, Sägezahn- und Rechteckwellenausgänge. Besonders für Cross- und Selfpatching, sozusagen um seine Modulationen zu modulieren, sind hier unendliche Möglichkeiten vorhanden. Mit CV kann die LFO-Frequenz bis ins Extrem gesteigert werden: Bis zu 13 Stunden und 400 Zyklen pro Sekunde sind möglich.
Dazu haben Arthur & Chris von Atov mit dem MMx2 ein weiteres Modul auf den Markt gebracht, das mehr als ein Utility im Eurorack ist. Das Modul wird in doppelter Ausführung geliefert – man bekommt also zwei identische Module, die hintereinander in einer Kette geschaltet werden können. Mit mehreren MMx2 ist es also möglich, sich seinen ganz eigenen Matrix-Mischer zusammenzubauen. Die Potentiometer 1 & 2 sind Abschwächer, während 3 & 4 als Attenuverter angelegt sind – sozusagen um ein Signal zu verstärken oder abzuschwächen. Am Ende gibt es dann einen Mix-Out, an dem alle Inputs im Verhältnis der am Potentiometer eingestellten Werte zusammengemischt werden. Ein absolut sinnvolles Tool.
Von der Firma Klavis sind wir auf ein ähnliches Modul gestoßen, das auch unbedingt erwähnt werden muss. Mixwitch ist eine Mischhexe und weit mehr als nur ein dualer Zweikanal- bzw. Vierkanalmixer. Über den Switcher auf der Frontplatte stehen gleich sechs verschiedene Betriebsarten zur Auswahl. Ob man es als Mehrfachinverter, CV- bzw. Offset-Generator, spannungssteuerbaren Schalter, Sequencer oder Suboszillator nutzt, bleibt einem selbst überlassen. Über einen weiteren Switch kann man zwischen linearer und logarithmischer Kennlinie auswählen – was im Klartext bedeutet, dass man sowohl Steuerspannung als auch Audiomaterial verwursten kann. Solche Tools sollte jeder im Köfferchen haben, denn sie machen einem so manchen Patch leichter.
Von Knobula gibt es mit dem Echo Cinematic ein Stereo-Effekt-Modul, dessen Schaltung der in den 80er-Jahren in Jamaika entstandenen Dub-Kultur angelehnt ist, bei der analoge Tape-Delays durch einen Channelstrip in die Mixkonsole geschickt wurden, dann Eq’d und via FX-Send wieder in selbiges zurück geschickt wurden. Im üblichen blau-rosa-schwarzen Look gehalten fügt es sich hervorragend in die Produktlinie der englischen Company ein und klingt wie auch alles andere von Knobula einfach sensationell gut.
Granular ist ja gerade ein ganz großes Thema und so kommen wir nicht daran vorbei, euch den Tempera aus dem Hause Beetlecrap Audio vorzustellen, in den man bis zu acht Samples gleichzeitig reinladen kann. Über die senkrechten Reihen können diese dann getriggert werden. Entweder über MIDI oder über das integrierte Keyboard. Um hier erfolgreich zu sein, muss ein sogenannter „Emitter“ aktiv sein, von denen es im Tempera gleich vier Stück gibt. Schön farblich illuminiert kann man in den Emittern jeweils die Parameter einstellen, die auf dem jeweiligen Sample greifen sollen. Klingt in der Theorie etwas kompliziert, gelingt aber am Ende kinderleicht. Tempera kann bis zu 4.000 Grains gleichzeitig erzeugen, hat ein eingebautes, toll klingendes Reverb und besitzt sogar einen 8GB großen internen Speicher für Samples, die via SD-Kartenslot geladen und auch wieder exportiert werden können. Über „The Gallery“ – ein Cloud-Netzwerk – sollen in Kürze User-Patches und vieles mehr auch online ausgetauscht werden können. Das Ding macht Spaß und fühlt sich absolut hochwertig an. Wer Ambient mag, wird Tempera lieben.
Kommen wir aber mal wieder zu einem klassischen Eurorack-Modul. Von EarthQuaker Devices, einer Company die eigentlich eher für Effektpedale bekannt ist, kommt der Wave Transformer – ein analoger Oszillator, der uns gleich ein ganzes Arsenal (sieben Outs!) an verschiedenen Klangerzeugungs- und Verformungsmöglichkeiten bietet. Mit einer ganzen Reihe an neuartigen Schaltungen schafft er es, die Bodenständigkeit aufzubrechen und viel mehr als ein Schweizer Taschenmesser im Case zu sein. Standard-Eingänge wie V/Oct sind selbsterklärend. Besonders sind aber z.B. der uTune-Regler, der einen sehr feinen, präzisen Bereich von nur 25 Cent abdeckt. Absolut wild wird der Elefant, wenn Modulationen in den exponentiellen FM-Eingang gepatcht werden. Die sieben Ausgänge sind „Sine“, „Triangle“, „Saw“, „Complex“ (darauf gehen wir gleich nochmal ein), „Rectangle“, „Sub Pulse“ sowie „Sub Square“ und klingen allesamt so, wie wir es gewohnt sind. Sie klingen aber anders gut. Besser. Ja, geiler! Zurück zum Elefanten. Der riesige Transform-Knob bezieht sich einzig und allein auf den Complex-Ausgang und hat eine Magie, die wir bislang so noch nicht kannten. Kann man auch mit Worten schlecht erklären und muss man hören. Je nach Einstellung ändern sich zum Beispiel die harmonischen Anteile in einer gewissen Abhängigkeit zur Lautstärke. Ein Effekt, den man sonst eher von Filterprozessen kennt. Ein wahres Abenteuermodul zu einem sehr, sehr günstigen Preis von 199 Euro. Normalerweise sprechen wir hier nicht über Preise, aber das ist definitiv ein absoluter Schnapper.
Wir haben noch eine ganze Menge weiterer Highlights der diesjährigen Superbooth, über die sicherlich auch hier in einer unserer kommenden Episoden noch einmal ausführlich berichtet wird. Da wären zum Beispiel die DOCtron IMC-500, eine Instant Mastering Chain im 500er-Format, die von und mit Martin Stimming entwickelt wurde. Ein paar neue, coole Schutzcover (u.a. für den Oxi One) von Decksaver. Dann wäre da noch der neue Live-Sequence-Modulator namens DEFEEL unserer Freunde von Enjoy Electronics …und und und. Die Liste ist lang. Freut euch auf neuen Stuff, über den wir euch beim nächsten Mal berichten. Bis dahin dreht alle schön an euren Knöpfchen. Bis zum nächsten Mal!