Livid CNTRL:R – Was hat Herr Hawtin sich dabei nur wieder gedacht?


Richie, was war der ausschlaggebende Punkt zur Entwicklung eines eigenen Controllers?
Ich bin ja seit je her davon fasziniert, wie technische Innovationen nicht nur bestehende Bedürfnisse erfüllen, sondern auch zu komplett neuen, kreativen Herangehensweisen und Ergebnissen führen. Insofern war die Chance zur Entwicklung eines eigenen Controllers eine sehr aufregende Erfahrung für mich . Letztendlich ausschlaggebender Punkt war, dass der von vielen Minus-Artists genutzte Controller UC-33 [M-Audio Evolution, Anm. d. Red.] nicht mehr hergestellt wird. Wir gründeten daraufhin eine Facebook-Gruppe, um unsere Erwartungen zusammenzutragen und die Vor- und Nachteile des UC-33 sowie anderer Controller herauszuarbeiten. Hervorheben möchte ich dabei Marc Houle, der hierbei wirklich ein extrem engagierter Part war. Die Umsetzung möglichst vieler Wünsche hat aber fast unweigerlich dazu geführt, dass der erste Prototyp deutlich zu groß war zu viele Reglern hat. Zielsetzung war aber, ein Gerät zu schaffen, das im Flugzeug-Handgepäck mitgeführt werden kann, aber dennoch genügend Knöpfe, Regler und Raum mitbringt, um komfortabel arbeiten zu können. Ein echtes Power-Paket eben. Ich habe mich in der zweiten Phase also noch einmal direkt mit dem Livid-Team hingesetzt, das Layout verkleinert und dem Controller mit den Max4Live-Add-ons eine Intelligenz verpasst.

Warum hast Du Dir die dann doch eher kleine US-Firma Livid ausgesucht?
Immer schon habe ich während meiner vielen Reisen einen Teil der Zeit dafür aufgebracht, Firmen und Personen zu besuchen, um über Musiktechnologie zu reden. Ich denke, ich kenne inzwischen so ziemlich alle da draußen. Die Idee zu einer Kollaboration speziell mit Livid kam während des South-by-Southwest-Festivals in Austin / Texas, als ich Gründer Jay Smith besuchte und mehr über das Team und die Firma erfuhr. Livid ist klein, aber extrem schnell, wettbewerbsfähig uns sehr vorausschauend – Gründe genug für mich,  dort den CNTRL:R zu verwirklichen.

Ganz allgemein sind wir ohnehin an einem heiklen Punkt in der elektronischen Musik-„Industrie“ angekommen. Mir jedenfalls war es stets wichtig, die Szene nicht von wenigen Kräften oder Firmen, seien sie nun Equipment-Hersteller oder Plattenfirmen, dominieren zu lassen. Schon deshalb liegt mir die Unterstützung einer Independent-Company wie Livid am Herzen. Letztendlich lassen sich sogar Parallelen zu meiner Arbeit neuen Minus-Künstlern ziehen: Du arbeitest mit gleichgesinnten Menschen, hoffst sie zu inspirieren und erfreust Dich am Wachstum gemeinsamer Ideen und Philosophien.

Was war das Schwierigste im Entstehungsprozess?
Den Faktor Zeit zu begrenzen. Denn es war ja nicht nur meine Zeit. Wie ich bereits sagte, versuchte ich die Entwicklung des CNTRL:R für alle Minus-Künstler und andere Freunde so offen wie möglich zu halten. Was bedeutete, viel über Ideen zu reden, erste und zweite Editionen zu testen, um dann wiederum Ausbesserungen vorzunehmen usw. Es sollte ja nicht weniger als die, hoffentlich nicht nur für uns, „perfekte“ Maschine werden. So hat es am Ende definitiv länger gedauert, als wir gedacht haben. Aber ich denke, wir fügen uns in die Reihe derjenigen Künstler, die bereits ihren individuellen Livid-Controller konstruiert haben, ziemlich gut ein. Ein Ergebnis, auf das Livid, Minus und besonders ich wirklich sehr stolz sind!

Was ist die technische Hauptidee hinter dem CNTRL:R? Tatsächlich scheint er durchaus noch vom Step Sequencing der Roland TR-Generation beeinflusst zu sein.
Ich wollte dem Live-Künstler so viele Kontrollmöglichkeiten für den Direktzugriff bieten, wie nur irgendwie möglich. Größte Flexibilität für höchste Kreativität. Erreicht durch das enge Zusammenspiel von Hardware-Reglern, optischem RGB-LED-Feedback und der Max4Live-Software-Module. Natürlich ist der CNTRL:R auch beeinflusst von meinen langen Jahren intensiver Roland TR-Nutzung. Und über all dem steht der Wunsch, Nachwuchskünstlern wieder den Reiz des Live-Programmierens und Drum-Editierens nahe zu bringen. Viele der heutigen Artists benutzen ihr Ableton-Setup lediglich zum Starten, Loopen und Stoppen der Clips. Ich hingegen will sehen, wie Künstler wieder tiefer in die Gestaltung eindringen.

Wurde beim CNTRL:R etwas nicht realisiert, weil beispielsweise die Technologie noch nicht existiert? Bzw. wie lautet Richie Hawtins ultimative Zukunfts- oder Traumfunktion?
Das lässt sich so genau gar nicht bestimmen. Weil eben auch hier immer neue Begehrlichkeiten aufkommen. Aber ich würde, und das ist gar nicht unrealistisch, in naher Zukunft gerne erschwingliche LED-Knöpfe sehen, die abhängig von Ihrer Nutzung sofort umkonfiguriert werden können.

www.m-nus.com
www.lividinstruments.com

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