Marco Bailey – Numero 7

Foto: Arthur Ranzy

Es war vor ziemlich genau drei Jahren, als die international renommierte Techno-Ikone Marco Bailey inmitten der Corona-Pandemie mit „Surreal Stage“ sein sechstes Studioalbum veröffentlichte und wir ein Interview mit ihm führten. Nun ist am 23. November mit „NOCTURNO“ sein siebter Langspieler erschienen. Darauf zu hören sind 13 Titel, die zwischen gewohnt schnellen und pulsierenden Beats und hypnotisierenden Melodien einen beeindruckenden Zeitgeist treffen, ohne dabei die für ihn typische stilistische Identität zu leugnen. Veröffentlicht wurde das Werk auf seinem eigenen Imprint Materia, das er neben MB Elektronics führt.

Dieses Album könnte man dabei als Beweis ansehen für seine anhaltende Leidenschaft, Grenzen innerhalb des elektronischen Kosmos zu verschieben und Musik zu kreieren, die Dancefloors jeglicher Größe in Ekstase versetzt. Dabei erscheint „NOCTURNO“ nach einem für Bailey außerordentlich turbulenten Jahr: „2023 war eine absolute Achterbahnfahrt mit Höhen und Tiefen. Im Juni hatte ich einen schweren Autounfall, zweifelsohne der größte Rückschlag. Ich bin davon überzeugt, dass es ohne Airbag-Schutz und Sicherheitsgurte viel schlimmer hätte ausgehen können. Wir hatten Glück, dass wir nur leichte Verletzungen davongetragen haben. Trotzdem gab es fantastische Momente, wie unser Boutique-Festival Elektronik Zoo mit herausragenden Künstler*innen wie Mathew Jonson, Josh Wink, Steve Rachmad, Ida Engberg, sowie meine Rückkehr nach Japan, neben weiteren grandiosen Events in Europa, Südamerika und auf anderen Kontinenten.“

Ursprünglich hatte Bailey 25 Titel im Kasten, die von „Techno, Electro, Ambient bis hin zu melodischeren Stücken“ reichten, wie er berichtet. Am Ende sind es 13 Titel geworden, die restlichen sollen zu einem späteren Zeitpunkt folgen: „Es war eine schwierige Entscheidung, denn ich wollte eine vielfältige Musikpalette anbieten, die meinen Geschmack widerspiegelt. In einer Welt, die jede Woche mit neuer Musik überschwemmt wird, ist es für die Hörerinnen und Hörer nicht einfach, alles zu entdecken, also habe ich mich um ein Gleichgewicht bemüht.“

Auch auf seine Wurzeln hat sich Bailey bei der Studioarbeit fokussiert: „Ich strebe immer danach, mich mit jedem Album zu verbessern. ,Surreal Stage‘ war ein Projekt, über das ich mich wirklich gefreut habe, auch wenn es in einer surrealen und herausfordernden Zeit veröffentlicht wurde. Mit dem neuen Album wollte ich einen Nachfolger kreieren, ohne mich von Trends oder Hypes beeinflussen zu lassen, sondern mich auf das konzentrieren, was sich richtig anfühlt.“ Sein erstes Album „Planet Goa“ ist vor fast drei Jahrzehnten im Jahr 1995 erschienen: „Eine 28-jährige Reise, damals war die Musikszene in Belgien und Deutschland eher melodisch, rave- und tranceorientiert und stark von Labeln wie IQ und Harthouse beeinflusst. Um 1997 herum verlagerte ich meinen Schwerpunkt auf Techno und veröffentlichte auf Labeln wie Primate und Zync Records. Danach gründete ich mein Label MB Elektronics und veröffentlichte mehrere Alben dort sowie auf Materia. Jedes Album und jede Phase haben dazu beigetragen, meinen Sound zu formen.“ Auf Materia sind in diesem Jahr erneut zahlreiche Releases erschienen, neben seinen eigenen auch von befreundeten Akteur*innen wie etwa von Dave Wincent, Raul Young, Antony Doria, Sigvard, Remy Unger oder auch The Advent und DJ Dextro: „ … auch haben wir ein herausragendes Album von Michel Lauriola aus Buenos Aires veröffentlicht. Materia hat sich zum Ziel gesetzt, Techno zu veröffentlichen, der einen gemeinsamen Vibe und Groove hat und eine Zusammenarbeit unter Freunden verkörpert. Zu den kommenden Releases der nächsten Wochen gehören Dimi Angelis, ich und David Schwarz, Raul Young, Luca Tresque und Introversion aus Berlin, die sowohl aufstrebende Talente als auch etablierte Legenden präsentieren.“

Auch auf MB Elektronics, das er bereits 2001 gegründet hat, ist weiterer Output geplant: „Das Label hat verschiedene musikalische Phasen im Techno miterlebt. Von den rasanten frühen 2000er-Jahren über die Minimal-Explosion 2009/2010 bis hin zur aktuellen Welle der superharten Stile. Die zeitlosen Platten und Tracks des Labels bleiben unvergesslich. Mit Blick auf die Zukunft sind MB Elektronics und Materia eng miteinander verbunden. Während beide Label weiterhin florieren, könnte sich in Zukunft die Entscheidung ergeben, sich auf eines zu konzentrieren. Im Moment liegt der Schwerpunkt darauf, Musik zu veröffentlichen, ohne sich an Trends oder BPM-Anforderungen zu halten, und die Qualität über die Quantität zu stellen.“

Nach einem familiären Weihnachtsfest stehen für Marco Bailey am 26. und 27. Dezember Shows in Amsterdam sowie in Barcelona an. Am Silvesterabend wird Bailey beim Kölner Kollektiv von Affenkäfig in der Essigfabrik zugegen sein: „Wir freuen uns schon darauf, Momente voller Energie, Liebe und Leidenschaft mit der Menge zu teilen!“

Aus dem FAZEmag 142/12.2023
Text: Triple P
Foto: Arthur Ranzy
www.instagram.com/marcobaileyofficial