
Dass er einen ausgeprägten Faible für elektronische Musik hegt, hat der aus Polen stammende Mariusz Duda, seines Zeichens Mastermind der Progressive-Rock-Band Riverside, bereits in zahlreichen Singles und Alben zum Ausdruck gebracht. Dabei war er schon immer von der Erzählung einer Geschichte, einer Idee oder eines gewissen Konzepts fasziniert. Während Mariusz Duda auf seinem letzten Album „Lockdown Trilogy“ eine Momentaufnahme des Lebens während der Pandemie einfing, erforscht der Pole auf seinem neuesten Werk „AFR AI D“ – das am 17. November via Kscope erscheint – das Konzept der KI als Disruptor bzw. der zunehmenden Kommerzialisierung von KI und insbesondere mit dem Einzug der künstlichen Intelligenz in den Mainstream.
Anhand Portale wie ChatGPT und Midjourney und der zunehmenden Verwendung von Deep Fakes erforscht „AFR AI D“ diese interessanten und zukunftsweisenden Theorien zeitgleich musikalisch wie konzeptionell. Aufgewachsen ist der Mann aus Angerburg im Nordosten Polens, mit Acts wie Jean Michel Jarre, Vangelis, Tangerine Dream und Co., erinnert er sich: „Ich habe gleich mit Künstlern angefangen, die eine umfangreiche und vielfältige Diskografie hatten. Später kam Mike Oldfield dazu. Danach erweiterte sich mein Interesse auf Rockmusik und Musik, die elektronische Elemente und Beats miteinander verbindet. Ich fühlte mich auch immer stark mit Künstlern verbunden, die sich mit Trip-Hop beschäftigten.“ Erst 2020 veröffentlichte Duda sein Solo-Debüt-Werk unter bürgerlichem Namen, die neueste LP nun ist bereits das vierte Studio-Album. Dabei ist dieses Projekt, neben seiner Rolle bei Riverside, seine drittes Projekt: „Neben Riverside, wo ich seit 2021 der Hauptkomponist bin, arbeite ich seit 2008 auch an meinem Soloprojekt Lunatic Soul. Im Jahr 2020 habe ich ein weiteres Album unter diesem Alias aufgenommen und dieses Jahr ein neues Riverside-Album. Das macht also insgesamt sechs Alben. Musik ist meine Leidenschaft und ich ziehe es vor, diese Leidenschaft nicht einzuschränken oder zu rationieren, indem ich nur alle drei Jahre ein Album aufnehme. Ich würde lieber zwei Alben pro Jahr aufnehmen, auf diese Weise fühle ich mich als Künstler erfüllter.“
Und auch wenn die zeitliche Spanne zwischen dem ersten und dem aktuellen Werk keine sonderliche große ist, erkennt man zwischen den jeweiligen Releases eindeutige Entwicklungen: „’AFR AI D‘ ist nicht mehr ein komplett minimalistisches Album, wie es bei der ‚Lockdown Trilogy‘ der Fall war. Jetzt habe ich ein paar mehr Schichten hinzugefügt. Außerdem ist eine elektrische Gitarre hinzugekommen. Dank dieser Änderungen hat das Album im Vergleich zu seinen Vorgängern einen reicheren Klang, wie ich finde.“ Angetrieben wurde das neue Album von Dudas Faszination von künstlicher Intelligenz: „Um ein Album aufzunehmen, brauche ich ein Konzept. Damit fange ich immer an. Aus dem Konzept ergibt sich der Titel, gefolgt von Ideen für das Artwork, und schließlich tauche ich in die Musik ein. Als ChatGPT bekannt wurde und KI in den Mainstream Einzug hielt, tauchten viele apokalyptische Visionen über die Zukunft der Menschheit auf. Von Job-Verlust bis hin zur militärischen Bedrohung. Ich glaube, KI wird zweifellos von Jahr zu Jahr, oder besser gesagt, von Monat zu Monat, eine immer wichtigere Rolle in unserem Leben spielen, wie man zum Beispiel schon jetzt an Google Maps sieht. Was die Musikindustrie betrifft, so ist das ein großes Thema. Derzeit bemühen sich MusikerInnen darum, Algorithmen in ihren sozialen Medien zu füttern, damit die KI ihren Song in einer beliebten Playlist platziert. Im Studio wird KI zunehmend zusammen mit verschiedenen Plug-ins eingesetzt. Ganz zu schweigen davon, dass die Menschen heute keine Alben mehr hören, sondern sich mit von der KI vorgeschlagenen Playlists zufrieden geben. Die Einbeziehung von KI wird überall zunehmen. Ich gebe zu, ich beobachte die Entwicklung dieser Technologie mit Faszination, aber entgegen des Albumtitels ohne Angst. Ich glaube, der menschliche Aspekt wird sich aus vielen offensichtlichen Gründen immer noch gut verteidigen. KI wird ein Hilfsmittel sein, das die Arbeit erleichtert und Zeit spart, anstatt sie zu dominieren.“
Auf seine Arbeit im Studio angesprochen, empfindet sich Duda als eine Art Ideenfänger. Wenn ihm etwas in den Sinn kommt, nimmt er eine Skizze auf seinem Diktiergerät auf und verwendet diese dann später an den Maschinen. Dabei mag er es nicht, das Studio wie einen regulären Job mit festen Arbeitszeiten anzusehen: „Vor allem versuche ich, nicht zu viel zu Hause zu arbeiten. Ich nutze die Räume bei Freunden. Ich will rausgehen, um zu arbeiten, das Gefühl haben, dass alles außerhalb des Schlafzimmers passiert, anstatt ein Cyberpunk-Nerd zu werden und von morgens bis abends in Jogginghose vor dem Computer zu sitzen und nur auf den Bildschirm zu starren.“
Aus dem FAZEmag 141/11.2023
Text: Triple P
Foto: Radek Zawadzki
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