Im Zuge seines erneuten Erscheinens auf dem mittlerweile weltbekannten Label Drumcode hat der in Hessen beheimatete DJ und Produzent Mark Reeve auch den Weg zurück ins FAZEmag gefunden. Seine Arbeit traf schon bei einer Vielzahl an hochdekorierten und bekannten Labels auf Zustimmung – darunter Soma Records, Cocoon, Terminal M, Second State, Defected oder Pig & Dans Label Elevate, um nur einen kleinen Teil zu nennen. Diese lange Liste ist zum einen ein Beleg für sein Talent für funktionale Clubmusik, zum anderen auch ein klares Zeichen für den großen Arbeitsaufwand, den Reeve betreibt, um seine Fans nicht nur bei Laune, sondern vor allem auf der Tanzfläche zu halten.
Mit deinen vorherigen Releases auf Drumcode konntest du bereits große Erfolge feiern. Gleich mehrere Wochen warst du auf Platz 1 der Beatport-Charts. Wie hast du diese Zeit erlebt und welche Türen haben sich dadurch für dich geöffnet?
Ein Nummer-1-Hit ist für mich nicht wirklich wichtig. Ich lebe diese Musik. Mein primäres Ziel ist es, die Leute zum Tanzen zu bringen, darin sehe ich meine eigentliche Aufgabe. Wenn da nebenbei eine Nummer 1 daraus entsteht, ist das natürlich auch toll, keine Frage. Durch solche Erfolge zieht man mehr Aufmerksamkeit auf seine Musik und seine Profile, am Ende springt dann womöglich der ein oder andere Festival-Gig mehr dabei heraus.
Wie wirken sich solche Erfolge auf deine laufenden Arbeiten aus bezüglich des Anspruchs und wie gehst du mit der Erwartungshaltung von Seiten der Labels oder deiner Fans um, die damit unweigerlich in die Höhe schnellt?
Nach meiner letzten Drumcode-EP „Far Away“ 2018 haben viele Leute sehr große Erwartungen an mich gestellt. Ich bin froh, dass ich mich davon nicht habe aus der Ruhe bringen lassen, weitergemacht habe und wieder etwas Neues kreieren konnte. Ob besser oder schlechter, das lasse ich dann die Leute entscheiden. Für mich persönlich spielt jedoch die klangliche Qualität eine sehr große Rolle und bevor es nicht richtig klingt, veröffentliche ich auch nichts. Auch wenn es etwas länger dauert.
Im Februar, also vor wenigen Wochen, erschien deine neue und damit vierte EP auf Adam Beyers Erfolgslabel. Wie verlief der Produktionsprozess der „Distance“-EP und was kannst du uns zu den verschiedenen Stücken erzählen?
Die Fertigstellung von „Distance“ und „Serum“ hat sich enorm in die Länge gezogen. An diesen beiden Nummern habe ich sehr lange gesessen, ich wollte alles richtig machen. Mit den verschiedenen Sequenzen habe ich mich sehr intensiv beschäftigt und mit wirklich viel Modulation gearbeitet. Dann kamen Unsicherheiten dazu; ich war mir während des Produktionsprozesses plötzlich nicht mehr sicher, wie ich die Bassline gestalten soll, da momentan wieder viele Tracks doch sehr ähnlich klingen. Ich habe mich dann mit Adam besprochen und wir waren uns schnell einig, denn mir ist es, wie schon erwähnt, nicht wichtig, ob ein Track die nächste Nummer 1 wird. Es geht um die Leute, die meine Musik hören und tanzen wollen. Bei den anderen Nummern war mehr Leichtigkeit im Spiel. Die Produktion von „Fix Me“ hat sehr viel Spaß gemacht, da ich viel mit Filtern und Hüllkurven gespielt habe. Beim Track „Filmwave“ habe ich mit dem Dune-2-Synth gearbeitet, was auch superspaßig war und sehr leicht von der Hand ging.
Wie verlief die Zusammenarbeit im Vergleich zu deinen früheren Veröffentlichungen bei Adam? In den letzten acht Jahren wird sich sicher einiges getan haben, gerade was dein Verhältnis zu Drumcode angeht.
Ich werde bei Drumcode mittlerweile als „Firm Favourite“ gehandelt, was bedeutet, dass ich als fester Bestandteil der Drumcode-Family gelte. Das kommt natürlich nicht von ungefähr und kam auch nicht über Nacht. Es ist vielmehr das Ergebnis harter Arbeit. Ich war dem Label gegenüber jahrelang treu und habe neben meinen Veröffentlichungen auf Drumcode auch Events wie das hauseigene Drumcode-Festival oder Awakenings für das Label bespielt. Man könnte sagen, dass wir zu einer großen Family zusammengewachsen sind. Wir unterstützen uns gegenseitig hier und da, einfach weil die Zusammenarbeit sich über Jahre hinweg gefestigt hat.
Im Herbst 2019 ging im Netz das Gerücht herum, dass viele der DC-Nummern von sogenannten Ghost-Producern kreiert wurden. Dich brachte das ziemlich auf die Palme. Wird Drumcode oder wirst auch du selbst öfter mit solchen Vorwürfen konfrontiert? Wie geht ihr intern damit um?
Ich denke, es wird immer Leute geben, die neidisch sind auf das, was Drumcode sich seit der Labelgründung aufgebaut hat! Wenn Negativität gestreut und laufend destruktive Kritik geübt wird, ist das wie ein Krebsgeschwür – es wächst und wächst und wenn man nicht aufpasst, kann es einen richtig kaputt und krank machen. Ich habe selbst schon viel darüber nachdenken müssen und im Zuge dessen versucht, negative Vibes generell abzublocken. Positiv zu sein und Liebe zu geben, ist etwas Wundervolles. Darauf müssen wir alle hinarbeiten, egal wie anstrengend oder frustrierend es auch sein mag.
Lass uns direkt an die aufkommenden Frühlingsgefühle anknüpfen. Die Clubsaison neigt sich langsam, aber sicher dem Ende zu. Viele freuen sich bereits auf die anstehenden Open Airs und Festivals. Wie steht es um deinen Kalender, wo können wir dich 2020 hören?
Auf die freue ich mich auch schon sehr, denn ich werde in diesem Jahr auf vielen tollen Festivals spielen. Unter anderem freue ich mich sehr auf das Ikarus und SonneMondSterne, das Electrisize oder den Sputnik Spring Break auf der Halbinsel Pouch. Auch beim Luft und Liebe bin ich wieder dabei – und da werden direkt Erinnerungen wach. Letztes Jahr habe ich mir die Stage dort unter anderem mit Sam Paganini geteilt, das war einfach supergeil!
Das hört sich gut an, Mark. Bestimmt werden da im Laufe der Saison noch ein paar weitere Highlights dazukommen. Lass uns jetzt noch mal über deine Arbeit im Studio sprechen. Abgesehen von deiner jüngsten Veröffentlichung auf Drumcode: An welchen Releases arbeitest du momentan und was können wir dieses Jahr noch von dir erwarten?
Tatsächlich arbeite ich noch an einer weiteren Drumcode-EP und darüber hinaus werde ich auch wieder Musik über mein eigenes Label SubVision veröffentlichen. „Metron“ wird im April auf SubVision erscheinen, darauf freue ich mich wirklich sehr! Und auf Pig & Dans Label Elevate kommt auch noch ein Remix, den ich für Rocky Valente produziert habe.
Bei unserem ersten Interview vor rund vier Jahren hast du bereits durchblicken lassen, dass du dir in Sachen Album keinen Stress machen möchtest. Wie ist hier die Lage?
Nein, ich denke, dafür ist die Zeit auch dieses Jahr noch nicht reif. Ich habe nach wie vor Spaß an kleineren Veröffentlichungen wie EPs. Ein Album findet da frühestens 2021 einen Platz.
Du hast eben schon dein eigenes Label SubVision erwähnt. Wie steht es darum und welche Pläne verfolgst du damit? Hast du hier auch andere Künstler im Auge, die für ein Release interessant sein könnten?
Momentan möchte ich SubVision als meine ganz eigene Spielwiese etablieren und es vorwiegend für eigene Produktionen nutzen. Da mit „Metron“ für April das nächste Release bereits vor der Tür steht, möchte ich meinen Fokus vorerst auch darauf richten.
Sound, Clubs, Festivals, Mode und mehr. Die Technoszene befindet sich in einem permanenten Wandel. Trends kommen und gehen, ebenso ihre Protagonisten. Du bist nun auch schon einige Jahre dabei. Wie erlebst du die Szene momentan? Was feierst du ab, was geht dir total gegen den Strich und was zeichnet sich deiner Meinung nach als „das nächste große Ding“ ab?
Ich bemerke, dass gerade in Deutschland viele Clubs ausweichen und ganz schließen müssen, aber dafür jedes Jahr mehr Open Airs stattfinden. Eine Entwicklung, die mehr und mehr auf Veranstaltungen im Freien oder auf großem Gelände abzielt. Ob das mit dem Rauchverbot zu tun hat? Wohl kaum. Ich denke, dass viele Leute das Clubleben satthaben und sich lieber freier auf Open Airs bewegen wollen. Ich selbst spiele nach wie vor sehr gerne in Clubs – und dennoch: Feiern im Freien, das hat schon was.
Es gibt auf jeden Fall eine Entwicklung innerhalb der elektronischen Subkultur. Die ist unumstritten da und doch ein wunder Punkt für viele Leute. Um die richtige Metapher zu finden, könnte man wohl lange und kontrovers diskutieren. Zerbricht ohne eine florierende Clubkultur nicht das Fundament dieser Szene? Oder nabelt sich hier ein gewisser Bereich einfach ab vom Underground und probiert sich in der Unabhängigkeit?
Das kann ich nicht genau beantworten. Allerdings bin ich davon überzeugt, dass es immer Clubs geben wird. Die Liebe zur Musik wird all das am Leben erhalten. Ich denke aber auch, dass es falsch wäre, sich krampfhaft an vergangene Zeiten zu klammern. Es gilt, nach vorn zu blicken und die Veränderungen mit offenen Armen zu begrüßen, egal wohin die Reise gehen mag. Darauf bin ich sehr gespannt!
Egal welche Seite man hier auch vertreten mag: Getanzt wird so oder so. Immer und überall, am Tag und in der Nacht. Und so kommen wir abschließend auf den Mix zu sprechen, den du für die Märzausgabe zusammengestellt hast. Was macht ein gutes Set oder einen guten Mix aus? Worauf kommt es für dich an und worauf legst du Wert?
Tanzen, tanzen, tanzen! Die Leute müssen diese Tanzenergie spüren und sich ihr hingeben. Egal ob sie dabei im Fitnessstudio oder auf einer Tanzfläche stehen. Da muss Feuer sein! Um diese Energie zu erzeugen, setze ich bei einem Mix auf melodische, aber auch treibende Elemente. Auf diese Mischung kommt es in meinen Augen an – und natürlich muss der Rhythmus stimmen. Ich hoffe, er gefällt euch!
Aus dem FAZEmag 097/03.2020
Text: Julian Haußmann
Foto: Zydre Venckus