Moritz von Oswald – Über seltene Klangmaschinen, seine Arbeiten mit Juan Atkins und „Concave 1“

Foto: Alain Benoit

Durch seine gemeinsam mit Mark Ernestus geführten Projekte, wie Basic Channel oder Chain Reaction, konnte Moritz von Oswald – Anhänger*innen des Genres auch als Maurizio bekannt – Dub-Techno in den 90er-Jahren salonfähig machen. Einer seiner treuesten Wegbegleiter während seiner Erforschungsreise durch den Dub- und Minimal-Kosmos war dabei stets Juan Atkins, einer der Mitbegründer des Detroit-Techno, dessen Einflüsse in vielen von-Oswald-Produktionen unverkennbar zu vernehmen sind. Im Rahmen ihres Borderland-Monikers haben sich die beiden Pioniere in der Vergangenheit bereits mehrfach für Tresor zusammen ins Studio begeben, um dort zeitlose Techno-Klassiker wie „Transport“ oder „Concave“ zu produzieren. Wir haben mit Moritz von Oswald über die Single „Concave 1“, seine Arbeiten mit Atkins und weitere Themen gesprochen.

Hallo, Moritz. Ursprünglich wollten wir mit dir über einen Track aus deinen Basic-Channel-Zeiten sprechen. Du hast dich allerdings für eine neuere Produktion entschieden: „Concave 1“, zusammen mit Juan Atkins. Warum?

Da die Basic-Channel-Sachen nun schon eine ganze Weile zurückliegen, wollte ich einen Track wählen, der etwas konkreter und zeitgemäßer ist. Das gibt mir etwas mehr Freiheiten.

Nun also „Concave“. Wie bringst du dich in Stimmung für derartige hypnotische Arrangements?

Ich würde nicht sagen, dass ich mich zwangsweise in die passende Stimmung für einen solchen Track bringen muss. Kollaborationen bedeuten für mich auch immer gleich Kommunikation, die für den Entstehungsprozess maßgeblich entscheidend ist. Es ist wichtig, dass beide Parteien über genügend individuellen Spielraum verfügen. Ein Track entsteht nicht über Nacht und es ist unabdingbar, dass man sich Zeit für Experimente und verschiedene Ansätze nimmt. Als Basic Channel habe ich mit Mark Ernestus mal ein halbes Jahr lang an einem einzelnen Track geschraubt.

Was bewunderst du an Juan Atkins? Ihr arbeitet ja schon eine Ewigkeit zusammen.

Ich habe einen riesigen Respekt vor Juan und den frühen Detroit-Sounds. Seine Arbeitsweise und sein Gespür sind wirklich einzigartig. Schon bei unserer ersten gemeinsamen Platte ist mir klargeworden, dass er ein Jazz-orientierter Musiker ist, also unheimlich begabt in Disziplinen wie Experimentieren und Improvisation ist. Ihn auf diese Weise mit Maschinen arbeiten zu sehen, war einfach faszinierend, und auch „Concave 1“ ist eben sehr von diesen Aspekten geprägt. Es gab keinen roten Faden oder eine bestimmte Arbeitsstruktur, an der wir uns orientiert haben.

Vielen Leuten scheint eine Reduzierung ihrer Elemente schwerzufallen. Habt ihr „Concave 1“ im Nachhinein aufgeräumt oder gab es schon beim Konzept dieses Tracks nicht mehr Elemente?

Im Nachhinein aufzuräumen, ist bei uns nie ein Thema. Später nochmals nachzuproduzieren, das gibt es einfach nicht. Alles entsteht in einem fließenden Prozess der Intuition und Improvisation. Das ist ja das Spannende daran.

Über die von euch verwendeten Tools und Maschinen äußerst du dich sehr zurückhaltend. Das respektieren wir. Können wir dir dennoch etwas zu den Geräten entlocken? Das sind ja zum Teil uralte Schätze.

Richtig, bei uns ist das alles sehr, sehr analog und perkussiv. Und ja, die Geräte stammen zum Teil wirklich aus einer anderen Zeit. Wir haben sie in irgendwelchen Kellern oder Second-Hand-Läden in Detroit gefunden. Viele kann man heutzutage nicht mehr kaufen und manche von ihnen wurden sogar nur einmal gebaut.

Wie sieht für dich die Zukunft des Minimal/Dub-Stils aus? 

Den Begriff „Minimal“ verwende ich nur sehr ungerne. Ich spreche lieber von reduzierter Musik. Das bedeutet für mich mehr Freiheit und mehr Platz für die einzelnen Elemente, was unheimlich fördernd für den Groove und die Harmonik des Tracks ist. Manchmal sitze ich im Studio und höre stundenlang nur einen Ton. Das reicht mir oft schon aus, da analoge Geräte eine viel größere Tiefe besitzen als ihre digitalen Pendants. Bezüglich der Zukunft kann ich mich nur schwer dazu äußern. Ich kann zwar viel zur Historie des Dubs sagen, im gegenwärtigen Dub-Kosmos bin ich allerdings nur bedingt involviert. Ich versuche seit geraumer Zeit, neue interessante Musik zu finden, aber mir gelingt es einfach nicht. Ich würde es gerne, aber ich schätze, ich bin nicht informiert genug, um das beantworten zu können. Für mein letztes Album „Silencio“ habe ich Stimmenklangforschung betrieben.

Aus dem FAZEmag 145/03.2024
Foto: Alain Benoit
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