Um direkt mal die durchgenudelten Wortwitze um seinen Namen zu bemühen: Nathan Fake hat ein neues Album rausgebracht – kein Fake. Sein vierter Langspieler heißt „Providence“ und ist gerade bei Ninja Tune erschienen.
So wenig der Titel zwar im Sinn einer göttlichen Fügung gemeint ist, so sehr fügte sich ganz irdisch alles um die neue Platte herum. Mit zwölf neuen Tracks hat sich Nathan Fake aus einer Blockade freigeschrieben. „Mein letztes Album habe ich 2012 gemacht und danach bin ich ziemlich viel getourt, das heißt, die darauffolgenden zwei Jahre waren zwar kein solides Touren, aber ich habe die meiste Zeit mit Gigs verbracht – Europa, Amerika, es war großartig. Ich hatte aber keine Zeit – oder sagen wir, ich habe mir keine Zeit zum Schreiben von Musik gelassen, ich habe mir keine Studio-Zeit gegeben.“ Ganz untätig war er zwar neben seinen Live-Auftritten nicht, denn in der Zeit kamen einige Remixe zustande, mit denen er jedoch nicht immer zufrieden gewesen ist. Außerdem hat Nathan 2014 eine EP gemacht, mit der er recht happy war – doch dieses Album sei ein viel wichtigerer und größerer Schritt. Das ist „next level“, wie Nathan sagt. Ein Album sei ein viel größerer Meilenstein. An diesem Album zu arbeiten, sei auch eine Art von Therapie gewesen. „Es hat mich aus einer Art kleinen Depression rausgebracht.“ Körperliche Krankheit habe er nie als Inspirationsquelle empfunden. „Aber wenn man es so nennen kann, mentale schon eher. Jeder ist mal hin und wieder ein bisschen deprimiert. Es geht auf und ab. Der Titel rührt auch daher, dass alles einfach passiert ist, aber es hat nichts Religiöses. Und außerdem ist ,Providence’ auch einfach ein gutes Wort (lacht).“ Die Dinge nahmen ihren Lauf damit, dass Nathan sich einige alte Syntheziser gekauft hatte, „kein beeindruckendes Equipment, aber etwas zum Herumspielen“, etwas, das ihn herausforderte und Spaß machte. Das sei wohl der Ausgangspunkt für das neue Album gewesen, resümiert er. „Ich nehme mir sonst eigentlich relativ viel Zeit“, aber jetzt war die tatsächliche Produktion sehr viel intensiver als beim letzten Album, berichtet er. Denn es folgten nach wenigen Monaten Komposition ein paar Wochen Produktion, ziemlich fokussiert und im Flow, wie der britische Wuschelkopf berichtet. „Früher war mein Mangel an Struktur schon ein Hindernis, weil ich so on und off gearbeitet habe. Daher hat auch das vorangehende Album so etwa ein Jahr gebraucht.“ Diesmal lief alles viel konzentrierter ab, in seinem Wohnzimmer, das zugleich sein Studio ist und wo er „ziemlich unsozial“ sein kann. Das scheint er auch zu brauchen.
Nathan Fake ist einer der klassischen Lonesome-Rider der elektronischen Musik, mit der Ambition, über die Kluft zwischen Kunst und Technik allein hinwegzugaloppieren. Ein Dilemma im Grunde, das Nathan so beschreibt: „Ein elektronischer Musiker ist auf der einen Seite Komponist und Künstler und auf der anderen Seite Produzent, alles in einem. Ich glaube, ich bin ein schlechter Techniker, aber ich liebe es, Musik zu schreiben und zu spielen. Bei meiner Musik geht es weniger um die Produktion, auch wenn dieses Album bisher das bestproduzierte ist, wie ich finde.“ Kooperationen bieten da auch keinen Ausweg: „Ich habe es probiert, mit anderen zusammenzuarbeiten. Aber ich glaube, ich bin zu schüchtern in meiner Art, Musik zu produzieren, also in Anwesenheit eines anderen. Ich bin selbstsicher, was das Schreiben betrifft, aber nicht in der Produktion.“ Immerhin gibt es erstmalig Vocals in eigenen Stücken von Nathan, und zwar von Prurient – aka Vatican Shadow und Gründer von Hospital Productions – und Raphaelle Standell-Preston von Braids. „Ich wollte schon länger was mit Vocals machen, aber ich wusste nie, wie und mit wem.“ Diesmal hat es sich ganz von allein ergeben, es ist einfach passiert durch zufällige Begegnungen, als sich Tour-Termine kreuzten. Der jeweilige Gesang fügt sich in die beiden Tracks so ein, dass die atmosphärische Struktur und Textur ganz „nathanfakelike“ im Vordergrund bleiben. Lassen wir uns überraschen, ob in Zukunft erneut Vocals Eingang in Nathans Musik finden. Singen gehört jedenfalls nicht zu den Dingen, die Nathan Fake gerne noch lernen würde – Instrumente besser zu spielen, schon vielmehr. „Keyboard spiele ich ganz gut, aber nicht so wirklich gut. Es wäre schön, irgendein Instrument so beherrschen zu können, dass ich damit herumspielen und es an seine Grenzen bringen kann. Ja, ich würde gerne lernen, vernünftig Musik zu machen, eines Tages (lacht).“
Aus dem FAZEmag 061/03.2017
Text: Csilla Letay