Platten des Monats – März 2025

Das sind sie, unsere Tonträger-Favoriten aus dem März-Heft unterteilt in Alben und Compilations, Singles und EPs sowie die jeweiligen Platten des Monats.

Singles & EPs – Platte des Monats

Various Artists
Meliora (Fur:ther Sessions 008)
Oberbayern is in the Minimal House. Das Label aus Bad Kohlgrub – eine Gemeinde im oberbayerischen Landkreis Garmisch-Partenkirchen und das höchstgelegene Moorheilbad Deutschlands – hat sich im Laufe der vergangenen Jahre seinen Status als führendes deutsches Minimal-Label erarbeitet und untermauert diesen mit der vorliegenden Four-Track-EP. Die Tracks von Na Nich, dem Techno Alias des ukrainischen Drum’n’Bass-DJs Alexander Pavlenko, dem indischen DJ Madhav Shorey aka Kohra, dem Briten Adam Pitsillides und dem Waliser Eben Rees fügen sich hervorragend zu einem Ganzen zusammen, und das auch noch in farbigem Vinyl. Für Fans von deepem Minimal mit leichten Neotrance- und Sci-Fi-Dubtechno-Einflüssen ein klarer Tipp. 10 points Minimizer

Singles & EPs – Top Ten

Bedouin
Make Me Feel – Notre Dame Remix (Human By Default)
Notre Dame nimmt sich dem eh schon wunderschönen und melodischen Tune „Make Me Feel“ von Bedouin an und schafft es, mich komplett aus dem Leben zu schicken. Selten habe ich einen so gefühlvollen und euphorisierenden Track wie diesen gehört. Vor allem natürlich den engelszarten, himmlischen Vocals geschuldet aber eben nicht nur. Denn um die Vocals wurden perfekt harmonierende Synthies von Pads über Synthbässen bis hin zu kurzen Klaviersamples arrangiert, die eine warme und gleichzeitig auch eine aufbruchartige Stimmung verbreiten, als wolle man den Frühling geradezu zu seinem Glück verhelfen. Ich bin betäubt und benommen von dieser Schönheit an Soundkulisse. Hört einfach selbst. 10 Rusty

Boris Ross & Baggi
Like A Roc EP (SB Records)
Drei Tunes haben Boris Ross & Baggi auf ihre neue EP gepackt und veröffentlichen sie auf dem Label von Loco Dice. Zu hören bekommen wir tanzbaren und vor allem treibenden House. Mir gefällt „Speed Freaks“ tatsächlich am besten, denn hier kommen feinste UK-Garage Sounds zusammen mit viel Energie und fetzigen Vocals. Aber auch „Bag Of Tricks“ punktet bei mir mit wildem FX-Spiel, schnellen Beats und Backbeats sowie kurzen Synthieshots. Das ist in Summe straight nach vorne gehender House, der sich mal so richtig gewaschen hat. 9 Rusty

DEAS
Basics EP (Lush Point)
DEAS bleibt seinem charakteristischen Stil treu und präsentiert eine EP, die Minimalismus mit purer Funktionalität vereint. Die vier Tracks sind schlank, direkt und kompromisslos – Deep-Techno-Präzision auf den Punkt gebracht. Egal, ob „Red“, „Yellow“, „Black“, oder „Blue“ – alle vier Tracks vermitteln dieses Gefühl von 5 Uhr morgens, Strobo-Licht und Groove. Unterscheiden tun sich die Songs allesamt vor allem in Nuancen, zum Beispiel ist eine Nummer treibender, die andere setzt auf Druck oder Groove. „Blue“ verpasst uns sogar eine Art rohen Funk der 90er Love Parade. Kraftvoll, innovativ und mit tiefen Rhythmen versetzt. Selbst wenn die Müdigkeit beim Clubbesuch einsetzen sollte, die vier Dinger zwingen dich zum Zappeln. 09/10 scharsigo

Luca Draccar
The Dark Side (Lush Point)
Solche Hybriden aus Techno, Disco und House hört man nicht alle Tage. Zwar irgendwie dunkel, aber gleichzeitig schimmernd, exotisch und innovativ. Dieser wilde Mix aus pulsierenden Beats und glitchigen Synthesizern ist komplex und clubbig zugleich. Bunt und Untergrund. Los geht’s mit „Bad at Love Since Forever“ und damit durch verzerrte Basslines und ätherischen Synthies, die bereits Laune machen. Mit „Outlaws Division“ geht es mit seinen übersteuerten Kicks, zackigen Synthesizerlinien und einer Prise epischer Energie noch einen Schritt weiter. „Reckless Flower“ wird dann etwas melodischer und stellt sich gleichzeitig wie eine 80er Indie-Perle mit Frischzellenkur vor. „Branded Your Brain“ beendet die EP schließlich mit tiefen Basslinien und rauchigen Texturen. Futuristisch und cineastisch. Draccar hat sogar Klavierunterricht genommen, um die Instrumentalparts selbst zu komponieren. Der Aufwand hat sich gelohnt! 09/10 scharsigo

Mark Reeve & Kloset
Seconds (Moods)
Mark und der mysteriöse Kloset launchen ein fettes Technopaket auf dem Label von Nicole Moudaber. „Extraction“ pumpt gewaltig minimal in gelooptem Design – furztrockener Tech-Funk auf Weltklasseniveau! Das Titelstück „Seconds“ knallt mit gummiartigen Drums, piependen Sci-Fi Melodien und effektummantelten Percussions – das Teil rollt ohne Ende und fetzt Köpfe auf Boxenniveau glatt weg. Extrem starke Vorstellung des Duos, das die Clubs im Sturm nimmt! Mega! 10 Cars10.Becker

Mollono.Bass
Tears & Hope – Part 1 (3000Grad)
Der Vorbote des neuen Albums! Mollono.Bass veröffentlicht im April sein neues und viertes Album, vorab gibt es schon eine EP mit vier Tracks! „Leaves The Wind“ schreitet geschmeidig, aber druckvoll sowie mit knarzigem Bass und zerfaserten Klangstrukturen auf den Open-Air-Dancefloor. Für alle, die es etwas länger haben wollen, gibt es dazu auch noch einen Extended Mix. „Falling Apart“ ist zusammen mit MAZ’N entstanden, der auch an weiteren Album-Tracks mitgewirkt hat. Organisch, deep, melodisch und vergnügt tänzelt der Track wie eine Sommerbrise voran, getragen von den geschmeidigen Vocals von MAZ’N. Neben dem Original gibt es hier noch eine instrumentale Version. 9 Pop Guardiola

Odee X
X-Ray (Rek’d)
Matt Ryder aus London ist der dritte Protagonist, der sich auf dem Rekids Sublabel einfindet, um House auf alternative Art zum Leuchten zu bringen. Im Mittelpunkt von „X-Ray“ steht eine Pianohook, die fantastisch groovt und mich an „Dixtrit“ von Bassfort auf Freerange aus 2010 erinnert. Dazu gesellen sich clevere Drumarrangements. Auf der Instrumentalversion bemerken wir Vocalaction (!?) vor dem Drop, während organische Percussion, lustvolles Sampling und viele Echoeffekte einen tollen Dub Peak-Time House Classic mit dem „Culture Dub“ etablieren. Drei mitreißende Tracks und Versionen, wie es nur Matt auf einem seiner Label launchen kann. 10 Cars10.Becker

Alben & Compilations – Platte des Monats

Spiral Deluxe feat Jeff Mills
The Love Pretender (Axis)
2014 rief Jeff diese Supergroup ins Leben und veröffentlicht dieser Tage die zweite Kollabo nach „Voodoo Magic“ (2018) im Umfeld, das dem elektronischen Jazz zuzuschreiben ist. Mit ihren unterschiedlichen Backgrounds und Stilen schaffen Yukmiko Ohno am Moog, Gerald Mitchell an den Keys, Jenji Hino am Bass und Jeff an der Drum Machine musikalische Exkursionen der Extraklasse auf der Suche nach dem göttlichen Feel und Ansprache an das Universum. Mit lediglich geringer Vorbereitung stellen die acht Titel quasi eine Session dar, die noch vor der Pandemie aufgenommen wurde, wobei die Musiker intuitiv aufeinander reagieren und ihren Assoziationen freien Lauf lassen. Und genau nach diesen Skillz hatte Jeff vor einem Jahrzehnt gesucht. Jazzige Noten, ein elektronischer Bass, Synthiebeat und blubbernde Keys schaffen eine freundliche wie warme Atmo. Der Optimismus, den diese Platte ausstrahlt, und eine California Soul-Leichtigkeit, wird durch den im vergangenen Jahr gestorbenen Franzosen Sylvian Luc an der Gitarre verkörpert. „Society’s Man“ funkt gewaltig als Opener mit Hammonds und Gitarre, während „The Soloist“ technoide Sequenzen mit jazzigen Flötenklängen mischt. Deep chordy House folgt mit „Paris Roulette“, spielerisch leicht und clubby. Gleissend, trippendes Licht („Shapeshifter“) bahnt sich in der Mitte den Weg als empathisches Konstrukt zu Geist und Seele. Piano low-tempo Grooves mit Percussionspiel („Uptown“), bevor der beste Track des Albums Einblicke gewährt: „The Drive“ funkt mit Bass, Claps und Percussions ohne Ende, im Hintergrund von Moog und Synthies begleitet – superfetter Sound! Jazzy Pianos und Solobassläufe kennzeichnen „The Power Of Miracles“, das ein sensationelles Album beschließt. Jeff Mills, bereits seit Jahrzehnten als Ikone der elektronischen Musik gehandelt, wird mit zunehmendem Alter immer besser und steigert die Qualität seiner Outputs bis ins schiere Unermessliche. 10 Cars10.Becker

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Alben & Compilations – Top Ten

Carl Craig
In The House – Detroit Techno Mix (Defected)
Mit der neuen Ausgabe der “In The House”-Serie auf Defected, liefert uns US-Technolegende Carl Craig einen epischen Mix, der einige Überraschungen parat hält. Natürlich ist seine Spielwiese im Wesentlichen im US-Sektor angesiedelt, wenn Floorplan (checkt das fantastisch mitreißende „Baby Baby“), Inner City, Stacey Pullen, Stacy Kidd, David Tort, K’Alexi Shelby, Idjut Boys oder John Williams das technoide Muster bestimmen und die Mittelachse bilden. Andererseits finden wir auch Klassiker der Basement Jaxx („Fly Life“), Cesaria Evora im Remix von Carl oder Samuel L. Session. Mit The Human League und ihrem 80er Klassiker „The Things That Dreams Are Made Of“ gelingt ihm zum Abschluss eine echte Überraschung dieses spannenden Mixes. Starker Auftritt auf der ikonischen Serie aus UK! 9 Cars10.Becker

Fluxion
Haze (Vibrant Music)
Der griechische Dub-Techno-Routinier Fluxion schenkt uns ein neues Album namens „Haze“. Für unsere Lauscher bedeutet das: Fertigmachen zum Tauchgang! Denn „Haze“ ist eine LP zum Eintauchen – und zum Verlieren in den ausgeladenen Dub-Soundscapes des Großmeisters, die er mal in ambienter Natur („Magenta Touch“), mal euphorisch-treibend („Berlin“, „What Tomorrow Brings“) und mal schleichend-hypnotisch („Life Motif“) zum Ausdruck bringt. „Haze“ ist zutiefst mit der Signatur Fluxions verwurzelt und klingt dennoch zukunftsorientiert – dank filmischer Tiefe und einer unnachahmlichen rhythmischen Fluidität hat der Grieche seit den 90er-Jahren einen einzigartigen Stil entwickelt, der Elemente aus Dub, Ambient, Techno, Score, Textur und sogar Jazz zu einer einzigartigen Organik vereint. Erstklassig. 10 Laenkford

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Jean-Michel Jarre
Zoolook – 40th Anniversary (Sony)
Zum 40. Geburtstags seines Albums „Zoolook“ präsentiert Jean-Michel Jarre eine neu gemasterte Version, die darüber hinaus auch noch den Bonustrack „Moon Machine“ enthält. Entgegen seinen vorherigen und Synth-lastigen Arbeiten experimentierte Jarre damals ausgiebig mit Sampling-Technologie und schuf so eine Collage mit Vocals und Lauten aus 25 verschiedenen Sprachen. Dieser breite, multikulturelle Ansatz schuf ein Album in der Tradition von Jarres früherem Mentor, dem Musique-concrète-Pionier Pierre Schaeffer. Es war für „Zoolook“ so auf verschiedenen Ebenen ein Wendepunkt im Schaffen des französischen Elektronik-Pioniers. „Ich wollte die verschiedenen Klänge der Menschheit zusammenführen und eine musikalische Sprache ohne Worte schaffen, die universell verständlich ist“, erklärt Jarre. Ein Ansatz, der aktueller kaum sein könnte. Und so ist dieses Album ein zeitloses Dokument, das mit seiner Intention und seinen speziellen Sounds und Vocals einen festen Platz in der Musikgeschichte hat. 10 Synthie Lauper

Panda Bear
Sinister Grift (Domino)
Noah Lennox alias Panda Bear stellt sein neues Soloalbum „Sinister Grift“ auf Domino vor, das einen differenzierten Sound im Vergleich zu den experimentellen Klanglandschaften von Lennox‘ Band Animal Collective anpeilt. Statt psychedelischer Eskapaden zum Abtauchen in fremde Klangwelten gibt es hier überwiegend reduzierte Arrangements, die der Qualität der LP allerdings keinen Abbruch tun. Ganz im Gegenteil: leichtfüßige Grooves wie „50mg“ oder „Ferry Lady“ laden zum Kopfnicken und Mitwippen ein und in „Left In The Cold“ kommt ein verträumter Minimalismus zum Tragen, der nur wenig später von den trippigen Freak-Folk-Vibes von „Elegy for Noah Lou” kontrastiert wird. „Sinister Grift“ pendelt sich letztlich zwischen der Wärme eines klassisch rockigen Sounds und den unergründlichen Weiten, die Panda Bears Musik seit jeher auszeichnen, ein und schreibt das nächste Kapitel eine faszinierenden Musiker-Saga, von der wir hoffentlich noch lange zehren werden. 9 Laenkford

SONO
Lost Lovers Motel (Sono Music/Edel)
Zwei Jahre nach ihrem letzten Album präsentieren SONO ihren neuen Longplayer „Lost Lovers Motel“, mit uns das Trio in die Sounds und Klangwelten der 80er-Jahre führt. Trotz eines gewissen Retrovibes klingen die Songs dabei aber nicht altbacken oder unmodern, sondern sprudeln über vor Frische, Atmosphäre und pulsierenden Beats, zwischen Synthwave und Pop. SONOs Songs erzählen Geschichten von Liebe, Verlust und Angst – Gefühle, die zeitlos und universell sind – thematisieren dabei sowohl die Schatten-, als auch die Sonnenseiten. Hier schwirren überzeugende Vocals und Melodien durch den Raum, musikalisch getragen von melancholischen Synthies, einer feinen Klangästhetik und wohl temperierten Arrangements. Ein sehr sympathisches und schwingendes Album. 9 Paula Heisenberg


Aus dem FAZEmag 157/03.2025