Rainer Trüby – Zurück zu den Wurzeln

Rainer Trüby – Zurück zu den Wurzeln / Foto: Felix Bassler

Die Geschichte der „Glücklich“-Serie begann Anfang der 90er-Jahre in Stuttgart und Esslingen. Dort, in seiner Heimat, hat Rainer Trüby sehr viel Zeit in Plattenläden verbracht, auf der Suche nach „Rare Grooves“. Vor allem deutsche Veröffentlichungen aus den 70er- und 80er-Jahren hatte er auf dem Schirm, die man auch gut auflegen konnte. Fündig wurde er da vor allem im Bereich Krautrock und Jazz/Fusion, auf diesen Alben fand sich nicht selten ein brasilianisch angehauchter Samba-Track. Und daraus entstand dann die Idee  zur „Glücklich“-Compilation. Michael Reinboth, Freund und Labelbetreiber von Compost Records, war von der Idee sofort überzeugt und so nahm die Geschichte 1994 ihren Lauf, die jetzt nach 20 Jahren Pause wieder weitergeschrieben wird.

Die Zeit war jetzt einfach reif – eine der interessantesten Compilation-Reihen geht in die sechste Runde. „Die Idee, mal wieder eine neue ,Glücklich‘-Compilation herauszubringen, gab es schon länger, aber an der Umsetzung hat es gehapert. Während der Pandemie habe ich nochmals losgelegt und mir passende Tracks überlegt.“ Zwölf Tracks sind es schließlich aus einer engeren Auswahl von 40 bis 50 Tracks geworden, wobei sich aber auch oft die Lizenzierung sehr schwierig gestaltete und dadurch viele Kandidaten rausfielen, wie Rainer Trüby berichtet. Musikalisch geht es dieses Mal eher back to the roots, nur drei neuere Produktionen sind an Bord, der Rest hat schon einige Jahre auf dem Buckel. Dabei ist es interessant zu sehen, wie hier die Entwicklung der sechs Ausgaben vonstatten gegangen ist: „Auf der ersten Ausgabe waren ausschließlich deutsche Produktionen aus den 70er- und 80er-Jahren. Die zweite Edition war auch noch komplett retro, hat sich aber auch europäischen Artists geöffnet, mit beispielsweise Sail Joia aus den Niederlanden oder auch Emphasis aus der Schweiz. Ab der dritten Ausgabe hat sich die Reihe auch neuen Produktionen z.B. von Da Lata, Modaji oder auch Pathless (Teil der Jazzanova-Crew) geöffnet, die sich auch gut in meinen DJ-Sets seinerzeit mit den alten Tracks kombinieren ließen. So blieb das Konzept dann auch, Alt mit Neu zu kombinieren. Inzwischen sind die Acts auch noch internationaler“, erklärt Trüby.

Ebenfalls eine Konstante ist die Cover-Gestaltung, die auch ein bisschen mit dem Titel verknüpft ist. Der stammt von einem Track einer norddeutschen Krautrockband aus den 70ern namens To Be. „Der gefiel mir gut, und das passte auch hervorragend zum Vibe der brasilianischen Musik. Für mich gab es eine Connection von Deutschland nach Brasilien, die ich oft mit VW in Verbindung gebracht habe, u.a. auch durch den VW-Bus ,Samba‘ (,Glücklich II‘). 1953 wurde in Brasilien eine VW-Tochtergesellschaft namens ,Volkswagen Do Brasil‘ gegründet und viele Modelle wurden dann auch in Brasilien produziert. Das aktuelle Cover zeigt den brasilianischen Sportwagen VW SP2, der Mitte der 70er-Jahre nur in Brasilien gebaut und verkauft wurde.“ Der Wahlfreiburger, der seit über 30 Jahren großer Fan brasilianischer Musik ist und Songwriter wie Milton Nascimento, Marcos Valle, Edu Lobo oder auch Lô Borges zu seinen Favoriten zählt, blickt jetzt nach dem Abschluss der Produktion der neuen Ausgabe vor allem auf eine Anekdote besonders gern zurück. Als großer Fan des Argentiniers Guillermo Reuter von der Jazz-Fusion-Band Candeias machte er ebendiesen ausfindig, und dieser ließ ihm diverse unveröffentlichte Aufnahmen aus den 70er-Jahren zukommen. „Darunter war auch der Song ‚Mr.Jenkins‘, der mir geradezu prädestiniert für die ,Glücklich‘-Reihe schien. Die Originalaufnahme wurde dann auch von einem extrem rauschenden Tape gezogen, Patina-Sound pur. Da waren die Leute vom Mastering ganz schön gefordert.“

Aber es hat sich gelohnt: Der äußert rhythmische Track gehört trotz – oder eher wegen – seines Rauschens zu den Highlights einer an Highlights nicht armen „Glücklich VI“-Ausgabe. Genießen wir das Glück und freuen uns auch schon auf Teil VII, „aber dann wohl nicht mit 20 Jahren Pause dazwischen“.

„Glücklich VI“ erscheint am 14. Juli via Compost Records (LP/CD/digital).

Aus dem FAZEmag 137/07.2023
Text: Tassilo Dicke
Foto: Felix Bassler
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