Montag, der 03.07. 2023 – Pressekonferenz von Rave The Planet im altehrwürdigen Hotel Berlin. Aber schon kurz nach dem Beginn der PK platzt eine unerwartete Bombe. Eine Woche vor der Parade – Rave The Planet steht auf der Kippe. Bis zum 21. Juni waren die Veranstalter zuversichtlich, dass der Malteser Hilfsdienst e.V. unter Zuhilfenahme anderer Hilfsorganisationen ein Sanitätskonzept bieten könnte. An diesem Tage erreichte die Veranstalter jedoch die Absage. Man teilte Rave The Planet mit, dass es in der Kürze der Zeit nicht möglich sei, die Veranstaltung adäquat sanitätsdienstlich abzusichern. Diese Nachricht war für die Veranstalter laut Geschäftsführer Timm Zeiss sehr überraschend, zumal sie schon seit März 2023 mit den Maltesern im Kontakt standen. Der originale Wortlaut: „Nach unserem jetzigen Kenntnisstand halten wir einen Sanitätsdienst für notwendig. Darüber hinaus ist unserer Kenntnis nach keine Auflage zur Stellung eines Sanitätswachdienstes durch die zuständige Behörde erteilt worden. Ihre Demonstration sollte daher durchführbar sein.“
Interessant: Eine solche Auflage, sollte sie denn rechtlich überhaupt möglich sein, wurde formell auch bis heute nicht erteilt, allerdings ist vom Grundsatz in jedem Fall – das ist offensichtlich – ein Sanitätsdienst im Rahmen der Demonstration erforderlich. Die Behörden haben dies auch in den Kooperationsgesprächen stets betont, was im Ergebnis selbstverständlich nachvollziehbar erscheint. Zum Zeitpunkt des 21. Juni war für die Veranstalter die Tragweite dieser Nachricht noch nicht bekannt.
Aber fangen wir vorne an. Nach dem überwältigenden Erfolg der ersten „Rave The Planet Parade“ im vergangenen Jahr, soll am 08. Juli 2023 die zweite Ausgabe der derzeit größten Techno-Demonstration Deutschlands in Berlin stattfinden. Unter dem Motto „MUSIC IS THE ANSWER“ erwartet der Veranstalter, die gemeinnützige rave the planet GmbH, ca. 300.000 Teilnehmer:innen, die für Frieden und für den Erhalt der elektronischen Musik- und Clubkultur, sowie die Anerkennung derer kulturellen und gesellschaftlichen Leistungen demonstrieren. Unterstützt von etwa 200 namhaften Künstler:innen und Kulturschaffenden aus aller Welt, möchte die Technoparade vor allem auch die Bedeutung von non-verbalen Tanz- und Musikdemonstrationen für die Gesellschaft verstanden und anerkannt wissen. Ohne behördliche Auflagen, die die Freiheit des Ausdrucks der politischen Meinungskundgabe auf geschriebenes oder gesprochenes Wort reduzieren. Nach dem Selbstverständnis der elektronischen Musikkultur, sind das friedliche Versammeln und der gemeinsame Tanz auf der Straße allein die Ausdrucksform der politischen Meinungskundgabe und Mittel der Verständigung.
Das Internationale Komitee des Tanzes des Internationalen Theaterinstitutes der UNESCO würdigt bereits seit 1982 den Tanz als universelle Sprache in der Welt, mit dem sog. „Welttanztag“ oder auch „Internationaler Tag des Tanzes“. Seit der ersten Loveparade, im Jahr 1989 in Berlin, beansprucht auch die Technokultur diese Art der non-verbalen Sprache als Mittel der Verständigung für sich und bringt ihre Anliegen durch das gemeinsame Tanzen aller Generationen, Geschlechter, Ethnien, Religionen und Kulturen zum Ausdruck. In diese Tradition stellt sich Rave The Planet Parade und möchte diese berlintypische Sonderform der politischen Demonstration auf rechtssicheren Boden stellen.
Neben der eindrucksvollen musikalischen Inszenierung bietet die Parade darum auch eine Plattform für politische Botschaften, kulturelle und gesellschaftliche Anliegen.
Aber kommen wir zurück der dringlichen Situation hinsichtlich eines Sanitätsdienstes. Rave The Planet versuchte schnell, über ihre Sicherheitsbeauftragten Kontakte zu anderen Hilfsdiensten, auch in anderen Bundesländern, aufzubauen und eine mögliche Lücke durch die Inanspruchnahme privater Anbieter zu schließen. Innerhalb kürzester Zeit erhielt Rave The Planet Absagen. Selbst private Anbieter teilten mit, dass eine Zusammenarbeit nicht möglich sei. Die Veranstalter im O-Ton: „Wir konnten uns das Verhalten nicht erklären, bis wir durch einen hauptamtlichen Mitarbeiter eines Hilfsdienstes interne Korrespondenz zugespielt bekommen haben. Aus diesen beiden uns vorgelegten Nachrichten geht hervor, dass eine Absprache zwischen allen Berliner Hilfsorganisationen bestehen soll, unsere Versammlung sanitätsdienstlich nicht zu begleiten. Wir kennen den Urheber dieser Nachrichten noch nicht, wissen aber sehr wohl, dass diese Nachrichten sogar in Sachsen und Hessen unter Mitarbeitenden von Hilfsdiensten verteilt wurden und im Ergebnis sogar bei privaten Anbietern für Sanitätsdienste gelandet sind. Wir sind uns nicht sicher, wer ein Motiv besitzen könnte, uns einen solch massiven Schaden zuzufügen. Dieses Wissen brächte uns gegenwärtig auch ganz davon abgesehen nicht weiter. Die Hilfsorganisationen nehmen sehr wichtige öffentliche Aufgaben wahr. Sie sind nicht nur in Notsituationen verpflichtet, alle verfügbare Helfer:innen und alles Material einzusetzen. Es liegt auch mit in ihrer Verantwortung, die eventuelle Entstehung von Notlagen zu vermeiden, nämlich präventiv Personal und Material einzusetzen.“
Ein großes Problem: Inanspruchnahme privater Dienstleister ist für die Veranstalter finanziell nicht möglich, die Kosten liegen weit über dem Budget, was Rave The Planet für den Sanitätsdienst eingeplant hatte. Aus diesem Grund appelliert Rave The Planet an Hilfsdienste, die Demonstration nach Kräften zu begleiten und keinen Boykottaufruf unter ihren Kollegen zu verbreiten oder einen solchen aufrecht zu halten.
„Wir appellieren an die politischen Kräfte, ihren Einfluss auf diese Dienste nach ihren Kräften geltend zu machen und zur Lösung weiter beizutragen.anderen Bundesländern, aufzubauen und eine mögliche Lücke durch die Inanspruchnahme privater Anbieter zu schließen.“
Die Stadt Berlin soll sich jedoch aktuell um eine Lösung der schwerwiegenden Probleme bemühen.
Wichtig für die Veranstalter ist der folgende Punkt:
FORDERUNGSKATALOG & REDEN:
1. Anerkennung der elektronischen Musikkultur als zu schützendes Kulturgut – begünstigt durch unseren laufenden Antrag zur Anerkennung der Technokultur als Immaterielles Kulturerbe der UNESCO.
2. Gleichstellung der elektronischen Musikkultur mit allen anderen, etablierten Kulturformen und -einrichtungen, sowie gleiche Ansprüche und Chancen auf staatliche Förderungen.
3. Schutz von Clubs und anderen Veranstaltungsorten als Kulturstätten.
4. Bedingungsloses Grundeinkommen für Künstler:innen und Kulturschaffende.
5. Einführung des gesetzlichen Feiertags „Tag der elektronischen Musikkultur“, jährlich, am zweiten Samstag im Juli, dem traditionellen Tag der Berliner Loveparade.
6. Generelle und bundesweite Abschaffung von allen Tanzverboten, im Besonderen auch an christlichen Feiertagen.
7. Recht auf kulturelle und non-verbale Tanz- und Musikdemonstrationen, frei von Pflichtwortbeiträgen, damit Kundgebungen und Aufzüge, im Besonderen der elektronischen Musikkultur, grundsätzlich rechtssicher als Versammlungen im Sinne des Artikel 8 GG anerkannt werden.
8. Frieden und Abrüstung zwischen allen Menschen, in Worten und Taten.
Die Forderungen der Rave The Planet Parade erhalten eine kraftvolle Unterstützung durch insgesamt 19 Redner:innen aus Berlin, Deutschland und fünf europäischen Hauptstädten. Die Auswahl an Redner:innen untermauert die Bedeutung der elektronischen Musikkultur auf internationaler Ebene und unterstreicht die Relevanz der Parade, um dieser Kultur Sichtbarkeit und Gehör zu verschaffen. Ein bedeutender Moment wird die Eröffnungsrede von Berlins neuem Kultursenator, Joe Chialo, sein.
Alle Redner:innen im Überblick:
• Alya Dirix (Brussels Night Council, Visit Brussels – Brüssel)
• Artur Wojtczak (Buchautor, Journalist, Germanist – Warschau)
• Assunta Tamelo (bfg Bund für Geistesfreiheiten – München)
• Christine Kakaire (Kulturjournalistin, Kritikerin, Lehrerin, Redakteurin – Berlin)
• Carlo Blättler (Veranstalter, Fachdozent, Mitglied Verein Street Parade – Zürich)
• Dr. Sissy Kraus (Anwältin, ehem. Vorständin CSD Berlin – Berlin)
• Dr. Matthias Pasdzierny (UdK Universität der Künste – Berlin)
• Dr. Motte (rave the planet gGmbH – Berlin)
• Ellen Dosch-Roeingh (rave the planet gGmbH – Berlin)
• Eric Wust (DJ, Radiomoderator – Mannheim)
• George Fleming (Save Our Scene UK – London)
• Joe Chialo (Senator für Kultur und gesellschaftlichen Zusammenhalt – Berlin)
• Marc Wohlrabe (Live Musik Kommission, ClubCommission, Stadt nach 8 – Berlin)
• Mark Reeder (Gründer MFS Records, Musiker, Filmemacher – Berlin)
• Marta Fantini (Musikerin, Eventmanagerin, Aktivistin – Rom)
• Mijk van Dijk (DJ, Musiker, Aktivist – Berlin)
• Sascha Ritter (Artist- & Eventmanager, Metropole Agency, HYTE Festival – Berlin)
• Tommy Vaudecrane (Techno Parade, Technopol – Paris)