Raxon – pure Authentizität

Raxon – pure Authentizität

Der in Barcelona lebende Produzent und DJ hat sich in der internationalen elektronischen Musikszene schon vor einigen Jahren fest etabliert, nicht nur durch gefeierte DJ-Sets, sondern auch durch grandiose Produktionen. Ursprünglich aus Ägypten stammend, ist er für seinen vielseitigen und genreübergreifenden Sound bekannt, der Einflüsse aus Techno, Breakbeats und 90er-Psy-Trance vereint.

Seine künstlerische Vision hat er mit Veröffentlichungen auf zahlreichen renommierten Labels – wie beispielsweise Cocoon, Kompakt und Ellum – verewigt. Nach „Sound Of Mind“, das 2021 auf Kompakt erschienen ist, veröffentlicht Ahmed Raxon, wie er mit bürgerlichem Namen heißt, nun sein zweites Album „USWATT“, das bereits im Oktober auf DSK Records erschienen ist.
Im großen Cover-Feature spricht er neben dem Album auch über die langjährige Zusammenarbeit mit dem Label, reflektiert u.a. den Support von Sven Väth, seine Show beim diesjährigen Sonar Festival und die Inspiration hinter seiner Eventreihe „Unannounced by Raxon“. Zudem gibt er Einblicke in seinen kreativen Prozess, seine musikalischen Wurzeln und wie ihn Städte wie Barcelona und seine Erfahrungen als Architekt beeinflusst haben. Raxons Geschichte zeigt, wie er sich immer wieder neu erfindet, ohne dabei seine Authentizität zu verlieren.

Dein zweites Album „USWATT“ wurde über DSK Records veröffentlicht. Wie würdest du die Entwicklung deines Sounds von „Sound of Mind“ bis zu diesem neuen Album beschreiben?

Mein erstes Album entstand komplett während des Lockdowns in der Corona-Pandemie. Es war der perfekte Weg, die Zeit zu überbrücken und etwas zu schaffen, das nicht speziell für den Dancefloor gedacht war. Wenn ich es mir jetzt anhöre, erinnert es mich daran, wie ich mich in dieser Zeit gefühlt habe. Bei „USWATT“ war es so, dass ich eigentlich nie vorhatte, ein Album zu schreiben oder zu kreieren. Ich experimentiere immer mit Sounds und Ideen, während ich Clubtracks produziere, für die ich hauptsächlich bekannt bin. Es ist immer interessanter, neue Ideen zu erkunden, eine Möglichkeit, meinen Kopf frei zu bekommen und mich nicht in einem „Genre“ festzufahren. Im Laufe der Zeit habe ich dann gemerkt, dass ich eine Menge Tracks hatte, die in einem Albumkontext gut zusammenpassen könnten. Der Auswahl- und Tracklist-Prozess hat allerdings viel Zeit in Anspruch genommen. Einige Tracks haben es nicht auf das Album geschafft, und die, die es geschafft haben, mussten gut zusammenpassen, wenn man sie in der Reihenfolge des Albums hört. Ich bin zufrieden mit dem Ergebnis dieses Albums und hoffe, dass es euch auch gefällt.

Es ist das erste Album, das auf DSK Records veröffentlicht wird. Wie kam es zu der Zusammenarbeit?

DSK Records ist eine neue Erweiterung meiner Bookingagentur Dskonnect. Das Label wurde letztes Jahr anlässlich des 20-jährigen Bestehens der Agentur gegründet. Dskonnect und ich haben eine langjährige, tiefe Beziehung. Sie haben mich seit meinen frühen Tagen in Barcelona unterstützt, und wir haben immer frei gearbeitet, ohne äußeren Druck der Szene. Die Veröffentlichung meines zweiten Albums ist ein kleines Dankeschön für all die Unterstützung im Laufe der Jahre. Ich glaube an das Label, genauso wie sie an mich glauben.

Du wurdest während deiner Karriere von Ikonen wie Sven Väth unterstützt. Wie hat sein Support deinen Weg geprägt, und welche Auswirkungen hatte dies auf deine künstlerische Entwicklung?

Ich betrachte Sven als eine der großen Säulen unserer Szene, und von ihm unterstützt zu werden, ist eine Ehre und gibt definitiv Selbstvertrauen. Ich erinnere mich noch genau an den Moment, als ich auf Svens Radar erschien. Es war, als ich Anfang 2019 meine erste „Speicher“ auf Kompakt veröffentlichte. Sven spielte in Barcelona, also brachte ich ihm eine Kopie mit, und er zeigte mir, dass er bereits eine hatte. Ich war absolut erstaunt und konnte es im positivsten Sinne kaum glauben. Er spielte den Track „Dark Light“ den ganzen Sommer über, und viele Leute schickten mir Videos, wann immer er ihn spielte. So begann im Grunde alles, was schließlich auch die Tür zur Veröffentlichung bei Cocoon öffnete. Ich bin wirklich dankbar für seine konstante und fortwährende Unterstützung bis heute. Danke, Sven!

Dein Debüt auf dem Sonar Festival war ein großes Highlight in diesem Jahr.

Ja, das stimmt. Ich habe jetzt schon ein großes Lächeln im Gesicht, wenn ich daran denke. Ich habe ehrlich gesagt nicht realisiert, welche Dimension dieser Anlass im Allgemeinen, aber vor allem auch für mich hatte, bis ich dort war. Normalerweise bin ich vor einer Show nicht sonderlich nervös, weil ich mich tatsächlich darauf freue, zu spielen und die Freude an der Musik mit dem Publikum zu teilen. Aber Sonar war anders, weil viele Freunde und Familie anriefen, um mir zu gratulieren und zu sagen, dass sie zur Show kommen würden. Das hat mich am Tag selbst sehr nervös gemacht, bis ich anfing zu spielen. Dann war alles weg, und wir hatten eine großartige Zeit zusammen. Es war wirklich eine unvergessliche Erfahrung und fantastisch, dies in der Stadt zu erleben, die ich seit neun Jahren mein Zuhause nenne.

Erzähle uns mehr über „Unannounced by Raxon“. Was hat dich inspiriert, diese Eventreihe zu kreieren und wie würdest du die Vision beschreiben?

Wir haben großes Glück, dass der Input Club die gleiche Vision für dieses Konzept hat und daran glaubt. Es ist keine wirkliche Einnahmequelle, sondern eher ein Statement. Die Idee entstand, als ich mit meiner rechten Hand, Dani Koala, darüber sprach, etwas wirklich Musikbasiertes zu machen, ohne Konkurrenz zu anderen. Im Grunde also eine geheime Party – aber dafür brauchten wir einen starken Venue-Partner, und der einzige Club, der von Anfang an in meinem Kopf war, war Input. Ich kenne die Input-Familie seit meinem ersten Tag in Barcelona vor neun Jahren. Ich bin seit den Tagen, als sie noch ein DJ-Pult aus Holz hatten, in diesem Club. Als die Zeit reif war, sind Dani und ich zu Edu Hitch, dem Hauptverantwortlichen bei Input, gegangen, um das Konzept mit ihm zu teilen, und er war voll dabei und teilte unsere Vision.

@raxon__

♬ original sound – Raxon

Mit Einflüssen wie The Prodigy und The Chemical Brothers – wie balancierst du diese ikonischen Sounds der Vergangenheit mit der heutigen elektronischen Musiklandschaft?

Heutzutage mache ich Musik zu meinem eigenen Vergnügen. Es ist ein so angenehmer und herausfordernder Prozess, dass ich einfach gelangweilt wäre, wenn es immer dasselbe wäre. Meine Einflüsse sind all die Dinge, mit denen ich aufgewachsen bin, ob es der Soundtrack von „Mortal Kombat“ oder Sci-Fi-Filmen ist, Breakbeats, Hip-Hop oder sogar Psy-Trance der 90er. Mein Alltag dreht sich um Musikproduktion, aber viele Tracks erreichen nie die Ziellinie, und einige schreiben sich quasi von selbst. Das sind Dinge, die man im Laufe der Zeit lernt und mit denen man wächst. Ich muss auch sagen, dass ich Musik nicht mache, um andere zu beeindrucken oder in eine Schublade zu passen. Das funktioniert überhaupt nicht und führt zu einer totalen kreativen Sackgasse. Sich selbst treu zu bleiben, ist mühelos, und das Ergebnis ist immer authentisch.

Du hast Musik auf einigen der angesehensten Labels wie z.B. Cocoon, Kompakt, Ellum und Truesoul veröffentlicht. Was verbindet dich mit diesen Labels und wie beeinflusst die Zusammenarbeit mit ihnen deinen Produktionsprozess?

Für mich geht es um die persönliche und musikalische Verbindung zum Label. Ich war schon immer ein Fan dieser Labels und der Musik, die sie im Laufe der Jahre veröffentlicht haben. Ich liebe es, Musik zu machen, egal, ob sie für den Club bestimmt ist oder nicht. Es geht nicht darum, ein oder zwei Veröffentlichungen zu machen, um etwas zu erreichen. Es dauert tatsächlich mehrere Releases und viele Jahre, um diese Verbindung zu etablieren. Wenn man es aus den richtigen Gründen tut, spielt die Zeit keine Rolle, und die Reise ist großartig mit all ihren Höhen und Tiefen.

Wie hat sich dein charakteristischer Sound im Laufe der Zeit entwickelt, insbesondere angesichts der aktuellen Trends und Hypes in der elektronischen Musik? Wie schaffst du es, deinem Stil treu zu bleiben und ihn gleichzeitig frisch und aufregend zu gestalten?

Ich achte ehrlich gesagt nicht allzu sehr auf Trends und Hypes. Tatsächlich klingt man automatisch anders, wenn man nicht dem Trend oder Hype folgt – so einfach ist es. Ich genieße den Prozess der Musikproduktion sehr, und ich mache sie für mich selbst, um sie mit gleichgesinnten Menschen zu teilen. Natürlich wird nicht jeder darauf abfahren – das ist gar nicht möglich, haha. Aber für diejenigen, die meine Musik genießen, ist das etwas, das absolut unbezahlbar für mich ist. Ich könnte am anderen Ende der Welt sein, wo wir nicht die gleiche Sprache sprechen, aber Musik bleibt das ultimative Mittel, um sich zu verbinden.

Schon bald erscheint ein Remix von dir für die Kollaboration zwischen Damian Lazarus und Dino Lenny. Kannst du uns mehr darüber erzählen und was wir 2025 erwarten können?

Ich war überrascht, dass ich überhaupt auf Damians Radar war. Ich glaube, wir sind uns nur einmal vor Ewigkeiten auf einer Party begegnet, aber das war’s. Er hat mich einfach kürzlich über Instagram für eine Remix-Idee kontaktiert, und ich musste mir die Zeit nehmen, ihn zu remixen. Ich erinnere mich noch gut an die Musik, die er 2012 auf Crosstown veröffentlichte – sie hat mein Leben verändert. Für mich ist Damian auch eine der wichtigsten Persönlichkeiten, die unsere Szene musikalisch geprägt haben.
Dino und ich kennen uns schon seit den frühen Tagen der Ellum-Crew, 2015 und 2016, und ich habe großen Respekt für ihn. Als er mich Anfang dieses Jahres kontaktierte, um auf der B-Seite seiner EP zu kollaborieren, war ich neugierig und glücklich, etwas mit ihm zusammen zu machen. Ich muss sagen, es war ein cooler und einfacher Flow-Prozess. Es ist nicht selbstverständlich, dass eine Zusammenarbeit so gut fließt, deshalb mache ich nicht viele davon. Aber in unserem Fall hat es Spaß gemacht. Für 2025 steht meine vierte „Speicher“ auf Kompakt an, die im Februar erscheint, und ich freue mich sehr darauf. Ich bin so stolz, ein kleiner Teil dieser ikonischen Serie zu sein, die einen wichtigen Faktor in unserer Szene ausmacht. Für mich definitiv ein Meilenstein. Darüber hinaus ist noch vieles mehr geplant.

Barcelona ist seit Jahren dein Zuhause. Welche Rolle spielen die Stadt und ihre elektronische Musikszene für deine Kreativität und Produktion? Wie siehst du die Entwicklung der Szene dort?

Die Stadt hat einfach diese großartige Atmosphäre der Freiheit, die ich wirklich liebe. Du kannst hier alles hören, und es gibt Raum für jeden. Ich fühle mich glücklich mit meiner DSK-Familie und der Input-Club-Crew. Wir glauben aneinander, und wenn ich auf all die Jahre zurückblicke, macht es mich glücklich, diese Stadt mein Zuhause nennen zu können. Meiner Meinung nach ist die Szene sehr gesund. Es gab schon immer etwas für jeden, von großen Festivals bis hin zu kleinen Clubs – es passiert immer etwas in verschiedenen Genres. Manche Leute würden sagen, dass es tatsächlich zu viele Optionen gibt. Ich bin Optimist und denke, dass die Leute gerade den Underground vermissen und er ein Comeback erlebt.

Als Künstler, der in mehreren Städten gelebt hat – von Ägypten über Dubai bis hin zu Barcelona – wie haben diese unterschiedlichen Umgebungen deine Musik und deinen künstlerischen Output beeinflusst?

Das hat mich tatsächlich sehr beeinflusst. Ich war immer das schwarze Schaf in meiner Familie und in meinem Freundeskreis in meiner Heimat. Jeder hatte einen festen Job und gründete Familien, aber ich liebte Musik über alles. Als ich nach Barcelona zog, machte plötzlich alles Sinn, und es fühlte sich an, als würde ich dazugehören. Wir sprachen die gleiche Sprache, nämlich die der Musik, und ich traf jeden Tag gleichgesinnte Menschen – nicht nur am Wochenende.

Du hast einen Hintergrund im Bereich der Architektur. Siehst du Parallelen zwischen Architektur und Musikproduktion, besonders wenn es um Struktur, Balance und Kreativität geht?

So ähnlich sie auch sind, sie sind dennoch sehr unterschiedlich. In Bezug auf Deadlines, Verantwortung und Präzision sind sie sich vielleicht ähnlich. Aber kreativ zu sein, bedeutet, Regeln zu brechen. Sicher, man kann in der Architektur einige Regeln brechen, aber einige können aufgrund physischer Grenzen nicht einfach gebrochen werden. In der Musik können viel mehr Regeln umgangen werden, da gibt es definitiv mehr Freiheiten.

Erzähle uns von deiner musikalischen Ausbildung und deinen ersten Schritten als Künstler.

Wo ich aufwuchs, gab es absolut keine elektronische Musikkultur und auch kein schnelles Internet – dementsprechend gab es YouTube natürlich auch nicht. Wir waren noch in den frühen Tagen der Modem-Verbindung Ende der 90er (lacht). Es war das Ende der Kassetten-Ära und der Beginn von CDs und Napster. Ich war in alle möglichen Musikrichtungen von Metal über Hip-Hop bis hin zu Psy-Trance verliebt. Aber ich wollte die Tracks immer bearbeiten. Zu dieser Zeit spielte ich mit Fruity Loops herum, bis mir ein Freund später Logic Pro zeigte. Ich erinnere mich, dass ich jeden Monat auf die Magazine „Future Music“ und „Sound on Sound“ gewartet habe, weil sie CDs mit Tutorials hatten, bei denen man von Produzenten Tipps bekommen konnte – das hat sehr geholfen, weil es damals eben kein YouTube gab und auch keine Produzentenkultur oder -community, wo man nachfragen konnte. Es war wirklich meine Lebensmission, das Mixen und Kreieren meiner eigenen Musik zu lernen. Es hat eine Weile gedauert, und ich lerne immer noch jeden Tag. Der Unterschied ist, dass heute alles viel schneller geht – alles liegt uns wortwörtlich zu Füßen. Die Herausforderung jetzt besteht darin, wie kreativ man noch sein kann.

Du hast eben schon einen angesprochen: Welche waren bisher die größten Meilensteine in deiner Karriere?

Musik zu machen und dadurch touren zu können, ist für mich der größte Meilenstein. Mein 16-jähriges Ich kann das immer noch nicht glauben. Natürlich sind auch Releases auf meinen Lieblingslabels und Shows in den Clubs und Festivals, von denen ich nur geträumt habe, etwas, das ich niemals als selbstverständlich betrachten werde.

Die Label-Showcases von DSK Records werden immer bekannter. Wie fühlt es sich an, Teil davon zu sein, und was können wir von zukünftigen Showcases oder Events des Labels erwarten?

Es war immer ein natürlicher Fluss mit der DSK-Familie, besonders durch unsere Freundschaft außerhalb der Clubszene. Wir haben die gleiche Philosophie, uns treu zu bleiben und uns nicht mit anderen zu vergleichen. Das hat sich als gesunder Weg erwiesen, die Dinge anzugehen. Wenn du Zeit, Mühe und Arbeit investierst, wird das Ergebnis immer folgen. Der Zeitrahmen mag ein wenig variieren, aber am Ende ernten wir die Früchte. Wir haben einige Showcases für 2025 geplant, auf die wir uns freuen, und großartige Musik, die auf dem Label veröffentlicht wird. Bleibt gespannt!

Hier könnt ihr in Raxons aktuelles Album „USWATT“ reinhören und den Longplayer als Vinyl oder digital käuflich erwerben:

Tracklist „USWATT“:
1. Cyber Funk (Original Mix)
2. This Is The Way (Original Mix)
3. The Vocoder One (Original Mix)
4. Go Computer (Original Mix)
5. Still Hypnotic Soundwave (Original Mix)
6. Future (Original Mix)
7. Hi Human Intelligence (Original Mix)
8. The Hive (Original Mix)
9. Spaceport (Original Mix
10. Game Over Continue? (Original Mix)

Das Album „USWATT“ von Raxon ist am 4. Oktober 2024 auf DSK Records erschienen.

Aus dem FAZEmag 153/11.2024
Text: Triple P
Web: www.instagram.com/raxon