Rosa Anschütz – Die Balance zwischen Tradition und Moderne

Credit: Anna Breit

Rosa Anschütz. Die Berlinerin, 1997 am Rand der Stadt in einem abgelegenen Haus am See mit verwunschenem Garten aufgewachsen, kam bereits im Teenager-Alter in den Kontakt mit der elektronischen Avantgarde und Technoclubs. Dank dieser für ihr Alter ungewöhnlich frühen musikalischen sowie kulturellen Sozialisation folgte sie schon bald einem Karrierepfad, der stark von Kunst, allen voran der Musik, geprägt war. Zunächst spielte sie in diversen Bands, merkte jedoch zügig, dass sie ihre künstlerischen Träume am besten alleine durchleben und erfüllen kann. Eines Tages wurde dann ein gewisser Max Kobosil, seines Zeichens Techno-Senkrechtstarter und Berghain-DJ, auf Rosas Soundcloud-Profil aufmerksam, auf dem sich unter anderem der Track „Rigid“ befand. Der kurze Zeit später folgende und durch die Decke gehende Kobosil-Remix sollte der Startschuss für Rosa Anschütz Karriere auf großer Bühne werden. Jüngst hat sie mit „Goldener Strom“ ihr aktuelles Album auf BPitch veröffentlicht. Wir haben mit Rosa Anschütz gesprochen.

„Goldener Strom“ – insbesondere das Titelstück – ist von einer starken Ambiguität geprägt. Der Wunsch, sich von ihm leiten zu lassen auf der einen Seite, und der Wille, sich der Welt und ihren Strömungen zu widersetzen, auf der anderen. So jedenfalls hat Rosa Anschütz ihn beschrieben, diesen goldenen Strom. Aber was genau meint sie damit? Welche Gedanken hatte sie, als sie den Song bzw. das Album produziert hat? Hierzu sagt sie: „Das ist eine gute Frage und ich möchte gerne auf den Goldenen Strom als eine mögliche Metapher eingehen. Ich frage mich, wie wahrscheinlich viele Künstler*innen, ob man sich mit seiner Arbeit in eine Geschichte oder in die Zeit einschreiben kann, wo wir momentan doch in einer Gesellschaft leben, die von einer extremen Schnelligkeit geprägt ist. Und genau diese Schnelligkeit und Kurzweiligkeit betrifft eben auch die Kunst. Sollte man also mit dem Strom gehen, oder sich ihm lieber widersetzen?“

Dem herkömmlichen Lebensstil eines Teenagers hatte sich Rosa Anschütz in ihrer Jugendzeit definitiv widersetzt. Schon früh konnte sie viele Einblicke aufsaugen und ein Gespür für das Extraordinäre entwickeln. Obwohl sie als 1997er-Baujahr vergleichsweise noch zu den jungen Wilden gehört, klingt ihre Musik mit dieser perfekten Balance zwischen Tradition und Moderne, als sei sie schon Ewigkeiten im Geschäft. „Das Berliner Umfeld, in dem ich aufgewachsen bin, hat mich stark geprägt, das stimmt. Ich bekam früh die Möglichkeit, an einer Diversität von Veranstaltungen teilzunehmen, durch die ich mich fortbilden konnte. Ich bin ein sehr offener Mensch und das überträgt sich auch auf meine Herangehensweise an Musik, Kunst oder Literatur“, erklärt Rosa Anschütz, die in der Kunst auch ihrem Verlangen nach Selbstständigkeit und Unabhängigkeit nachkommen kann.

Für „Goldener Strom“ schöpft sie nun aus dem Vollen ihrer musikalischen Erfahrung und verbindet digitale mit analogen Instrumenten – inklusive Flöte, Trompete, Gitarre und natürlich ihrer kalten, klaren und entschlossenen Stimme. Das sah bei ihrem Debütalbum „Votiv“ und auch auf der „Ridig“-EP – beide waren stark von modularen Synthesizer-Sounds geprägt – noch anders aus. Rosa Anschütz erklärt: „Der einzige Grund, dass ich diesmal nicht mit dem modularen Synthesizer gearbeitet habe, war, dass ich keine Lust hatte ihn zu benutzen. Ich hatte viel stärker das Bedürfnis, mich mit den Instrumenten aus vergangen Tagen zu befassen,  wie eben die Trompete, die ich seit vier Jahren nicht mehr gespielt hatte.“

Für die zweite Jahreshälfte plant Rosa Anschütz derweil, sich mehr der bildenden Kunst zu widmen, aber auch einige Wochen der Entspannung zu genießen. Verdient hat sie sich das nach ihrem Album-Release allemal.

„Goldener Strom“ ist am 27. Mai via BPitch erschienen.

Aus dem FAZEmag 124/06.2022
Text: Hugo Slawien
Foto: Anna Breit
www.rosaanschuetz.com