Den Aufmerksamen unter euch wird er bereits im Auftakt aufgefallen sein: Future-Romance-Labelboss Normen Flaskamp, besser bekannt als Solee. Der gebürtige Stuttgarter ist ein regelrechtes Ass, wenn es um das elektronische Geschichtenerzählen geht und beherbergt mittlerweile satte sieben Studioalben in seiner Diskografie. Belohnt wird sein herausragendes Talent seit vielen Jahren mit nationalen und internationalen Bookings und den großen Erfolgen seiner Label Future Romance und Parquet Recordings. Kürzlich feierte er das dreijährige Future-Romance-Jubiläum mit einer 30-Track-Compilation und läutete darüber hinaus eine Remix-Competition zu seinem Klassiker „Shanti“ ein, mit der er seinen Fans etwas zurückgeben möchte. Außerdem freuen wir uns über seinen Mix des Monats, den Solee begleitend zu unserer Juli-Ausgabe beisteuert. Zeit für einen Talk.
Hallo, Normen. Du hast in diesem Heft die Ehre, in gleich zwei Features vertreten zu sein. Beginnen wir mit der Remix-Competition. Wie bist du auf die Idee gekommen? Hast du so etwas schon einmal gemacht?
Vielen Dank für den Support, ich freue mich, bei euch in diesem Heft dabei zu sein. Mein letzter Contest ist nun schon 13 Jahre her, es war also definitiv mal wieder an der Zeit. Anstoß dazu hat mir u.a. auch ein Künstler gegeben, der im Moment berechtigterweise viel Aufmerksamkeit durch seine tollen Produktionen bekommt und dessen Content ich auf Social Media verfolge. Dieser Künstler war einer der Gewinner meines letzten Remix-Contests in 2011. Das hat mich mal wieder daran erinnert, dass es da draußen bestimmt sehr viele Musikproduzenten gibt, die großes Talent haben, aber zu wenig Möglichkeiten, es zu zeigen. Vor allem Künstler, die keine Social-Media-Profis sind, sind immer glücklich darüber, neben dem (oft demotivierenden) Verschicken von Demos noch andere Chancen zu haben, Aufmerksamkeit zu bekommen. Da ich seit vielen Jahren auch mit meinen Labels versuche, unbekannten Künstlern eine Plattform zu geben und mit vielen in Kontakt bin, kenne ich deren Struggles nur zu gut. Außerdem habe ich vor Kurzem wahrgenommen, dass mein zehn Jahre alter Track „Shanti“ mein bis heute meist geshazamter Track ist, überraschenderweise hat er immer noch monatlich um die 3000 Shazams weltweit. Ich dachte, das ist der perfekte Track für einen Contest.
Bekommst du Unterstützung beim Sondieren der Tracks? Hast du genretechnisch irgendwelche Vorstellungen oder sind alle Genres willkommen?
Grundsätzlich sind alle Genres willkommen, außer kommerziellem EDM und sehr hartem Techno. Damit kann ich nichts anfangen. Im besten Fall ist es Musik, die soundtechnisch irgendwie auf mein Label Future Romance passt. Dann macht es am Ende sicherlich am meisten Sinn für alle, vor allem, weil ich natürlich auch an einer weiteren Zusammenarbeit mit dem Künstler interessiert bin. Ich werde alle Einsendungen persönlich hören und eine Vorauswahl treffen. Für die finale Entscheidung werde ich aber noch 2-3 andere Meinungen einholen.
Die Gewinner*innen dürfen sich über ein Release auf deinem Label Future Romance freuen, das kürzlich sein dreijähriges Jubiläum mit einer 30-Track-Compilation feiern durfte. Erzähl uns etwas über die Kuration der V.A.
Genau, die besten Remixe werden dann auf Future Romance veröffentlicht. Im Mai wurde das Label 3 Jahre alt und passend dazu gab es die dritte Label-Compilation mit allen Tracks aus dieser Zeitperiode. Obendrauf habe ich noch einen 160 Minuten Non-Stop-Mix gemacht, der kostenlos auf Soundcloud zu streamen ist. Enthalten sind Tracks von Künstlern wie Several Definitions, Gai Barone, Citizen Kain, Drumcomplex & Frank Sonic, Off Night, Pammin, Emiliano Demarco, mir selbst und vielen mehr.
Das Label ist vergleichsweise noch recht jung. Hat sich Future Romance in den drei Jahren (musikalisch) in eine bestimmte Richtung entwickelt oder bleibt es sich treu?
Ich denke es hat sich seit dem Start in 2021 musikalisch nicht sehr verändert. Future Romance soll eine Plattform für melodische, intelligente und doch zugängliche elektronische Musik sein. Musik, die im besten Falle eine Geschichte erzählt und den Hörer mit auf eine Reise nimmt. Manchmal etwas deeper, manchmal grooviger, manchmal etwas raviger, ich möchte mich da nicht auf ein
bestimmtes Genre festlegen. Worauf ich Wert lege ist, dass die Künstler ihre Musik selbst machen, in ihrem Studio, mit ihrem Equpiment, mit ihren Ideen, so wie ich das selbst auch mache. Ich habe nichts gegen DJs mit Ghostproducern, aber für mich ist das künstlerisch uninteressant.
Bis auf wenige Ausnahmen hast du deine Musik bisher fast ausschließlich auf Parquet und Future Romance veröffentlicht. Das ist keine absolute Rarität, aber durchaus eine Seltenheit. Gibt es Gründe dafür?
Ich mochte es noch nie besonders, Demos zu verschicken. In den meisten Fällen bekommt man keine Antwort bzw. kann froh sein, wenn es überhaupt gehört wird. Vor allem wenn man wie ich Musik macht, die nicht zu 100 % in eine Schublade passt. Das war auch einer der Gründe, warum ich damals mein erstes Label gestartet habe. Da ich das früher immer schon als sehr frustrierend empfand, handhabe ich das übrigens aus Respekt zu den Künstlern bei meinem Label anders. In jedes Demo wird reingehört, Antworten gibt es auch nur, falls es interessant ist, aber zumindest sieht der Künstler anhand des Soundcloud-Plays, dass es ankam und gehört wurde. Aber zurück zum Thema. Ein weiterer Grund ist, dass ich vermutlich gerne die Kontrolle über meine Musik behalte. Über die Zeit habe ich ein gutes Netzwerk aufgebaut und weiß, was zu tun ist, damit meine Musik beim Hörer und bei den DJs ankommt. Trotzdem veröffentliche ich aber hin und wieder auch gerne auf anderen Labels, wenn es sich anbietet und Sinn ergibt. Gerade letzten Monat erschien meine neue Single „Alegria“ auf dem englischen Label Global Underground. Mir gefällt, wofür das Label steht und auch deren künstlerorientierte Konzepte. Zu den sogenannten „Labelsammlern“ unter den Künstlern werde ich aber wohl nie gehören.
Tauchen wir ab in deine Sommer-Schedule. Was sind deine Highlights?
Definitiv das Fusion Festival, für das ich gerade im Moment auch noch ein paar Tracks zusammensuche bzw. überarbeite. Nachdem ich vor 2 Jahren dort die Turmbühne eröffnen durfte, bin ich froh, dieses Jahr wieder dabei zu sein. Dort herrscht einfach eine besondere Atmosphäre, sehr friedvoll, detailverliebt und musikalisch vielfältig. Kann ich jedem, der noch nicht dort war, nur empfehlen, mal in diese verrückte bunte Welt einzutauchen. Ich freue mich aber auch auf das 3000 Grad Festival, auf dem ich dieses Jahr zum ersten Mal spielen werde, oder das Affenkäfig Festival und das Captured Festival auf Malta. Auch in meiner Berliner Residency, dem Ritter Butzke, darf ich im Juli wieder ein DJ-Set spielen, in meiner Heimatstadt Stuttgart auf Fridas Pier, in München im Bahnwärter Thiel und das erste Mal in Stockholm im August usw. Der Sommer wird wild.
Sprechen wir über deine Geschichte als DJ und Producer. Erinnerst du dich noch an deinen ersten professionellen Gig?
Ja, ich glaube, der war in Göppingen bei Stuttgart in einem Club, dessen Namen ich vergessen habe, ich glaube, es gibt ihn auch nicht mehr. Auf jeden Fall dürfte das mein erstes offizielles Booking als Solee gewesen sein. Super aufgeregt gewesen, alles Mögliche vorgestellt im Vorfeld, super nervös dort angekommen und dann vor ca. 5-6 Leuten mein 2-Stunden-Set gespielt. Zwei davon waren meine Freunde. Sehr ernüchternd. Haha.
Wer und was waren deine ersten großen Einflüsse und Inspirationen?
Bands wie Depeche Mode, The Cure oder auch Front 242 und ähnliche Bands aus dem EBM/Electronic Body Music-Genre haben mich durch meine Jugendzeit begleitet und stark geprägt. Vor allem die melancholischen Melodien und schweren Synthesizer haben mich stark beeindruckt und in ihren Bann gezogen. Etwas später dann entdeckte ich Techno & Trance, unter anderem durch die HR3 Clubnight und DJs wie Sven Väth, DJ Dag, Ulli Brenner. Daraufhin habe ich auch angefangen, CDs und Platten zu sammeln von Labels wie z.B. Eye Q / Harthouse oder Noom Records.
Und heute?
Da ich jeden Tag so viel Musik höre, durch die Labelarbeit und meine eigenen Produktionen im Studio, höre ich eigentlich kaum andere Musik. Wenn ich mal nicht im Studio sitze, keine Tracks raussuche für meine DJ-Sets oder Demos höre, dann bin ich eigentlich froh, wenn es ruhig ist. Maximal höre ich dann noch Podcasts oder schaue etwas auf YouTube. Somit inspiriert mich heute weniger die Musik von anderen, sondern mehr das Leben an sich oder vielleicht auch Momente in Clubs während meiner Auftritte oder wenn ich mal privat feiern gehe.
Wie verfolgst du den allgemeinen Trend der Szene? Stichwort Social-Media-Affinität und immer schnellere, härtere Musik?
Ich würde sagen, Social Media ist Fluch und Segen zugleich. Social Media hilft Künstlern, mit ihren Fans in Kontakt zu treten und ihre Musik zu präsentieren, was eine absolute Bereicherung ist. Ich finde es aber z.B. sehr schwierig, wenn Künstler nur aufgrund ihrer Followerzahl oder ihrem Social Media-Auftritt für eine Veranstaltung gebucht werden. Die Musik und die technischen Skills sollten entscheidend sein, dann ist für die Besucher einer Veranstaltung auch sichergestellt, dass sie einen bestimmten künstlerischen Wert bekommen für ihr Eintrittsgeld. Durch die ganzen Social Media-Trends darf nicht vergessen werden, dass es in der Techno-Szene eigentlich um Musik geht, sich fallen zu lassen auf der Tanzfläche und gemeinsam zu feiern. Wer auf große Leinwände schauen möchte, kann auch ins Kino gehen, wer Kunststücke auf der Bühne sehen möchte, kann in den Zirkus gehen. Dass es gerade viele Menschen gibt, die harte, schnelle Musik mögen, finde ich in Ordnung. Jeder soll hören, was er möchte, auch wenn er es nur hört, weil er dazu ein paar gehypte TikTok-Videos gesehen hat und auch mitmachen möchte. Für die meisten wird es nur eine kurze Phase sein, bis der nächste Hype kommt. Mein Ding ist es nicht, ich fühle mich eher bei 122-132 BPM wohl.
Der Sommer ist da. Wo und wie machst du am liebsten Urlaub? Ist noch eine größere Reise in diesem Jahr geplant – abseits deiner Tourneen?
In den letzten Jahren habe ich meinen Urlaub überwiegend in Europa verbracht, in Spanien, Kroatien, Portugal oder Griechenland. Da mein Sohn noch in die Schule geht, bin ich zumindest, was den Familienurlaub angeht, an die Ferienzeit gebunden. Ich bin aber z.B. auch schon 3 Wochen lang durch Kalifornien gereist, habe mir Australien angeschaut oder mache immer mal wieder Städtereisen. Am liebsten mag ich eine Mischung aus Strand- und Sightseeing-Urlaub. Ich liebe es, am Strand zu liegen und nichts zu machen, allerdings wird das auch irgendwann langweilig, wenn es keine Abwechslung gibt. Ich brauche also auch immer etwas zu erkunden. Dieses Jahr im Januar war ich zum ersten Mal in Thailand und habe mir ein paar Inseln angeschaut. Ich bin immer noch total begeistert und bin mir sicher, dass es nicht das letzte Mal war.
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„Future Romance – Year III“ ist am 14. Juni via Future Romance erschienen.
Hier könnt ihr in die neue Compilation reinhören und diese käuflich erwerben:
Aus dem FAZEmag 149/07.2024
Text: M. T.
www.futureromance.de